Vorhersehbarer Wahlausgang in Griechenland

Der konservative Regierungschef Mitsotakis will seiner Partei am Sonntag die absolute Mehrheit sichern

  • Elisabeth Heinze, Thessaloniki
  • Lesedauer: 4 Min.

Nachdem aus der ersten Runde der Parlamentswahl am 21. Mai die rechtskonservative Nea Dimokratia (ND) zwar als klare Siegerin hervorging, dennoch aber keine Regierung zustande kam, finden an diesem Sonntag Neuwahlen statt. Das liegt vor allem daran, dass Premier Kyriakos Mitsotakis nach etwa vier Jahren Amtszeit weiter allein regieren will. Bei der Wahl vor fünf Wochen erhielt seine Partei 40,8 Prozent der Stimmen (2019: 39,8 Prozent), die linke Oppositionspartei Syriza hingegen nur 20 Prozent (2019: 31,5 Prozent).

Auch wenn diese Tendenz in Umfragen vorausgesagt worden war, so überraschte doch der enorme Abstand, mit dem ND die griechische Linkspartei regelrecht abhängte. Eine richtige Trendwende ist am Sonntag daher nicht zu erwarten. Zumal wegen einer erneuten Gesetzesänderung auf Initiative von Mitsotakis wieder das erweiterte Verhältniswahlrecht gilt. Dadurch werden der stärksten Kraft bei einem Stimmenanteil von nur 38 Prozent bis zu 50 zusätzliche Sitze der insgesamt 300 in der Vouli, dem griechischen Nationalparlament, zugesprochen. Unter Syriza (2015–2019) war erstmals das einfache Verhältniswahlrecht eingeführt worden, das bisher nur einmal, eben beim letzten Wahlgang im Mai, zum Zuge kam.

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Trotz des aktuellen Bootsunglücks vom 14. Juni vor der Küste des Peloponnes, bei dem mehrere Hundert Geflüchtete ums Leben kamen, kann sich Mitsotakis bei dieser Wahl seines Sieges sicher sein. Und das, obwohl die internationale Presse derzeit wieder genau hinsieht und die griechische Küstenwache beschuldigt wird, nicht ausreichend Hilfe geleistet oder die Katastrophe mitverursacht zu haben. Der ND-Chef wirbt zwar eigentlich mit seiner harten Migrations- und Asylpolitik. Nach dem jüngsten Sterben vor den Stränden griechischer Urlaubsdestinationen hielt er es aber für angebracht, eine dreitägige Staatstrauer anzuberaumen.

Freilich nehmen ihm das in Griechenland die wenigsten Menschen ab. Doch auch die zahllosen Eklats während seiner Amtszeit, von denen der Abhörskandal mit Lauschangriffen, Angriffe auf Oppositionspolitiker, Geschäftsleute und Journalisten sowie das Zugunglück von Tempi die bekanntesten sind, können der alten rechtskonservativen Macht derzeit nichts anhaben. Deren Strategie, sich in unruhigen und gefährlichen Zeiten als verlässlicher und stabiler Faktor zu präsentieren, verfängt offenbar. Mit den Worten »Eine autarke Nea Dimokratia ist der einzige Weg, der letztendlich zu einem starken Griechenland führt« beschloss Mitsotakis bei seiner Rede am Mittwoch in Thessaloniki auch die zweite Runde des Wahlkampfs.

Ebendiese gut besuchte Veranstaltung ging im Internet durch eine junge Frau namens Evdokia Tsagkli viral. Tsagkli ist eine Überlebende des Zugunglücks von Tempi am 28. Februar dieses Jahres und behauptet, während des Meetings ohne Grund des Platzes verwiesen worden zu sein. Das sei bei Wahlveranstaltungen schon des Öfteren geschehen, zum Beispiel als sie zusammen mit anderen Überlebenden Transparente hochhielt. Auf Instagram macht sie sich in Englisch untertitelten Videos Luft. Darin klagt sie die Nea Dimokratia der mangelnden Aufklärung des Zugunglücks an und verweist auf nach wie vor fehlende Sicherheit für Passagiere im griechischen Bahnverkehr.

Wie stark der breite Wunsch nach einer Korrektur großer Fehler im System, wie fehlende Mittel im staatlichen Gesundheitssystem oder massenhaft drohende Zwangsversteigerungen bei privaten Kreditnehmern, sich diesmal auf das Wahlergebnis auswirken, wird sich zeigen. Jedenfalls könnten solche Fragen ein Grund für den relativen Erfolg der kleinen Parteien im Mai gewesen sein. So scheiterte zwar überraschenderweise Mera 25 von Yanis Varoufakis an der Drei-Prozent-Hürde, doch gewann die ebenfalls linke Partei Pleusi Eleftherias (Kurs der Freiheit) der ehemaligen Parlamentspräsidentin Zoi Konstantopoulou im Vergleich zur Wahl 2019 deutlich an Stimmen hinzu. Und auch wenn sie den Einzug ins Parlament knapp verfehlt, spricht das Ergebnis der rechten Partei Nicki ebenfalls für eine aktive Suche von Wahlberechtigten nach Alternativen jenseits der großen Parteien.

Konstantopoulou und der damalige Finanzminister Varoufakis waren 2015 nach der Unterzeichnung des dritten Kreditprogramms, mit dem sich die Syriza-Regierung dem Diktat Brüssels unterwarf, aus der Partei Syriza ausgetreten. Sie gehören zu den Politikern, die in Griechenland kein Glaubwürdigkeitsproblem haben – auch wenn sie nicht unbedingt gewählt werden. Yannis Varoufakis begründete die relative Niederlage seiner Partei Mera 25 unter anderem damit, dass die Menschen in Griechenland derzeit nicht offen für Analysen seien, die den Erfolgsgeschichten vom Ende der Krise und einem wirtschaftlichen Aufschwung ihres Landes im Kern widersprechen.

Interessant wird es am Sonntag zu sehen, wie sich die Wähler im linken Spektrum verhalten. Werden sie Syriza womöglich aus strategischen Gründen stärken? Oder entscheiden sie sich, weil Syriza ohnehin geschwächt ist, eher für kleinere, weiter links stehende Parteien?

Währenddessen ist es das Wahlziel von Mitsotakis, viele Landsleute davon zu überzeugen, dass seine ND »dem Patriotismus und der Orthodoxie genauso nahesteht« wie die Konkurrenz am rechten Rand.

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