Werbung

Böhmermann und Maischberger: TV-Clown mit fatalem NS-Vergleich

Christoph Ruf über AfD-Politiker in Talkshows

  • Christoph Ruf
  • Lesedauer: 4 Min.

Es ist nicht zu fassen: Sandra Maischberger hat tatsächlich den AfD-Mann Tino Chrupalla in ihre Sendung eingeladen, ohne Jan Böhmermann vorher um Erlaubnis zu fragen. Nur zu verständlich, dass sich der Haus- und Hofschreihals der Twitter-Gemeinde da rächen muss: »Sandra Maischberger lädt Nazis in ihre Talkshow ein, damit Nazis nach der Machtergreifung Sandra Maischberger auch in ihre Talkshow einladen.« Hat Böhmermann so geschrieben.

Weil die vierte Flasche Rotwein eine zu viel war? Oder weil das bewährte Prinzip, mit minimaler Substanz maximalen Krawall zu schlagen, sich endgültig verselbständigt hat? Jedenfalls unterstellte er der Journalistin, sie wolle sich in einem ja offenbar kurz bevorstehenden vierten Reich schon jetzt einen Platz sichern. Wäre ich an Maischbergers Stelle, wäre für mich hier der Punkt erreicht, an dem ich gerichtlich klären lassen würde, ob solche Unterstellungen noch durch die Meinungsfreiheit gedeckt sind.

Überhaupt wird derzeit so inflationär mit NS-Analogien herumhantiert, dass man sich fragen muss, ob das nicht eine ziemlich pietätslose Relativierung all dessen ist, was die echten Nazis Millionen von Menschen angetan haben. Politisch ist das Herumgiften eh fatal, es hallt fröhlich in der eigenen Echokammer herum – das mit dem »Hass« sind immer die anderen –, stößt aber die gar nicht so kleine Zahl derer vor den Kopf, die sich unter einer demokratischen Debatte etwas anderes vorstellen, als dass ein paar Medien-Stars alle die für dumm erklären, die nicht in eine Weltsicht passen. Die scheint auch die CSU-Politikerin Dorothee Bär zu teilen, die die Partei einfach verbieten will. Keine AfD mehr auf dem Stimmzettel – keine AfD-Wähler mehr. Deutschland voll demokratisch, so einfach ist das.

Nun ist es natürlich sinnlos, mit einem wie Böhmermann bei dessen Maischberger-Bashing auf die inhaltliche Ebene zu gehen. Man spricht ja auch nicht mit einem Pitbull über dessen schwere Kindheit. Hätte das nur den geringsten Sinn, man könnte ihn beispielsweise darauf hinweisen, dass viele kluge Menschen, die sich aus ehrlicher Sorge um den Aufstieg des Rechtspopulismus mit dem Phänomen befassen, sehr differenziert diskutieren, wie ein medialer Umgang mit Rechtsaußen aussehen könnte, der dem eben nicht nützt. Die Friedrich-Ebert-Stiftung führt zum Thema mehrfach im Jahr Seminare durch. Zielgruppe sind Journalistinnen und Journalisten, aber vielleicht dürfte Böhmermann trotzdem mal reinhören. Es kann nämlich durchaus sinnvoll sein, Rechte in Talkshows einzuladen, vorausgesetzt, der Journalist setzt die Agenda und nicht die AfD. Auf den Ton kommt es an (hart, aber nicht hysterisch), vor allem aber auf die Vorbereitung (man sollte faktensicherer sein als der AfD-Repräsentant, was oft erfreulich leicht ist) und auf das Thema: Googeln Sie mal »Gauland« und »Klimaschutz«, Sie werden so lachen, wie Sie es bei öffentlich-rechtlicher Satire gerne tun würden, wenn die noch lustig wäre.

Christoph Ruf

Christoph Ruf ist freier Autor und beobachtet hier politische und sportliche Begebenheiten.

Christine Prayon gebührt der Verdienst, das vergangene Woche thematisiert zu haben. Ihren Ausstieg aus der »heute show« hat sie damit begründet, dort würden »Narrative und Positionen von Gruppen, die gesellschaftlich in der Hierarchie weit oben stehen, unablässig wiederholt und gleichzeitig Stimmung gegen Andersdenkende gemacht«. Satire dürfe sich »nicht daran beteiligen, den Diskurs zu verengen.« Leider, fürchte ich, ist die Wahrheit noch deprimierender: Bei der »heute show« weiß man schon vor Beginn der Sendung, wer auf die Fresse kriegt. Das ist aus zwei Gründen ein Problem. Erstens, weil für Satire das Gleiche gilt wie für guten Journalismus: Es ist verboten zu langweilen. Und zweitens, weil die heutigen TV-Clowns nie verstanden haben, was die Größe von Könnern wie Kurt Tucholsky oder Wiglaf Droste ausgemacht hat: Liebe zur Sprache. Und die Weigerung, nach unten zu treten.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken von Socken mit Haltung und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -