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Schulreinigung: Berliner Bildungsverwaltung spielt auf Zeit
Die Rekommunalisierung der Berliner Schulreinigung rückt unter Schwarz-Rot in immer weitere Ferne
Susanne Kühne ärgert sich. »Man rennt und macht und tut – und nichts bewegt sich«, sagt die Pankower Mutter eines Fünftklässlers, die sich in dem Verein Schule in Not engagiert. Die Initiative kämpft seit Anfang 2019 dafür, dass die vor Jahrzehnten an private Putzfirmen ausgelagerte Reinigung der Berliner Schulen wieder von den Bezirken oder einem Landesbetrieb übernommen wird.
Die Rechnung ist einfach: Mit im öffentlichen Dienst zu fairen Lohn- und Arbeitsbedingungen angestellten Reinigungskräften gehörten nicht nur die oft prekären Beschäftigungsverhältnisse der Putzfrauen und -männer der Vergangenheit an. Auch mit den immer wieder beklagten hygienischen Missständen in den Schulen wäre dann Schluss.
Kühne und ihre Mitstreiter*innen haben für ihr Anliegen über 25.000 Unterschriften gesammelt, sie haben die Gewerkschaften, Die Linke und acht Bezirksverordnetenversammlungen an Bord, schließlich hatte sich der rot-grün-rote Vorgängersenat darauf verständigt, 2023 »schrittweise« mit der Rekommunalisierung der Schulreinigung zu beginnen. Den Anfang sollten Schulen in den »Pilotbezirken« Neukölln, Pankow und Tempelhof-Schöneberg machen.
Doch schon die vormalige, von der SPD geführte Senatsbildungsverwaltung legte in Sachen Rekommunalisierung keinerlei Elan an den Tag. Zu teuer, zu kompliziert, und überhaupt: Warum? So lauteten die Argumente. Unter CDU-Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch sieht es laut Kühne nicht besser aus: »Der neue schwarz-rote Senat versucht, sich zu winden. Ich sehe hier keine Motivation, die Rekommunalisierung irgendwie anzugehen, nicht mal in Pankow, Neukölln und Tempelhof-Schöneberg«, so Kühne, die auch für Die Linke in der BVV Pankow sitzt.
Wie aus einer noch unveröffentlichten Antwort der Bildungsverwaltung auf eine schriftliche Anfrage der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus hervorgeht, dürfte Kühne mit ihrer Einschätzung richtig liegen. Bevor man über das »Pilotvorhaben Rekommunalisierung« rede, sei »zunächst das Ergebnis der AG Schulreinigung abzuwarten, welches im zweiten Halbjahr 2023 erwartet wird«, schreibt die Bildungsverwaltung. Dem Vernehmen nach ist mit besagtem Ergebnis nicht vor Oktober zu rechnen. Kurzum: Man spielt munter auf Zeit.
Tatsächlich beschäftigt sich die erstmals 2021 einberufene und zuvorderst aus Vertreter*innen des Senats und der Bezirke zusammengesetzte AG Schulreinigung vor allem mit der Erarbeitung von »Qualitätsstandards« und einem »Controllingsystem« zur »Verbesserung der Sauberkeit« an den Schulen. Das Thema Rekommunalisierung interessierte bei den Treffen bislang ebenso wenig wie die nicht selten außerordentlich prekären Arbeitsbedingungen der Reinigungskräfte.
Und Gleiches gilt eben für die Bildungsverwaltung selbst. Im Haus von Senatorin Günther-Wünsch konzentriert man sich stattdessen darauf, eine Online-Umfrage an allen öffentlichen Berliner Schulen »zur aktuellen Zufriedenheit mit der Reinigungsqualität« im schulischen Alltag vorzubereiten. Befragt werden sollen Schüler*innen, Lehrkräfte, Elternvertretungen.
Die Reinigungskräfte bleiben bei der Umfrage dagegen explizit außen vor. Das sei nicht »zielführend«, heißt es in der Antwort der Bildungsverwaltung auf die Linke-Anfrage. Und: »Eine Befragung zum Aspekt ›Gute Arbeit‹ wäre im Rahmen der Online-Befragung aufgrund der damit verbundenen Komplexität zu aufwendig.«
Für Damiano Valgolio, den arbeitspolitischen Sprecher der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus, lässt die Begründung nur einen Schluss zu: »Der neue Senat scheint sich nicht für die Arbeitsbedingungen der Menschen zu interessieren, die die Berliner Schulen reinigen.« Dabei könnten im Zuge der geplanten Umfrage die Reinigungskräfte selbst am besten Auskunft über ihre Arbeitsbedingungen geben. »Das aber halten CDU und SPD laut der Antwort der Senatsbildungsverwaltung auf unsere Anfrage für zu aufwendig. Das Versprechen auf ›Gute Arbeit‹ wird so mit Füßen getreten«, sagt Valgolio.
Typisches Oppositionsgeklimper, heißt es hierzu aus der CDU. »Ich bin immer wieder überrascht, wie viel da jetzt kommt und gefordert wird an Dingen, die unsere Vorgänger in den letzten sechs Jahren nicht geschafft haben«, sagt Martin Pätzold, der arbeitsmarktpolitische Sprecher der CDU-Fraktion. Das Thema »Gute Arbeit« sei auch bei der Schulreinigung fest im Koalitionsvertrag verankert.
Ob man die Arbeitsbedingungen über eine Veränderung der Ausschreibungen und ein verstärktes Controlling der privaten Dienstleister oder eine Rekommunalisierung verbessern könne, sei ja keineswegs geklärt. »Ich würde da ergebnisoffen rangehen«, sagt Pätzold. Klar ist für ihn aber: »Eine Rekommunalisierung ist nicht in jedem Fall sinnvoll. An der Stelle muss man sich das genau anschauen, wie man das eigentlich organisieren will. Ich zumindest habe da noch kein fertiges Konzept gesehen.«
Anders als Pätzold ist Sven Meyer vom Koalitionspartner SPD davon überzeugt, dass die Rekommunalisierung der richtige Weg ist, um die Schulen sauberer zu halten und die Arbeitsbedingungen für die Reinigungskräfte zu verbessern. »Ja, es gibt private Anbieter, die gute Arbeit leisten mit fairen Beschäftigungsverhältnissen, aber es gibt auch genügend schwarze Schafe, die das nicht tun«, sagt der Arbeitsexperte der SPD-Fraktion.
Meyer kommt aus der Gewerkschaftsbewegung. Er sagt: »Wenn wir bei denen sparen wollen, die ohnehin schon am wenigsten verdienen und häufig unter prekären Bedingungen mit extremem Leistungsdruck arbeiten müssen, dann kotzt mich das an.« Mit Blick auf die Rekommunalisierung der Schulreinigung setzt der SPD-Politiker klar auf die Landeslösung. »Wir haben beispielsweise mit dem Landesbetrieb für Gebäudebewirtschaftung ein Juwel und eine unglaubliche Chance, die wir nutzen sollten.«
Dass die CDU das anders sieht und auch die Bildungsverwaltung kein gesteigertes Interesse an dem Thema zeigt, ist ihm bewusst. Aber, sagt Sven Meyer: »Ich bin immer optimistisch, sonst bräuchte ich morgens ja nicht aufzustehen.« Auch die CDU werde sich früher oder später überzeugen lassen. »Herr Pätzold ist ja für gute Argumente zugänglich, so kenne ich ihn.«
Bei Schule in Not ist man skeptisch. »Was mir komplett fehlt, ist das Bekenntnis, dass man überhaupt ernsthaft versucht, die Schulreinigung zu rekommunalisieren und damit die Arbeitsbedingungen zu verbessern«, sagt Kühne. Umso weniger denkt die Initiative ans Aufgeben. »Wir werden den Druck nach den Sommerferien massiv erhöhen. Das lassen wir jetzt nicht einfach so dahinplätschern«, so Kühne.
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