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- U21-Handball-WM 2023
DHB-Vorstand Kromer: Viel Potenzial im U21-Weltmeisterteam
Nach dem Gewinn der Heim-WM will der Verband seinen größten Talenten schnell das Tor zum Nationalteam öffnen
Axel Kromer war in seiner aktiven Zeit Bundesligahandballer in
Pfullingen. Nach dem Karriereende im Jahr 2009 schlug er zunächst eine Trainerlaufbahn ein, die ihn schließlich zum Deutschen Handballbund (DHB) führte. Als Co-Trainer war er 2016 beim EM-Titelgewinn der Nationalmannschaft dabei. Ein Jahr später wurde er Sportdirektor des Verbands und bekleidet heute das Amt des Vorstands Sport im DHB.
Ohne Niederlage bis zum WM-Titel. Von so etwas träumt man vielleicht vor einem Turnier. Aber haben Sie auch damit gerechnet?
Auch wenn die Option da war, dass die Jungs das können, ist es trotzdem keine Selbstverständlichkeit, dass es auch eintritt. Deswegen bin ich total glücklich, dass es passiert ist. Aber dass die Mannschaft jedes Team schlagen kann, das war uns bewusst, weil sie in den letzten Monaten hervorragende Ergebnisse erzielt hatte.
Auch ein paar knappe Siege waren dabei: gegen Frankreich und Kroatien etwa. War manchmal auch Glück im Spiel, oder hätten selbst diese Siege eher höher ausfallen müssen?
Sie waren zwar knapp, aber wir waren nie kurz davor, diese Spiele zu verlieren. Die Mannschaft lag meistens in Führung und hat dann auch mal die Gelegenheit genutzt durchzuwechseln. Generell haben wir aber niemals den Anspruch, gegen so starke Nationen wie Frankreich und Kroatien deutliche Ergebnisse zu erzielen. Es ist natürlich schön, wenn das mal klappt. Aber auch ein knapper Sieg bei einer guten Leistung ist aller Ehren wert.
Sind jene Länder, die man bei den A-Nationalteams üblicherweise vorn sieht, auch bei den Junioren immer an der Spitze? Oder gibt es Länder, in denen sich die Nachwuchsspieler schneller oder langsamer entwickeln?
Es zeichnen sich meist die Nationen im Nachwuchsbereich schon ab, die später auch im Seniorenbereich hervorragende Ergebnisse erzielen, gerade bei neu emporkommenden Ländern. Vor einigen Jahren waren das Portugal oder auch Ägypten, die im Nachwuchsbereich plötzlich ganz oben standen. Noch mal ein paar Jahre später kamen sie auch im Seniorenbereich in die Weltspitze. Das gibt es immer wieder. Ansonsten stehen speziell bei den Männern schon jene Nationen ganz oben, die auch im Nachwuchs vorn mitspielen. Allerdings geht es immer sehr eng zu. Dieses Mal sind zum Beispiel die Norweger bereits in der Vorrunde gescheitert. Schweden und Spanien erwischte es noch vor dem Viertelfinale in der Hauptrunde. Das passiert auch mal.
Aber es gibt schon den üblichen Ablauf, der vielleicht auch die deutschen Handballfans frohlocken lässt: Wer eine U21-WM gewinnt, holt ein paar Jahre später bei den Männern Medaillen und vielleicht sogar Titel?
Wir sind im Nachwuchsbereich keine Eintagsfliege, sondern schon traditionell wirklich stark. Das liegt auch daran, dass wir eine große Breite haben. Selbst bei Abwesenheit von ein, zwei Topspielern eines Jahrgangs führt das nicht gleich dazu, dass die Qualität gnadenlos sinkt. Nationen wie die Färöer haben logischerweise nicht diese Breite, also generell weniger Potenzial, Ausfälle zu kompensieren. Generell ist aber selbst ein guter Doppeljahrgang wie jetzt noch lange kein Zeichen dafür, dass man bei den Männern danach auch auftrumpfen wird. Dort spielen sie schließlich zwischen 20 und 38 Jahren. Aber natürlich ist die Grundlage für eine Spitzenmannschaft die gute Nachwuchsarbeit.
Bei Torwarttalent David Späth, der zuletzt schon das Finale des DHB-Pokals mitentschied, hat niemand Zweifel daran, dass er den Durchbruch schafft. Aber wie viele andere aus dem Weltmeisterteam, das 2021 auch den EM-Titel gewann, werden es ganz nach oben schaffen und vielleicht mal bei einer WM und Olympia für Deutschland spielen?
Eine normale Verteilung ist, dass wir pro Jahrgang zwischen zwei und vier Spieler integrieren können. In dieser Mannschaft steckt so viel Potenzial, dass schon in kürzerer Zeit als sonst die ersten zwei, drei Spieler regelmäßig ihre Erfahrungen in der Nationalmannschaft sammeln können. Justus Fischer und Renars Uscins haben in Testspielen sogar schon Einsätze im A-Nationalteam bekommen.
Wie lange braucht ein Talent üblicherweise für den nun anstehenden Übergang?
Einerseits sind wir total stolz darauf, dass wir eine richtig gute Bundesliga haben, der zu Recht das Label gegeben wird, die beste Liga der Welt zu sein. Wir haben aber immer so ein bisschen das Problem, dass dort natürlich auch die Konkurrenz sehr hoch ist. Zwar vertrauen die Bundesligateams mittlerweile immer mehr jungen deutschen Spielern und geben ihnen Einsatzzeiten. Aber natürlich ist es auch so, dass in den wichtigen Spielen, den alles entscheidenden Situationen in einem Match, auch die internationale Qualität eingesetzt wird. Wir haben zehn ausländische Spieler im Durchschnitt pro Mannschaft. In den Spitzenklubs ist die Quote noch höher. Da gibt es dann nicht so viel Platz für deutsche Spieler. Und es ist auch nachvollziehbar, wenn man als Verein schon junge Talente in den Kader aufnimmt, dass die dann zumindest die Spiele noch nicht entscheiden müssen. Deswegen müssen wir gucken, dass die Spieler weiterhin ihre Erfahrungen sammeln, um in ganz wichtigen Situationen auf der Platte zu stehen. Dann sind sie auch interessant für die Nationalmannschaft. Das kommt in der Regel so im Alter von 23 Jahren. Wir sind aber auch offen für 20- und 21-Jährige. Juri Knorr und Julian Köster (beide mittlerweile 23, Anm. d. Red.) waren zuletzt dafür die besten Beispiele. Da kann jetzt gern was nachkommen.
Im aktuellen U21-Kader stand niemand aus Magdeburg, Kiel oder Flensburg. Ist das eher gut, weil die Jungen in Minden, Erlangen oder Potsdam mehr Einsatzzeiten bekommen? Oder wäre es besser, immer mal Champions-League-Luft zu schnappen – wenn auch nur sporadisch?
Wir müssen nicht erwarten, dass der SC Magdeburg mit Renars Uscins aufläuft. Die haben jetzt die Champions League gewonnen. Wenn ein Klub die Möglichkeit hat, die Besten der Welt in seinen Kader zu holen, ist das mit Sicherheit noch besser, als das, was in der deutschen U21 rumläuft. Demzufolge ist es nicht überraschend, dass diese Spieler eher in Vereinen eine Rolle spielen, die nicht ganz oben in der Tabelle stehen. Immerhin hat Hannover-Burgdorf den Europapokal erreicht. Und da spielen Fischer und Uscins schon eine wichtige Rolle. Das Ziel der jungen Spieler muss es jetzt sein, dass sich Kiel, Flensburg und Magdeburg aufgrund ihrer Leistungen und einer weiteren Entwicklungsstufe irgendwann für sie entscheiden.
Diese U21-WM sollte auch der Auftakt des Jahrzehnts des Handballs sein. Geht es dabei um die Rückkehr an die Weltspitze, oder fokussiert der DHB auf neue Ansätze in der Nachwuchsförderung?
Es stehen wirklich viele internationale Wettbewerbe vor uns in Deutschland: Im Januar 2024 haben wir die EM der Männer, im Dezember 2025 die WM der Frauen. Dann 2027 noch die WM der Männer. Unser Ziel ist es, den Handballsport so zu präsentieren, dass wir nicht nur in der Spitze gute Ergebnisse erzielen, sondern dass wir auch den gesellschaftlichen Wert des Sports sowie die Werte präsentieren, die in den Vereinen vermittelt werden. Dazu muss man Präsenz zeigen, sodass Eltern ihre Kinder auch mal zum Handballtraining im kleinen Verein nebenan schicken.
Martin Heuberger war als Bundestrainer zwischen 2011 und 2014 nur wenig erfolgreich. Vorher und nachher holte er im Juniorenbereich aber viele Medaillen und Titel. Ist ein Trainer manchmal einfach auf eine ganz bestimmte Altersklasse geeicht?
Martin hat ganz tolle Qualitäten, die er im Nachwuchsbereich bewiesen hat. Nichtsdestotrotz könnte er auch eine A-Nationalmannschaft trainieren. Ich will aber auch mal den Ruhm ein wenig von Martin wegnehmen, denn die Entwicklung der Spieler läuft nicht nur im Nationalteam ab, sondern in erster Linie in den Vereinen. Er ist derjenige, der sie dann zu Ende führen darf. Martin greift auf einen Reservoir zurück, das in der deutschen Förderstruktur entwickelt worden ist. Als er A-Mannschaftstrainer war, hatte er vielleicht nicht die Qualität an Spielern zur Verfügung, um große Erfolge einzufahren. Bei einer WM stand er aber mal kurz davor, ins Halbfinale einzuziehen. Er wird jetzt zu Recht dafür gelobt, dass er dieses Team zum Titel geführt hat. Aber das funktioniert nun mal nur, wenn die Spieler in der Qualität ausgebildet worden sind, mit denen er das dann auch machen kann. Umgekehrt bedeutet das auch: Wenn er als Bundestrainer mal ein Ziel nicht erreicht, hat er nicht gleich alles verkorkst. Wenn das Reservoir nicht gut genug für einen Titel war, ist auch mal alles gut, wenn man Fünfter wird.
Ein enormer Fanzuspruch begleitete das Turnier: Fast 9000 kamen zum Finale. War das große Interesse schon zu Beginn des Turniers in Hannover und Magdeburg zu spüren oder erst, als klar wurde: Die Mannschaft spielt erfolgreich?
Das ist natürlich immer eine logische Folge. Vor allem wenn das Turnier medial so gut begleitet wird wie dieses. Wir haben da wirklich große Aufmerksamkeit generiert. Dann hat Berlin natürlich das Potenzial, mal schnell Zehntausende zusammenzubekommen. In Hannover, als das Turnier losging, hatten wir natürlich nicht so starke Gegner. Gegen Tunesien oder Algerien kommt niemand, der auf ein unfassbar spannendes Spiel hofft. Aber auch die Halle war mit etwa 3500 Zuschauern so gut wie voll. Selbst bei Spielen ohne deutsche Beteiligung haben wir mit vielen Schulen und Vereinen kooperiert. Es hat mich gefreut, dass Kinder so auch vormittags für Stimmung gesorgt haben und wir ihnen tollen Handball präsentieren konnten.
Ist es im Handball üblich, dass Tausende zu einem Nachwuchsturnier kommen?
Nein, das war phänomenal. Ebenso, dass mehr als eine Million Zuschauer das Finale auf Eurosport anschauen. Normalerweise werden solche Meisterschaften gar nicht übertragen. Und in den meisten anderen Gastgeberländern sind die Hallen dann leer, obwohl der Eintritt frei ist. Insofern war das schon außergewöhnlich.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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