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Umgang mit Covid: »Ich bin krass enttäuscht«
Julia A. Noack über Familienleben in der Covid-Pandemie, Wissenschaft und Politik und die Einsamkeit der Eigenverantwortung
Frau Noack, vor nahezu vier Jahren begann die Sars-Cov2-Pandemie. Sie sind Mutter eines schulpflichtigen Kindes. Wie viele Infektionen haben Sie in Ihrer Familie durchgemacht?
Mein Partner und mein Kind haben kürzlich eine Infektion durchgemacht.
Wie konnten Sie sich so lange vor dem Virus schützen?
Durch Wissen, Verzicht und Konsequenz. Wir tragen in öffentlichen Innenräumen konsequent Maske und meiden brenzlige Situationen. Wir testen und bestehen bei privaten Treffen auch wechselseitig auf Tests. Das Schwierigste bleibt die Schule.
Wissen Sie, auf welchem Weg das Virus den Weg in Ihre Familie gefunden hat?
Es kam erstaunlicherweise nicht durch die Schule. Infiziert hat sich mein Partner. Wir wissen nicht, wie.
Wie schätzen Sie die Risiken ein, die aktuell vom Sars-Cov2-Virus ausgehen?
Julia A. Noack, 48, ist Übersetzerin und Musikerin. Einst jammte sie mit Bob Dylan und spielte Benefizkonzerte für Geflohene, heute lebt sie in Berlin und kämpft als Mutter für Prävention in der Covid-Pandemie.
Wir wissen immer noch viel zu wenig über das Virus, doch was wir wissen, ist Besorgnis erregend genug, als dass man Infektionen einfach hinnehmen sollte. Mit dem Wissen um Behandlungsmöglichkeiten, Medikamenten wie Paxlovid und vor allem dank der Impfung können wir Risiken der Akutinfektion gut minimieren. Das ist super, wir sind definitiv nicht in 2020. Doch ist die Akutinfektion nicht harmlos. Es sterben in Deutschland immer noch jeden Tag mehr als 100 Menschen daran. Dazu haben wir bei jeder Infektion, je nach Untersuchung, ein Risiko zwischen ein und zehn Prozent auf die symptomatische Entwicklung von Long- bezieungsweise Post Covid. Das sind Werte, die für eine ganzjährig prävalente Viruserkrankung schlicht zu hoch sind. Außerhalb der Covid-Statistik laufen die nachgelagerten Todesfälle, die durch Gefäßschäden infolge der Infektion hervorgerufen werden. Herzinfarkte, Schlaganfälle und Lungenembolien haben gerade unter jungen Menschen dramatisch zugenommen. Das sind medizinische Ereignisse, die auch nach milder oder asymptomatischer Infektion eintreten und deren Wahrscheinlichkeit mindestens bis zu ein Jahr nach der Infektion deutlich erhöht ist.
Covid-19 scheint von der Gesellschaft als allgemeines Lebensrisiko akzeptiert worden zu sein.
Vor anderen Gefahren schützen wir uns: Wir ziehen unseren Kindern Fahrradhelme auf, investieren in sichere Autos, schnallen uns beim Fahren an und gehen nicht bei Rot über die Straße. Bei Corona ist es anders. Die Debatte ist politisiert und zugespitzt: Entweder Lockdown oder Freiheit. Entweder Maskenpflicht oder niemand trägt noch eine Maske. Es wird so getan, als sei jeder Schutz übertrieben. Und da Covid-19 eine Infektionskrankheit ist, können wir nicht bei der persönlichen Einschätzung, das Risiko für uns selbst zu ignorieren, stehen bleiben. Wir haben Verantwortung für unsere Mitmenschen.
Können sich die Vulnerablen nicht selber schützen?
Das können sie nur in der Theorie. In der Praxis ist es nicht so. Vulnerable sind nicht nur Heimbewohner, die im Übrigen ja auch nicht mehr geschützt werden, sondern beispielsweise auch Menschen mit einer Immunschwäche, mit Diabetes, die mitten im Leben stehen. Dazu kommt der unglaubliche Gruppendruck, keine Maske zu tragen, dem sich nur wenige widersetzen können. Ohnehin ist die Gruppe der Vulnerablen viel größer, wenn man Long-Covid-Risikofaktoren dazu nimmt: Dann reden wir zum Beispiel von Frauen im mittleren Alter. Solche Frauen haben Kinder, die in der Schule oder Kita ihre Kontakte nicht reduzieren können oder schlicht zu jung sind, um Masken zu tragen. Vulnerable können sich vor einer Infektionskrankheit, die über die Atemluft übertragen wird, nicht selbst schützen, wenn sie in eine Gesellschaft integriert sind, die sich nicht mehr schützen möchte.
Würde ein großer Teil der Menschen Schutzmaßnahmen anwenden, wenn diese nicht gesellschaftlich stigmatisiert wären?
Das denke ich nicht. Die Disziplin, die zur Anwendung von Schutzmaßnahmen gehört, wird als anstrengend empfunden. Eine Mehrheit hält die Maske zudem für überflüssig, weil Risiken durch Politik und Medien nicht angemessen vermittelt wurden. Ich finde es erschreckend, dass dies auch auf Medizinerinnen und Mediziner abfärbt. Wenn man in eine Arztpraxis kommt und dort niemand eine Maske trägt, ist das schlimm. Der oft bemühte Influenza-Vergleich schadet sehr. Nicht nur, dass die Influenza saisonal auftritt und Covid-19 nicht. Dass Sars-Cov-2 kein reines Atemwegsvirus ist, ist öffentlich kaum bekannt und Teile der Ärzteschaft scheinen dies zu ignorieren. Ein Teil würde es vermutlich aus sozialen Gründen tun wollen, bringt aber die Stärke nicht auf, die dazu gehört, sich in der Gesellschaft als anders zu präsentieren. Die Maske wird nicht als neutrales Tool gesehen, sondern ist symbolisch stark aufgeladen und politisiert.
Hat ihr Vertrauen in die Ärzteschaft gelitten?
Auch. Mein Menschenbild hat allgemein gelitten.
Welche Folgen einer Infektion haben Sie in Ihrem Umfeld beobachtet?
Da ist alles dabei. Der Großteil ist augenscheinlich bisher komplikationslos geblieben. Aber ich höre oft, dass viele erst bei genauem Nachfragen von ihren Beeinträchtigungen erzählen. Auch schwere Post-Covid-Fälle habe ich erlebt, mit verschiedensten Symptomen, auch mit vorheriger Impfung. Und ich kenne Kinder mit Post-Covid, mit neurologischen Symptomen, oder die seit Covid eine Infektionskrankheit nach der nächsten durchmachen.
Sie haben im Herbst 2021 eine Petition zur Beibehaltung der Maskenpflicht an Berliner Grundschulen initiiert und sich wiederholt als Teilnehmerin in medialen Diskussionen für Prävention ausgesprochen. Warum? Betrachten Sie sich als Aktivistin?
Ich weiß gar nicht, was das ist, eine Aktivistin. Ich habe mich mit dem Thema zuallererst aus persönlichem Interesse auseinandergesetzt, weil ich meine Familie schützen wollte. Ich habe schnell festgestellt, dass viele Menschen meinen Informationsstand nicht haben, da ihnen wissenschaftliche Erkenntnisse nicht nahegebracht werden. Die Kommunikation seitens der Politik war grottenschlecht. Ich wollte teilen, was ich weiß, damit mein Kind und alle anderen Kinder geschützt werden. Das kam vielleicht aktivistisch rüber (lacht).
Sie haben mit Vertreter*innen der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin und der Initiative Familien debattiert. Welche Erfahrungen haben Sie gemacht?
Bei meinen Gesprächen mit medizinischen Fachleuten, die es eigentlich besser wissen müssten, fand ich es verwunderlich bis verstörend, dass diese überhaupt gegen Schutzmaßnahmen argumentiert haben. Ich habe das bis heute nicht verstanden und mich oft gefragt: Kenne ich die Studienlage wirklich besser als die Leute vom Fach oder ignorieren diese wissenschaftliche Erkenntnisse? Die Äußerungen der Initiative Familien waren schlicht erschreckend und äußerst plakativ. Mir schien es um Lobbyismus zu gehen und nicht wirklich um das Kindeswohl.
Wie hat ihr privates Umfeld auf Ihr öffentliches Stellungbeziehen reagiert?
Das hat sich im Laufe der Zeit geändert. Anfangs gab es viel Anerkennung. In den letzten Monaten sind selbst diejenigen, die zuvor noch rational für ein Mindestmaß an Schutz zugänglich waren, abgefallen. Inzwischen bekomme ich Ratschläge nach dem Motto: Möchtest du dich nicht mal um was anderes kümmern?
Sie koordinieren eine Initiative, die Familien über ein Berliner Infektionslabor kostengünstig PCR-Pooltests zu Hause möglich macht. Wie kam es dazu?
Ich habe die Organisation dieser Initiative von einer jungen Mutter übernommen, die sich in vielen Formaten für Aufklärung und Prävention stark gemacht hat und privat einer Kita verbunden war, die durch ein Berliner Labor regelmäßige PCR-Pooltests durchführen ließ. Diese Pooltests wurden für interessierte Familien geöffnet. Von der Initiative selbst habe ich über Freunde erfahren. Wir haben mitgemacht, um vor Besuchen oder nach kritischen Situationen Infektionen auszuschließen. Im Zuge des Zurückfahrens des Infektionsschutzes liefen die Pooltests an der Kita aus. Ich bedauerte, dass solch eine unkomplizierte Möglichkeit für Früherkennung und Fremdschutz enden sollte. Auch die Möglichkeit, Abstriche selbst vorzunehmen, finde ich gut. Ich habe leider manchmal die Erfahrung gemacht, dass Abstriche nicht immer gut und gründlich vorgenommen werden. Die ursprüngliche Initiatorin war dankbar, mir ihre Initiative, um die sie sich nicht mehr kümmern konnte, übergeben zu können. Jetzt organisiere ich das gemeinsam mit diesem tollen Labor für unsere Familien, die nach Bedarf mehrmals in der Woche ihre Proben zu einer Abgabestelle bringen und nachmittags das Ergebnis digital abrufen können. Es wäre toll, wenn es so etwas flächendeckend gäbe.
Was halten Sie von »Eigenverantwortung« in der Pandemie?
Wenn in der Politik von Eigenverantwortung gesprochen wird, soll das vermutlich meinen, dass sich die Bevölkerung den Mitmenschen gegenüber verantwortlich verhalten soll, aus einer eigenen, inneren Überzeugung heraus. Ein sehr hehres Anliegen. Was von den Menschen gelebt wird, ist aber eine Eigenverantwortung, die das Gegenüber ausklammert und sich nur um sich selbst kümmert – und dies auf einem äußerst mangelhaften Wissensstand. Zudem wird es immer Leute geben, die sich nicht verantwortungsvoll verhalten. Das Resultat von Eigenverantwortung kann man auf jeder öffentlichen Toilette besichtigen. Eigenverantwortung als Konzept in einer Pandemie ist Quatsch, es funktioniert nur mit Regeln. Ich kenne Geschichten von Leuten, die zu den Hochrisikogruppen von Sars-Cov-2 zählen und denen von ihren nächsten Mitmenschen die simpelste Rücksichtnahme verwehrt wird, selbst wenn sie persönlich darum bitten. Gerade die Schutzmaßnahmen, die aus Rücksichtnahme auf andere ergriffen werden, werden am aggressivsten abgelehnt.
Was halten Sie von dem oft gehörten Satz: Wir müssen mit dem Virus leben lernen?
Das ist einer meiner Lieblingssätze (lacht), weil wir haargenau das nicht tun. Das Virus stellt eine Gefahr für unsere Gesundheit dar, mit der wir uns arrangieren müssen, wie wir mit anderen alltäglichen Gefahren umgehen. Es gibt nicht nur die Extreme vollkommener Risikovermeidung oder völligen Leichtsinns. Jeden Tag wählen wir einen Weg dazwischen und lernen, mit alltäglichen Risiken zu leben, indem wir Vorsichtsmaßnahmen treffen und unser Verhalten im Bewusstsein von Restrisiken steuern. Unseren Kindern setzen wir einen Fahrradhelm auf und schnallen uns im Auto an. Bei Covid tun wir das nicht. Wir leben nicht mit dem Virus, wir ignorieren das Vorhandensein des Virus oder dessen Auswirkungen komplett. Mit dem Virus leben zu lernen, würde bedeuten, das Risiko zu minimieren. Eine Maske ist wie ein Fahrradhelm, Testen ist wie Zähneputzen. Mit kleinen Maßnahmen könnten wir riesige Verbesserungen erreichen.
Trotz Aufhebung des internationalen Gesundheitsnotstandes sieht die WHO eine pandemische Situation, laut der Bundesregierung befindet sich Deutschland in einem endemischen Zustand des Infektionsgeschehens.
Das Problem an dieser Diskussion ist die mangelnde Trennschärfe der Begriffe Pandemie und Endemie. Das Wesentliche ist: Ob Endemie oder nicht – das Infektionsgeschehen kommt in Deutschland nicht zur Ruhe, die Wellen sind zwar in der Spitze nicht mehr so hoch, flachen jedoch nicht mehr ab. Es gibt keine Phasen der Entwarnung mehr. Und: Endemie heißt nicht harmlos. Malaria ist auch endemisch.
Wurden die richtigen Lehren aus den Jahren seit 2019 gezogen?
Höchstens sehr vereinzelt. Das Abwassermonitoring ist ein tolles Tool, mit dem man die Bevölkerung sehr gut vor neuen Infektionswellen warnen und entsprechend Maßnahmen anordnen oder empfehlen könnte. Allerdings tut man das nicht. Das Messen findet statt, aber es weiß kaum jemand davon und die Resultate ziehen keinerlei Konsequenzen nach sich. Viel erschreckender als der ausbleibende Lerneffekt ist, dass uns Kampagnen und Desinformation weit zurückgeworfen haben. Dass Krankheit keine Vorteile mit sich bringt, das Immunsystem nicht trainiert werden muss, es sich Erreger merken kann, ohne mit diesen direkt konfrontiert sein zu müssen, hätte man gelernt haben können. Wir haben sehr einfache Maßnahmen wie Masken, die auch vor anderen gefährlichen Viren schützen und wenden sie nicht an. Zu sehen, wie sich die Erwachsenen, als im Winter RSV durch die Kitas und Schulen fegte, die Kinderkrankenhäuser am Kollaps standen, Kinder gestorben sind, weil es nicht mehr möglich war, ihnen adäquat zu helfen, geweigert haben Maske zu tragen, hat mich tief erschüttert. Es wird bei sinkender Impfbereitschaft weiter gegen die Impfung gewettert. Dass saubere Luft das ist, was früher sauberes Wasser war und dass sie viele Vorteile hat, wird nicht verstanden.
Zu Beginn der Pandemie war gesellschaftlicher Zusammenhalt spürbar, es entstanden auch Hoffnungen auf ein Umdenken im Hinblick auf andere Krisen. Wo stehen wir heute?
Man muss klar sagen, dass sich diese Hoffnungen in keinster Weise bewahrheitet haben. Heute werde ich angefeindet und ausgelacht, belächelt oder beschimpft, wenn ich eine Maske trage. Auf sozialer Ebene ist die Gesellschaft richtig krass kaputt.
Wie konnte der gesellschaftliche Zusammenhalt verloren gehen?
Wenn es eine unmittelbare Gefahr gibt, rücken die Menschen immer zusammen. Was prinzipiell Hoffnung geben kann. Der kritische Punkt, der nicht gemeistert wurde, ist der Übergang von der akuten Notlage in die anhaltende Krise. Die Kommunikation hat an der Stelle versagt.
Sie setzen sich intensiv mit der wissenschaftlichen Forschung zu Covid-19 auseinander. Findet die Wissenschaft nicht genug Gehör in Politik und Gesellschaft? Müsste sie lauter sein, engagierter auftreten?
Ich glaube nicht, dass das ein Problem der Wissenschaft ist, sondern eines der Politik und auch der Medien. Die Fälle anfangs engagierter Wissenschaftler, die sich nach heftigen persönlichen Anfeindungen zu ihrem eigenen Schutz zurückziehen mussten, sind ja bekannt. Die Bevölkerung muss und kann sich vielfach nicht mit Wissenschaft auseinandersetzen, das ist auch nicht nötig. In Krisensituationen ist es Aufgabe der Politik, den Menschen die Ergebnisse der Wissenschaft verständlich zu machen und sich von deren Erkenntnissen leiten zu lassen, ohne in der Beratung false balance zu betreiben. Die Politik war und ist völlig weltfremd. Es findet überhaupt keine Kommunikation statt, die die Bevölkerung adäquat in Form und Inhalt mehrsprachig adressiert. Die ganz allgemeine Aufklärung zu Covid war total mangelhaft. Einfache Fakten in verständlicher Sprache mit größtmöglicher Reichweite im öffentlich-rechtlichen Rundfunk vermittelt, das hätte es gebraucht. Das ist das ganz große Versagen seitens der Politik und auch der Medien.
Welchen Umgang seitens der Politik und Gesellschaft mit den Gefahren des Virus würden Sie sich wünschen?
Ich wünsche mir einen vernünftigen, unaufgeregten Umgang mit der Gefahr durch den Einsatz einfacher Maßnahmen zur Risikominimierung. Es sollte normal sein, dass man sich vor Treffen testet, die Menschen wissen, wie ein Rachenabstrich gemacht wird und welche Tests gut sind. Diese sollten günstig und leicht zugänglich sein. Es sollte unumstritten sein, dass Masken schützen und an Bedürftige sollten sie kostenlos abgegeben werden. Der Zugang zum Homeoffice muss erleichtert, Kitas und Schulen mit Luftfiltern ausgestattet werden, es braucht transparente Kommunikation und eine funktionierende Impfkampagne, mit Hochdruck müssen neue Impfstoffe entwickelt werden, die vielleicht irgendwann sterile Immunität bringen. Auch sollte es während Coronawellen, die man aufgrund objektiver Messdaten bestimmen kann, eine Maskenpflicht oder wenigstens -Empfehlung in bestimmten Kontexten geben, dazu umfassende Aufklärung, die weder Panik schürt, noch verharmlost. Es sollte das Zugeständnis gemacht werden, dass wir vieles noch nicht wissen und noch viel geforscht werden muss, wozu ausreichend Mittel zur Verfügung stehen sollten. Wir sollten jedoch klar vermitteln, dass die bisherigen Hinweise auf langfristige Folgeerscheinungen von Infektionen schlimm genug sind, um zu Vorsicht zu raten. Long- und Post-Covid und ME/CFS sollten endlich medizinisch ernst genommen werden. Über die Gefahren des Virus für Kinder muss dringend aufgeklärt werden, sie können massive Spätfolgen entwickeln und auch sterben. Aus den USA wissen wir, dass Covid bei den Todesfällen durch Infektionskrankheiten unter Kindern auf Platz eins, unter den Top fünf aller krankheitsbedingten Todesursachen, und auf Platz acht aller Todesursachen steht. Ich wünsche mir ein Leben mit dem Virus, wie wir mit anderen Gefahren leben. Mit smarten Schutzvorkehrungen und dem Wissen um das Restrisiko. Es wäre gar nicht so schwer.
Wie können wir als Gesellschaft zu diesem Kurs finden?
Ich glaube, es ist jetzt zu spät. Es ist vollkommen unrealistisch, dass das, was ich mir wünsche, noch stattfinden kann. Ich habe tatsächlich resigniert, bin sehr desillusioniert und mache das, was ich tue, um meine Liebsten und mich konsequent zu schützen – in meinem und im Rahmen meiner Familie. Aber ich versuche nicht mehr, andere zu überzeugen.
Erzeugt Ihre Haltung gegenüber Covid Einsamkeit?
Total. Soziale Teilhabe wird immer schwieriger, weil die Leute ihre Pläne so machen, als ob es das Virus nicht gäbe. Ich kann da nicht mitmachen, das verbietet mir mein gesunder Menschenverstand. Auch, dass Vorsicht so belächelt und als übertrieben dargestellt wird, macht einsam. Das Schlimme ist auch, je weniger die anderen machen, desto mehr muss man selber machen. Ich würde gerne einen weniger hohen Schutzaufwand betreiben, wenn ich wüsste, dass sich mein Gegenüber auch schützt – und damit auch mich.
Wie hat sich ihr Blick auf unsere Gesellschaft in den letzten Jahren verändert?
Mein Blick auf die Gesellschaft hat sich extrem verändert, eingetrübt. Ich bin immer eine menschenliebende Person gewesen. Das bin ich auch noch heute, aber ich bin krass enttäuscht. Wir haben sehr viel Rücksichtslosigkeit und Heuchelei erlebt. Die persönliche Freiheit, das Individuelle in der Gesellschaft kippt und wird zum Alibi für blanken Egoismus. Auch die Dummheit ist frappierend. Der Umgang mit Corona ist jedoch nicht ausschließlich auf Unwissenheit oder Dummheit zurückzuführen, sondern psychologisch zu erklären. Die Integration der permanenten Gefahr in ihren Alltag schaffen viele Menschen nicht und sie müssen das Virus verdrängen, weil sie sonst zerbrächen. Diesen Menschen fehlt Unterstützung seitens der Politik und der Medien. Gerade Kinder werden erschreckend instrumentalisiert. Die Ablehnung der Maske wird mit der großen Last begründet, die sie für Kinder bedeuten soll. Und die Kinder werden dann krank, stellenweise schwer.
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