Keine Einigung zur Suizidbeihilfe

Fehlende Mehrheiten im Bundestag verhindern Neuregelung

  • Christa Schaffmann
  • Lesedauer: 4 Min.
Hilfe zum Suizid ist in Deutschland seit drei Jahren unter bestimmten Bedingungen möglich.
Hilfe zum Suizid ist in Deutschland seit drei Jahren unter bestimmten Bedingungen möglich.

Die Debatte im Bundestag über zwei vorliegende Gesetzentwürfe zur Suizidbeihilfe führte am Donnerstag zu keiner Entscheidung. Damit bleibt es bei der Situation, wie sie seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vor dreieinhalb Jahren besteht: Ein assistierter Suizid ist jedem Menschen über 18 Jahren erlaubt, vorausgesetzt, er handelt autonom und ohne fremden Druck. Das freiverantwortliche Handeln wird zuvor juristisch und medizinisch geprüft.

Nachdem das Parlament sich mit dem Thema inzwischen mehrfach befasst hat, Sachverständigen-Anhörungen stattfanden, die Gesetzentwürfe überarbeitet wurden, aus ursprünglich drei (in der Hoffnung auf bessere Chancen für eine Entscheidung durch Vermeidung einer Zersplitterung der Stimmen) schließlich zwei Entwürfe wurden, ist nicht anzunehmen, dass ein weiterer Versuch noch in der laufenden Legislaturperiode unternommen wird. Es bleibt also wie beschrieben. Ob in der Zwischenzeit der Wunsch vieler Schwerkranker erfüllt wird, sich unabhängig davon ein zum Tod führendes Medikament verschreiben lassen zu können, welches sie zu einem selbst gewählten Zeitpunkt einnehmen (zum Beispiel Natrium-Penthobarbital), ist ungewiss.

Keiner der beiden Gesetzentwürfe und auch die vorgetragenen Argumente konnten eine Mehrheit überzeugen. Der Entwurf der Gruppe um Lars Castellucci (SPD) erhielt 690 Stimmen, davon 304 für und 363 gegen den Entwurf. Die Abgeordnetengruppe um Katrin Helling-Plahr (FDP) und Renate Künast (Grüne) brachte es auf 682 Stimmen, davon 287 Ja-Stimmen und 375 Nein-Stimmen; hinzu kamen 20 Enthaltungen. Die Unterschiede zwischen beiden Entwürfen waren klar: Castellucci und andere hielten in ihrem Entwurf daran fest, dass ein assistierter Suizid durch Sterbehilfe strafbar ist und nur in Ausnahmen erlaubt. Verpackt wurde diese konservative Position in den Slogan: Sterbehilfe ermöglichen, aber nicht fördern! Es gelte, Bürger vor Kurzschlusshandlungen zu schützen, Affektsuizide zu vermeiden und den assistierten Suizid nicht zur Normalität werden zu lassen.

Wer sich ernsthaft mit den seit dem Karlsruher Urteil dokumentierten Fällen vertraut gemacht hat, kann nicht auf die Idee kommen, es gehe hier um Kurzschlusshandlungen oder Affektsuizide. Die Statistiken aus Ländern, in denen Sterbehilfe seit Jahren straffrei ist, zeigen zudem, dass die liberale Handhabung mitnichten zu einer »Normalisierung« führt, wobei der Begriff »normal« von den Abgeordneten, die für den Entwurf plädierten, nie präzisiert wurde. Der US-Bundesstaat Oregon erlaubt seit 1998 Sterbehilfe; die Zahl der Fälle wird dokumentiert und veröffentlicht. Sie betrug 2021 0,59 Prozent der Gesamtzahl der Todesfälle. Hinzu kommt, dass in Oregon nur 66 Prozent derjenigen, die das gewünschte Medikament bekamen, es tatsächlich für den selbstbestimmten Tod einsetzten. Den anderen genügte die Sicherheit, über ihr Lebensende irgendwann selbst bestimmen zu können.

Renate Künast und Katrin Helling-Plahr warben für ihren gemeinsamen Entwurf unter anderem mit dem Argument, dass Sterbehilfe nicht nur seit Jahren stattfindet, sondern auch Teil der Ausübung von Selbstbestimmung ist. Den Strafrechtsweg einzuschlagen, wie das Team um Castellucci, sei deshalb der falsche Weg. Künast wies auch darauf hin, dass die Einbindung ins Strafrecht Ärzten, Beratern und anderen involvierten Personen Angst machen oder mindestens irritieren könne, was unter Umständen bei vielen zu einer Verweigerung von Sterbehilfe führt.

Zusätzlich zu den Gesetzentwürfen hatten beide Verfasser-Gruppen einen Antrag mit dem Titel »Suizidprävention stärken!« eingebracht, der mit 688 Ja-Stimmen eine klare Mehrheit bekam. Demnach sollen bestehende Angebote ausgebaut werden.

Dass neben dem Gesetz, welches es nun also vorerst nicht geben wird, weitere zu klärende Punkte bestehen, belegen Stimmen wie die von Torsten Verrel. Der Rechtswissenschaftler verweist auf Fälle, in denen Beihilfe zum Suizid von einem Landgericht als Tötung auf Verlangen angesehen wurde und es deshalb eine einjährige Freiheitsstrafe über die Ehefrau eines schwer kranken Mannes verhängte. Der Bundesgerichtshof urteilte später auf straflose Beihilfe zum Suizid und sprach die Frau frei. Der BGH ließ durchblicken, dass er eine verfassungskonforme Einschränkung des Paragrafen 216 bei Unfähigkeit zum Suizid für gegeben halte. Verrel spricht von einer zu erwartenden und nötigen Bearbeitung des Paragrafen.

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