Die alten Männer wählen links

Brandenburgs Linke und die SPD kommen bei den Senioren gut an – die AfD dagegen bei den 35- bis 49-Jährigen

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 4 Min.

Angeblich sind die fast schon sprichwörtlichen alten weißen Männer ein Problem und im Prinzip für alles Böse in der Welt verantwortlich. Mindestens für Brandenburg sprechen die Ergebnisse einer IFM-Umfrage jedoch eine völlig andere Sprache. Demnach können sich 32 Prozent aller Befragten vorstellen, bei der Landtagswahl die AfD anzukreuzen. Bei den ab 65-Jährigen sind es aber nur 17 Prozent, die sich das vorstellen können. Bei den 35- bis 49-Jährigen sind es dagegen 54 Prozent, bei den 16- bis 35-Jährigen auch noch 35 Prozent. Auch die Behauptung, dass vor allem Männer zur AfD neigen, lässt sich nicht so klar belegen. Zwar liebäugeln 34 Prozent aller männlichen Brandenburger mit der AfD, aber mit 31 Prozent liegen die weiblichen nicht sehr weit hinter ihnen zurück.

Welche Partei wollen Senioren denn nun tatsächlich wählen, wenn es die AfD nicht ist? Die SPD hat unter ihnen ein Potenzial von 51 Prozent. Das heißt nicht, dass es wirklich so viele machen. Keiner Partei gelingt es bei Wahlen, ihr Potenzial komplett auszuschöpfen. Sie schaffen es oft nicht einmal annähernd. Aber vorstellen können es sich 51 Prozent der Senioren, die SPD anzukreuzen. Sie sind prinzipiell ansprechbar für sozialdemokratische Ideen. Bei den Jüngeren blitzt die SPD im Vergleich dazu ab. Bei den 35- bis 49-Jährigen können sich nur 19 Prozent theoretisch vorstellen, diese Partei zu wählen.

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Bei der Linken ist es ähnlich. Die hat in Brandenburg insgesamt ein Potenzial von 23 Prozent, bei den Senioren sind es aber 30 Prozent. Bei den 35- bis 49-Jährigen winken ihr dagegen maximal zwölf Prozent. Diese Altersgruppe ist eine für die Sozialisten fast verlorene Generation, könnte man sagen. Hinzuzufügen wäre noch, dass in Brandenburg mehr Frauen (27 Prozent) als Männer (19 Prozent) zur Linken hinneigen.

Bei den Grünen ist es umgekehrt: 21 Prozent der männlichen, aber nur zwölf Prozent der weiblichen Wähler können sich vorstellen, die Grünen anzukreuzen. Und obwohl die Grünen in Brandenburg in den letzten Jahren sehr viele junge Mitglieder hinzugewonnen haben und sich so gern als frische, junge Partei inszenieren, erhalten sie doch von keiner Altersgruppe mehr Zuspruch als von den Senioren, unter denen sich 20 Prozent vorstellen können, die Grünen zu wählen. Bei den ganz jungen Wählern sind es nur 17 Prozent und bei den etwas älteren sogar nur zwölf Prozent. Aber kommen wir vom theoretischen Potenzial zur praktischen Sonntagsfrage: Das Institut für Markt- und Medienforschung (IFM) wollte im Mai und Juni im Auftrag der Linken von 1000 Brandenburgern wissen, welcher Partei sie ihre Stimme geben würden, wenn schon am kommenden Sonntag Landtagswahl wäre und nicht erst am 22. September 2024.

Gewinnen würde den Antworten zufolge mit 28 Prozent die AfD. Diese würde die ununterbrochen seit 1990 regierende SPD von Ministerpräsident Dietmar Woidke mit nur 23 Prozent auf Platz zwei verweisen. Bei der Landtagswahl 2019 hatte die SPD mit 26,2 Prozent die AfD, die damals 23,5 Prozent erhielt, noch auf den letzten Metern überholen können. Die CDU würde jetzt 16 Prozent erhalten, exakt 15,6 Prozent waren es bei der Wahl 2019.

Beachtlich ist das Ergebnis der Linken. Diese waren vor vier Jahren mit nur noch 10,7 Prozent erstmals 0,1 Prozentpunkte hinter den Grünen zurückgeblieben. Jetzt werden der Linken 13 Prozent vorhergesagt und den Grünen nur acht Prozent. Schlussendlich kämen die Freien Wähler mit sieben Prozent wieder in den Landtag und die FDP würde wieder einmal an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern. Die FDP hat ein so geringes Umfrageergebnis, dass sie nicht einmal gesondert ausgewiesen werden, sondern unter die Rubrik Sonstige summiert werden. Es hilft den Liberalen nicht, dass sie in Brandenburg ein Potenzial von 13 Prozent haben. Von den Menschen, die sich im Prinzip vorstellen können, die FDP zu wählen, wollen es dann nur sehr wenige tatsächlich tun.

Angesichts der Umfrageergebnisse setzt Die Linke nun auf einen »neuen demokratischen Aufbruch«. Was das sein soll, hat ihre Landtagsfraktion in einem Strategiepapier niedergelegt. »Als Linksfraktion werden wir künftig alle möglichen Ressourcen in Formate zur Herstellung von Nähe investieren und unsere Öffentlichkeitsarbeit neu ausrichten«, heißt es da. Als erster Schritt wird die bereits laufende Kneipentour genannt. Die Linke sich außerdem in Verträgen mit Bürgern schriftlich verpflichten, deren Anliegen in den Landtag zu tragen. Außerdem soll der mit Geld aus Diäten der Abgeordneten bestückte Sozialfonds ausgebaut werden, um Menschen unbürokratisch zu helfen.

Schluss machen möchte die Linksfraktion mit dem parlamentarischen Theater, Anträge anderer Parteien aus Prinzip abzulehnen. Dazu will die Fraktion mit gutem Beispiel vorangehen und künftig Anträge der Koalitionsfraktionen sowie der Freien Wähler unterstützen, »wenn sie zur Lösung eines Problems beitragen«. In der Vergangenheit geschah dies ab und zu, aber nicht häufig. Weiterhin gilt indessen: »Keine Zusammenarbeit mit der AfD.«

Ergebnisse der IFM-Umfrage
  • Mit der Arbeit der rot-schwarz-grünen Landesregierung sind 51 Prozent der befragten Brandenburger eher unzufrieden, 21 Prozent sind teils zufrieden, teils unzufrieden und 28 Prozent sind eher zufrieden.
  • Auf einer Skala von 0 bis 10 sind 15 Prozent der Befragten völlig unzufrieden (Skalenwert: 0) und nur ein Prozent völlig zufrieden (Skalenwert: 10).
  • Mit der Arbeit der Bundesregierung aus SPD, FDP und Grünen sind 70 Prozent der Brandenburger eher unzufrieden, stolze 33 Prozent sind völlig unzufrieden. Lediglich 19 Prozent der Brandenburger sind mit der Bundesregierung eher zufrieden.
  • Befragt nach ihrer Zufriedenheit mit ihrem Leben, geben die Brandenburger auf einer Skala von 0 bis 10 durchschnittlich eine Sieben – sie sind also noch eher zufrieden. Aber über alle Lebensbereiche verteilt sinken die Werte.
  • Unter den Wählern im Berliner Umland hat die AfD ein Potenzial von 23 Prozent, unter denen in der brandenburgischen Peripherie ein Potenzial von 39 Prozent. Die Linke könnte bei 21 Prozent der Wähler im Berliner Umland punkten und bei 24 Prozent der Wähler in den Berlin-fernen Regionen. Bei SPD, CDU, Grünen, Freien Wählern und FDP ist es umgekehrt. Sie haben jeweils im Berliner Speckgürtel mehr Potenzial als außerhalb. af
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