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E-Bike: Falscher Fahrtwind und grüne Träume
Über Konsumentenglück und gefühlten Klimaschutz: Grüne Träume vom E-Bike und andere Widersprüche
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Mitunter lohnt sich der Blick auch auf reichlich angestaubte Titel im Bücherregal. Aldous Huxleys »Schöne neue Welt« aus dem Jahr 1932 ist ein Roman, den wohl jeder dem fast schon sprichwörtlichen Namen nach kennt. Endlos zitiert, dient er allzu oft in allerhand Meinungsbeiträgen zur wenig dezenten Anspielung. Wie viel Hellsichtigkeit in dem dystopischen Buch steckt, darüber lässt sich streiten. Dass sein Autor durchaus einem problematischen Weltbild anhing, ist hingegen kaum bestreitbar.
Die totalitäre Gesellschaft, die Huxley in seinem Roman erfindet, muss hier nicht in ihren Einzelheiten erläutert werden. Ein Detail vermag heute aber vielleicht besonders zu interessieren: Die Diktatur der Zukunft verweigert sich keineswegs der Wissenschaft, sie weiß sie für ihre Zwecke zu nutzen. In jener Welt, in der sich Privatpersonen mit Helikoptern fortzubewegen pflegen, greift das politische System in alle Sphären hinein, auch in vermeintlich harmlose Freizeitaktivitäten von Kindern.
»›Seltsam, wenn man bedenkt, dass man zur Zeit Fords des Herrn für die meisten Spiele nicht mehr als ein paar Bälle, ein, zwei Holzprügel und höchstens noch ein Netz verwendet hat. Eine unglaubliche Dummheit, die Leute schwierige Spiele spielen zu lassen, ohne dadurch den Verbrauch zu erhöhen. Wahnsinn! Heutzutage gestatten die Weltaufsichtsräte die Einführung eines neuen Spiels nur, wenn nachgewiesen wird, dass dazu mindestens ebenso viele Teile gebraucht werden wie für das komplizierteste der schon gebräuchlichen Spiele.‹« So ist es bei Huxley zu lesen.
In aller Deutlichkeit: Ein »Weltaufsichtsrat« existiert realiter nicht. Mag sein, dass er ein recht ergiebiges Phantasma für fiktionale Literatur ist. Und nicht weniger deutlich sei hier angemerkt, dass das Gefasel von der »Ökodiktatur« reichlich substanzlos ist. Aufschlussreich ist aber die Betrachtung des Phänomens von Produktions- und Konsumzwang, die, wie in dem Textausschnitt klar wird, mit größter Selbstverständlichkeit hingenommen werden. Es wirkt wie das hässliche Geschwister des naiven Traums von der »grünen Marktwirtschaft«.
Es ist ein riesiges Missverständnis anzunehmen, der Austausch eines Kühlschranks oder eines beliebigen anderen technischen Geräts nach kürzester Zeit durch ein anderes, nur weil dieses ein Plus mehr nach dem A aufweist, hätte etwas mit Umweltbewusstsein zu tun. Darin drückt sich vielmehr die Fantasielosigkeit derjenigen aus, die Politik immer nur als Ausdruck des eigenen Konsumverhaltens verstehen wollen oder können.
Ist die Rede von Energieeffizienz, beschränkt man sich in den allermeisten Fällen auf die Betrachtung des Verbrauchs; kein Augenmerk wird hingegen darauf gelegt, dass die scheinbar unverbesserliche Neigung zum »Abwracken« eines der eigentlichen Grundübel darstellt.
In der Geschichte der Partei Bündnis 90/Die Grünen findet man Spuren eines anderen, eines wirklichen Nachdenkens über Naturzerstörung, blinden Konsumismus und alternative Konzepte, wie man zusammenleben und arbeiten könnte. Sie sind mittlerweile begraben. Wachstumskritik hieß eine Denkrichtung, die dem herkömmlichen Wirtschaften in Ost wie West den Kampf ansagte. Heutzutage will man, deutlich im Marketing geschult, »mit grünen Themen schwarze Zahlen schreiben«. In anderen Worten: Der Markt und seine Regeln bleiben unangetastet. Mehr noch: Mit – zumindest vorgeblichem – Umweltbewusstsein lässt sich bestens wirtschaften und Geld verdienen.
Dieser vermeintlich progressive Ansatz in Sachen Klimaschutz ist nicht allein Teil eines Parteiprogramms; er findet sich tief verankert in dem urbanen Milieu, aus dem sich auch ein Gros der Wählerschaft von Bündnis 90/Die Grünen speist. Diese Form der »gelebten Klimagerechtigkeit« lässt sich konsumieren, kann mit dem Gestus des hippen Weltverbesserers nach außen getragen werden und entbehrt nur selten eines Lifestyle-Aspekts.
Die Beispiele dafür sind zahlreich. War vegetarische Ernährung in unseren Breitengraden etwa seit jeher ein bekanntes, wenn auch nicht weit verbreitetes Phänomen, entsagen heute in nennenswerter Zahl Menschen des Fleischgenusses. Tatsächlich dürfte der Verzicht auf Fleisch einen positiven Effekt auf die Umwelt haben. Die Popularisierung des Vegetarismus ging und geht allerdings mit dem Angebot an »Ersatzprodukten« einher. Was ist schon ein Trend, wenn er nicht konsumistisch erfahrbar würde? Und so ist dann wohl auch von minderem Interesse, dass die häufig auf Grundlage von Soja hergestellten Lebensmittel in Fragen des Klimaschutzes kontraproduktiv sind.
Die fehlgeleitete grüne Klimapolitik findet ihr Sinnbild aber am ehesten im E-Bike. Einstmals warb die Umweltbewegung, mit der Die Grünen in weit zurückliegender Vergangenheit einmal verbunden waren, mit dem Spruch im bezeichnenden süddeutschen Idiom: »Umwelt schützen, Rad benützen«. Aber auch diese schlichte Weisheit verfängt in Zeiten des motorisierten Fahrradfahrens nicht mehr.
Zugegeben, das E-Bike kommt auf den ersten Blick umweltfreundlich daher. Die dahinterstehende Technologie ist so grün dann aber doch nicht. Erst der schiefe Vergleich erhebt die kleine Klimasünde zum fortschrittlichen Vehikel: Wer sich aufs E-Bike setzt und dafür auf seinen alten Pkw mit Verbrennermotor verzichtet, tut der Umwelt tatsächlich einen Gefallen. Wer hingegen – und dabei handelt es sich wohl um das wahrscheinlichere Szenario – sein herkömmliches Fahrrad im Keller stehen lässt und dem grünen Lifestyle-Accessoire E-Bike den Vorzug gibt, muss dafür noch lange keinen Kniefall machen. Aber mit altruistischem Verhalten hat man es hier ganz gewiss nicht zu tun. Fast hat man das Gefühl, der allseits beschworene Kampf gegen den Klimawandel wäre ausschließlich eine Frage der richtigen Einstellung, nicht des konsequenten Handelns.
Wären die Grünen doch so sehr »Verbotspartei«, wie von reaktionärer Seite beständig behauptet wird, ein wirksames Vorgehen zur Eindämmung der Klimaschäden schiene denkbar. Aber die Apologetik des Marktes und der unerschütterliche Glaube an die Kraft des Konsumenten bei gleichsam stets appellativ erhobenem Zeigefinger führen nicht an der Katastrophe vorbei, sondern unmittelbar darauf zu. Den Unterschied macht einzig das gute Gewissen, das dabei noch zur Schau gestellt wird.
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