BER: Kulturfrevel am Flughafen

Das »Generalshotel« am BER ist trotz Denkmalschutz dem Abriss geweiht

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 5 Min.

Fachmännisch das Material prüfend, legt Ayhan Ayrilmaz seine Hand erst auf eine Säule am Eingang und später auf den Marmor im Foyer. Nachdem er sich gründlich umgesehen hat, fällt der Chefarchitekt der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten sein Urteil über den geplanten Abriss des sogenannten Generalshotels am Flughafen BER in Schönefeld: Es sei »absurd«, wenn heute anderswo komplett verlorene Gebäude wiederaufgebaut werden und hier ein Haus weg solle, »wo alles noch da ist«.

Das außen vergleichsweise schmucklose, aber innen recht edel ausgestattete Abfertigungsgebäude war in den Jahren 1947 bis 1950 errichtet worden. Zunächst trafen hier ranghohe Offiziere der sowjetischen Besatzungsmacht ein, später Staatsgäste der DDR, die vor dem »Generalshotel« mit einer Ehrenformation der Streitkräfte samt Orchester empfangen wurden.

Zuletzt diente das Gebäude übergangsweise der Bundespolizei, die von hier aus Sammelabschiebungen von Flüchtlingen ins Werk setzte. »Rückführungsraum« steht von daher noch an dem einen oder anderen Türschild. In einer als Mutter-Kind-Raum bezeichneten Zelle liegen ein paar Plaste- und Holzbausteine auf dem Boden verstreut herum. Durch das vergitterte Fenster lässt sich, weil der untere Teil aus Milchglas besteht, nur der Himmel sehen, in den die Flugzeuge aufsteigen. Es gehört wenig Fantasie dazu, sich vorzustellen, was ein solcher Anblick für eine Familie bedeutet, deren Hoffnung auf Zuflucht in der Bundesrepublik zerschlagen ist und die weiß, dass sie bald mit einem solchen Flugzeug in ihr Herkunftsland abgeschoben wird.

Im August 2022 endete diese bedrückende Nutzung abrupt. Das »Generalshotel« liegt in einer Senke, und bei einem schweren Unwetter lief der Keller fast komplett mit Regenwasser voll. Auch für die nähere Umgebung galt: Land unter! Einen Bundespolizisten, der nicht mehr allein hinausgelangte, holten Kollegen mit einem Spezialfahrzeug. Seitdem steht das Haus leer – und der schon lange geplante Abriss hat mit ersten Vorarbeiten im Außenbereich nun bereits begonnen. Noch im laufenden Jahr soll das Gebäude verschwinden.

Dabei steht es seit 1996 unter Denkmalschutz. Genehmigt wurde der Abriss dennoch – und zwar gegen die Empfehlung des Landesdenkmalamtes mit dem Planfeststellungsbeschluss zum Bau des neuen Hauptstadtflughafens BER vom 15. September 2011.

Die Bedenken der Denkmalschützer wurden »weggewogen«, so laute der Fachbegriff dafür, erklärt die Landtagsabgeordnete Sahra Damus (Grüne) am Mittwochabend bei dem schlimmstenfalls letzten Vor-Ort-Termin. Sie und andere Politiker sowie Architekten, Universitätsprofessoren und Künstler möchten diesen Kulturfrevel noch verhindern, für den es inzwischen keine vernünftige Begründung mehr gibt. Denn das »Generalshotel« sollte ja ursprünglich einem Regierungsterminal weichen, das zumindest vorerst aus Kostengründen abgesagt ist. Jetzt soll die Fläche lediglich als Stellplatz für die Maschinen der Flugbereitschaft der Bundesregierung dienen. Aber lediglich ein einziges Flugzeug passt auf die Grundfläche des Hauses. Das ließe sich sicher anderswo abstellen auf dem weitläufigen Airportgelände.

Tobias Kühn ist da und fotografiert, was einst sein Großvater, der Metallbildhauer Fritz Kühn (1910–1967), zu dem Haus beisteuerte: die Metallgeländer der Treppen und die Verkleidung der Heizkörper. Die Enkelin des Architekten Georg Hell (1906–1986) wollte auch kommen, musste aber aus persönlichen Gründen kurzfristig absagen.

»Wir haben trotz intensiver Forschung eine wirklich schlechte Quellenlage«, bedauert Professorin Stephanie Herold von der Technischen Universität Berlin. Den Auftrag hatte ursprünglich der Architekt Max Schmidt erhalten, der sich aber aus der sowjetischen Besatzungszone absetzte. »Über ihn wissen wir ansonsten wenig«, so Herold. Übernommen habe dann der Architekt Georg Hell, den es aber auch nicht im Osten hielt.

Das Besondere an dem Gebäude ist für die Professorin, dass es in einer Zeit entstand, in der deutsche Städte ansonsten damit beschäftigt waren, erst einmal die Trümmer des Zweiten Weltkriegs fortzuräumen. Neubauten wie diesen hier habe es 1947 eigentlich nicht gegeben. Herold ist kein anderer Fall bekannt. Stilistisch kann sie den Bau schwer einordnen. Für die Ostmoderne ist er zu früh dran, trägt auch neoklassizistische Züge und erinnert mit seinem Dach noch ein wenig an den Heimatschutzstil der Nazizeit. Gesamturteil: »Ich finde es sperrig, aber ich finde es schon toll.«

Auch Haiko Türk vom Landesdenkmalamt gerät ins Schwärmen: »Es hat sich in einer unglaublichen Ursprünglichkeit erhalten. Es wurde in einem ungeheuren Kraftakt geschaffen.« Auf den ersten Blick sei das Gebäude trotz Wasserschadens »in einem großartigen Zustand«. Türk kann nur noch einmal daran erinnern, dass seine Behörde das Haus schon immer für erhaltenswert hielt. »Der Bau ist einmalig. So was haben wir unter den 14 000 Denkmalen in Brandenburg nicht noch einmal.« Dass dieses Haus abgerissen werden solle: »Es blutet einem das Herz.«

»Wir fordern ein Abrissmoratorium«, sagt die Landtagsabgeordnete Isabelle Vandré (Linke). »Es ist nicht nachvollziehbar, warum mit einem vorschnellen Abriss Fakten geschaffen werden sollen.« Das Regierungsterminal werde ja frühestens in 10 bis 15 Jahren entstehen. Die Bundesanstalt für Immobilien bräuchte hier neue Anweisungen von oben – von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP).

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