EU-Renaturierungsgesetz: Kommt der »Green Deal« in Europa?

EU-Umweltausschuss lehnt Gesetz zur Wiederherstellung der Natur ab – das Parlament hat das letzte Wort

  • Fabian Lambeck, Brüssel
  • Lesedauer: 4 Min.
Die Ruhr bei Wickede wurde 2013 renaturiert. Das EU-Parlament entscheidet nun über ein Gesetz zur EU-weiten Renaturierung.
Die Ruhr bei Wickede wurde 2013 renaturiert. Das EU-Parlament entscheidet nun über ein Gesetz zur EU-weiten Renaturierung.

Nun gibt es endlich Gewissheit. Am 12. Juli findet in Straßburg die Abstimmung des EU-Parlaments über das EU-Renaturierungsgesetz statt. Dieses Gesetz sieht vor, bis 2030 mindestens ein Fünftel der geschädigten Land- und Wasserflächen in der EU zu renaturieren bzw. zu sanieren – etwa trockene Moore wieder zu vernässen oder Wälder aufzuforsten, was aber nicht heißt, dass diese Flächen dann tabu sind für die Landwirtschaft.

Eine erste Abstimmung über das Gesetz im Umweltausschuss des EU-Parlaments fiel denkbar knapp aus: 44 Ausschussmitglieder stimmten für das Gesetz zur Wiederherstellung der Natur, ebenso viele dagegen. Damit war das Vorhaben zunächst gescheitert. Während die eine Seite der Abgeordneten das Gesetz kategorisch ablehnte, hielt es die andere Seite für unbedingt notwendig. Zu ihnen gehört auch die Grünen-EU-Abgeordnete Henrike Hahn. Sie erklärte nach der ersten Abstimmung im Ausschuss: »Die letztliche Entscheidung zum Renaturierungsgesetz wird im Europäischen Parlament getroffen und nicht im Umweltausschuss. Noch ist alles offen.« Im Ausschuss stimmte eine Koalition aus Konservativen, den Rechtsaußen-Fraktionen Europäische Konservative und Reformer sowie Identität und Demokratie und einigen Liberalen gegen den Entwurf, der »die Wiederherstellung von Ökosystemen für die Menschen, das Klima und den Planeten« zum Ziel hat.

In einem Punkt hat Hahn recht: Die Ablehnung im Ausschuss heißt nicht, dass das Parlament dieser Empfehlung folgen muss. Doch auch dort dürfte eine Entscheidung äußerst knapp ausfallen. Dabei ist das Gesetz »ein Schlüsselelement der EU-Strategie zur Erhaltung der biologischen Vielfalt«, wie die Kommission schreibt. Es legt verbindliche Ziele für die Wiederherstellung geschädigter Ökosysteme fest. Insbesondere derjenigen Systeme, die das größte Potenzial haben, Kohlenstoff zu speichern und somit die Folgen von Naturkatastrophen zu verringern.

Europas Natur befindet sich in einem kritischen Zustand: Mehr als 80 Prozent der Lebensräume gelten als schwer geschädigt. Die Wiederherstellung von Feuchtgebieten, Wäldern und auch Meeresökosystemen soll dies ändern. Das Vorhaben ist neben dem geplanten Pestizidgesetz zentraler Bestandteil des »Green Deals« der Kommission von Präsidentin Ursula von der Leyen. Zwar ist sie als CDU-Mitglied auch Teil der EVP-Parteienfamilie, doch hindert dies EVP-Chef Manfred Weber nicht daran, gegen das Gesetz Sturm zu laufen. Seine EVP-Fraktion hatte sich vor zwei Monaten überraschend aus den Verhandlungen zum Gesetz zurückgezogen und will seitdem nicht einmal über mögliche Nachbesserungen reden. Bereits am 15. Juni war die EVP in einer fünfstündigen Abstimmung im Umweltausschuss mit dem Versuch gescheitert, das Gesetz zu verhindern. Wie wichtig Weber die Sache ist, zeigt die Tatsache, dass er ein Drittel der EVP-Mitglieder im Umweltausschuss im Vorfeld der Abstimmung austauschen ließ, weil er befürchtete, sie könnten für das Gesetz votieren. Die verbliebenen EVP-Mitglieder seien teilweise unter »Androhung von Sanktionen« gefügig gemacht worden, wie Ausschussmitglied Delara Burkhardt von der SPD berichtet.

Im EU-Rat hingegen musste Weber eine Niederlage einstecken. Die Regierungen der Mitgliedsstaaten stimmten mehrheitlich für das Renaturierungsgesetz. Pikant: auch die EVP-Minister. Weber gibt sich jedoch kampfbereit und behauptet, dass Gesetz würde landwirtschaftliche Flächen einschränken und den Ausbau erneuerbarer Energien behindern. Dabei hatten die großen Verbände der Wind- und Solarbranche bereits erklärt, dass sie das Vorhaben unterstützen. Zudem hatten rund 4000 Wissenschaftler*innen die EVP aufgefordert, das Gesetz mitzutragen. Die Berichterstatterin der EVP im Umweltausschuss, Christine Schneider, zeigt sich von dieser Forderung unberührt und behauptete unlängst auch, das Gesetz werde »zu einem Rückgang der land- und forstwirtschaftlichen Flächen führen und damit unsere Ernährungssicherheit gefährden«. Das sehen viele Bauernverbände jedoch anders. Die EVP berufe sich auf falsche Zahlen, um ihren plötzlichen Schwenk in der Frage zu begründen.

Mit seiner Haltung ist Weber sogar bereit, seiner Parteifreundin von der Leyen zu schaden, schließlich stammt der Gesetzentwurf von ihrer Kommission. Doch Weber ist bereits im Wahlkampfmodus, auch wenn die Europawahlen erst im Juni 2024 ins Haus stehen. Für die Wahl haben die Konservativen die Grünen als Hauptfeind erkoren und lehnen somit alles ab, was irgendwie grün erscheint. Mick Wallace, Berichterstatter der Linksfraktion The Left, hat dennoch Hoffnung: »Wir wissen, dass die EVP ihren Ausschussmitgliedern mit Ausschluss gedroht hat, wenn sie dafür stimmen, aber sie wird sicherlich nicht in der Lage sein, die gesamte Fraktion bei der Abstimmung im Plenum auf die gleiche Weise zu kontrollieren.«

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