Waffenexporte und Geostrategie

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hofiert im Interesse der Rüstungsindustrie Indiens Premier Narendra Modi

  • Ralf Klingsieck, Paris
  • Lesedauer: 4 Min.

An der Spitze der Paradeeinheiten marschierten am vergangenen Freitag auf den Pariser Champs-Elysée 260 indische Soldaten an der Ehrentribüne vorbei und an der Luftparade nahmen drei von indischen Piloten gesteuerte Rafale teil. 2016 hatte Indien 36 Mehrzweckkampfflugzeuge dieses Typs in Frankreich geordert. Wie der indische Premierminister Narendra Modi nun in Paris den Medien gegenüber bestätigte, will Neu-Delhi jetzt 26 weitere Rafale kaufen.

Offizieller Anlass für die Einladung Modis zum französischen Nationalfeiertag durch Präsident Emmanuel Macron war der 25. Jahrestag des Vertrages über »Strategische Partnerschaft« zwischen den beiden Nuklearmächten. Außerdem wurde der 74 000 indischen Soldaten gedacht, die im Ersten Weltkrieg in Frankreich gefallen sind.

Die Rafale-Flugzeuge sind vor allem für den ersten indischen Flugzeugträger Vikrant bestimmt, der im vergangenen September in Dienst gestellt wurde. Auf Modis Waffeneinkaufsliste standen auch drei U-Boote der Scorpène-Klasse, die jene sechs U-Boote ergänzen sollen, die 2005 in Frankreich geordert wurden und von denen das letzte 2024 ausgeliefert wird.

Die militärische Zusammenarbeit zwischen beiden Ländern ist angesichts der aktuellen geopolitischen Lage von großer politischer Bedeutung. Sie spielt aber auch eine große Rolle für die französische Rüstungsindustrie. Diese liegt im Weltmaßstab nach den USA und Russland, auf die 39 Prozent und 19 Prozent aller Waffenlieferungen entfallen, mit elf Prozent auf dem dritten Platz, weit vor China (4,6 Prozent) und Deutschland (4,5 Prozent).

Indien ist nicht nur die fünftgrößte Wirtschaftsmacht der Welt, sondern gehört auch zu den acht militärisch stärksten Ländern. Frankreich will das Bestreben Indiens nutzen, sich schrittweise von der Abhängigkeit von russischen Waffen freizumachen. Fast alle indischen Militärflugzeuge und Panzer stammen aus Russland. Nach offiziellen Statistiken für den Zeitraum 2018 bis 2022 hat Indien rund 45 Prozent seiner Waffen und Militärtechnik aus Russland bezogen und nahezu 30 Prozent aus Frankreich, während auf die USA nur elf Prozent entfielen.

Da wird in Paris auch darüber hinweggesehen, dass sich Indien nicht bereitfand, die russische Aggression gegen die Ukraine zu verurteilen, sondern im Gegenteil einen großen Teil der Erdöl- und Gaslieferungen, auf die der Westen im Rahmen der Sanktion verzichtet hat, zu Dumpingpreisen übernahm. Macron hofft, die engen indisch-russischen Beziehungen eventuell einmal als Kanal für eine Einflussnahme auf Putin nutzen zu können.

Während Moskau sich seit Beginn des Krieges in der Ukraine Peking angenähert hat, will Indien seine strategische Autonomie stärken. Neu-Delhi bemüht sich um eine Rolle als »Gleichgewichtsmacht« in Asien und versucht daher sogar, eine Eskalation der aufgrund des Himalaya-Grenzkonflikts traditionell angespannten Beziehungen zu China zu vermeiden.

Dass Ende Juni für ihn in Washington der rote Teppich zu einem Staatsbesuch ausgerollt wurde, war ein Triumph für Modi. Denn seit 2002 durfte er nicht in die USA einreisen, weil er als Regierungschef des indischen Bundesstaates Gujarat einen hemmungslosen Hindu-Nationalismus betrieben hat und mitschuldig war für antimuslimische Pogrome, die mehr als tausend Todesopfer forderten.

Dass Modi diese Strategie, die ihm innenpolitisch Sympathiewerte um 77 Prozent einbringt, seit neun Jahren auch in seiner Funktion als Regierungschef Indiens weiterbetreibt, ist für Washington, Paris und andere westliche Hauptstädte heute weniger wichtig als Indiens Rolle auf dem internationalen Parkett. Immerhin gehört es zur G20-Gruppe und übt zudem gegenwärtig die Präsidentschaft der Ländergruppe des Shanghai-Abkommens aus, in der neben China auch Russland eine wichtige Rolle spielt.

Kritik am Hofieren Modis durch Macron kommt vor allem von der linken Opposition. Sie betonen, dass in Indien die Meinungs- und Pressefreiheit am Boden liegt, der Kampf gegen die Armut seit Jahren stagniert, Minderheiten und ihre Religionen diskriminiert werden und gerade erst ein Gesetz in Kraft getreten ist, das die Abstammungslehre aus den Lehrplänen der Schulen tilgt.

Die kommunistische Abgeordnete Elsa Faucillon schätzt ein: »Narendra Modi steht an der Spitze eines autoritären, nationalistischen und gewalttätig islamfeindlichen Regimes. Ihn zum 14. Juli, dem Jahrestag der Revolution der Menschenrechte einzuladen, zeugt von politischer und moralischer Instinktlosigkeit.«

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