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ARD-Reformen: Für alle ein Stück vom Kuchen
Die ARD will effizienter werden und sich digital erneuern – das kommt ziemlich spät
Jetzt wird es konkret», versprach die Überschrift einer Pressemitteilung der ARD zur Konferenz der Intendantinnen und Intendanten ihrer regionalen Rundfunkanstalten, die in der vergangenen Woche in Stuttgart stattfand. Dort habe man die «Weichen für den Reformweg» gestellt. Besser spät als nie, mag man denken. Denn dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk (ÖRR) hierzulande einen enormen Reformbedarf aufweist, ist klar. Die Vorwürfe reichen von einer nicht mehr zeitgemäßen Programmpolitik über die Verschwendung von Beitragsgeldern bis hin zu Vetternwirtschaft. Nicht zuletzt die Affäre um Patricia Schlesinger, die bis August vergangenen Jahres nicht nur Intendantin des RBB, sondern auch Vorsitzende der ARD war, führte zu einer öffentlichen Debatte über die Zukunft der Organisation und Finanzierung des deutschen ÖRR.
Die Abkürzung ARD steht für Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland – und auf den Aspekt der Arbeitsgemeinschaft wollen sich die Intendantinnen und Intendanten der neun regionalen Anstalten nun besinnen. «Wir rücken enger zusammen und stärken das A in ARD», sagte Kai Gniffke. Der Intendant des Südwestrundfunks (SWR) ist seit Anfang des Jahres Vorsitzender der ARD. «Wir formen die ARD der Zukunft – für alle Menschen in Deutschland, die von uns zu Recht exzellente und effiziente Arbeit erwarten», so Gniffke weiter.
Effizienter soll die ARD durch die Gründung sogenannter Kompetenzcenter werden, die zentral Beiträge produzieren, die dann von den Landesrundfunkanstalten übernommen werden könnten. Zunächst beschlossen die Intendantinnen und Intendanten die Gründung von drei derartigen Kompentenzzentren: jeweils eines zu den Themenbereichen Klima, Verbraucher und Gesundheit. In der Konsequenz sollen zwar die regionalen Redaktionen beispielsweise der verschiedenen Gesundheitsmagazine der dritten Programme erhalten bleiben, aber diese könnten künftig einzelne Beiträge vom «Kompetenzcenter Gesundheit» übernehmen. Dadurch soll vermieden werden, dass mehrere Landesrundfunkanstalten jeweils eigenständig sehr ähnliche Beiträge produzieren.
Zentralisiert werden soll auch die Produktion von Hörspielen für die Radioformate der ARD – statt von einem «Kompetenzcenter» spricht man hier aber von einer «vernetzten Gemeinschaftsredaktion». Diese soll genau wie die Kompetenzzentren im kommenden Jahr mit der Arbeit beginnen.
Unklar ist bislang, welche Landesrundfunkanstalt jeweils die Federführung übernimmt. Man darf aber davon ausgehen, dass hier das altbewährte Proporzprinzip zur Anwendung kommt, damit zumindest alle großen regionalen Anstalten ein Stück vom Kuchen abbekommen. Da aber in den nächsten Jahren noch weitere Kompetenzzentren gegründet werden sollen, geht am Ende wohl keine Anstalt leer aus.
Es ist ein ganz wesentliches Problem der ARD, dass die in ihr zusammengeschlossenen regionalen Rundfunkanstalten stets in erster Linie darauf bedacht sind, sich selbst zu erhalten. Außenstehenden ist es hingegen kaum zu erklären, warum die beiden nach der Bevölkerungszahl kleinsten Bundesländer Bremen und das Saarland jeweils eigene Rundfunkanstalten unterhalten, während etwa der Mitteldeutsche Rundfunk (MDR) drei und der Norddeutsche Rundfunk (NDR) vier Bundesländer abdeckt. Radio Bremen und der Saarländische Rundfunk haben folgerichtig die mit weitem Abstand kleinsten Sendegebiete mit jeweils unter einer Million Einwohnern.
Kann man die Eigenständigkeit des Saarländischen Rundfunks noch historisch mit dem verspäteten Beitritt zur Bundesrepublik erklären, entbehrt die Eigenständigkeit von Radio Bremen, das de facto eine Enklave im Sendegebiet des NDR darstellt, jeder Logik. Meinte man es ernst mit der Effizienzsteigerung bei der ARD, dann müsste man hier ansetzen und durch Zusammenschlüsse aus neun Rundfunkanstalten sieben oder eher noch weniger machen.
Die ARD unterhält elf Fernseh- und 55 Radiosender, hinzu kommen diverse Sender, etwa Kika oder Phoenix, die in Kooperation mit anderen öffentlich-rechtlichen Anstalten wie dem ZDF betrieben werden. Allerdings nimmt die Reichweite des sogenannten linearen Fernsehens immer mehr ab. Einer Marktanalyse des Instituts für Demoskopie Allensbach aus dem vergangenen Jahr zur Folge schauen zwar 56 Prozent der Menschen hierzulande täglich lineares Fernsehen, aber im Jahr 2000 waren es noch 65 Prozent.
Unterteilt nach Altersgruppen wird eklatant, was den Sendern Sorge bereiten muss: 87 Prozent der über 70-Jährigen nutzen täglich lineares Fernsehen, bei den 50- bis 69-Jährigen sind es 64 Prozent, bei 30- bis 49-Jährigen 40 Prozent und bei den 14- bis 29-Jährigen nur noch 27 Prozent. Passt die ARD nicht auf, dann stirbt ihr Publikum schlicht weg. Das ist freilich auch für die anderen Anbieter auf dem Markt lineares Fernsehen ein Problem – ebenso für Zeitungen, deren Reichweitenrückgang in den vergangenen 20 Jahren noch dramatischer war, weil insbesondere jüngere Menschen sich vornehmlich über das Internet informieren.
«Die sogenannte digitale Erneuerung», heißt es in der eingangs erwähnten Pressemitteilung der ARD, «erfordert umfangreiche Entwicklungsarbeit bei der digitalen Infrastruktur» – eine Feststellung, die man bei den Öffentlich-Rechtlichen bereits vor Jahren hätte treffen können (und möglicherweise sogar müssen). «Ziel ist, auch im Sinne der Generationengerechtigkeit, vor allem jüngere Menschen, die lineare Verbreitungswege wenig oder gar nicht nutzen, mit den vielfältigen Inhalten der ARD zu erreichen.»
Nun kommt man aber reichlich spät, um mit der Digitalisierung des eigenen Angebots hinterherzukommen und, wie Gniffke vor einigen Monaten sagte, «die Macht der Social Networks und der großen Plattformbetreiber zu brechen». Dass die ARD bei den jungen Leuten Netflix, Amazon oder Spotify den Rang abläuft, ist aus derzeitiger Sicht mehr als zweifelhaft. Nicht zuletzt, weil die ARD wohl einen Großteil ihres Investitionskapitals für die Digitalisierung ihres Programms an anderer Stelle einsparen muss, statt es über Beitragserhöhungen oder Subventionen zu beziehen. Von den Intendantinnen und Intendanten verlautbarte daher, dass der Ausbau des digitalen Angebots «auf mehrere Jahre angelegt» sei. Langsam kommt man auch ans Ziel – oder vielleicht auch nicht?
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