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Carola Rackete und Die Linke: Ein Start mit Turbulenzen
Mangelnde Beteiligung bei Vorstellung von Europa-Kandidat*innen beklagt
Sogar Matteo Salvini hielt es für nötig, sich zur Ankündigung der Linken, Carola Rackete für die Europawahl aufzustellen, zu äußern. Salvini twitterte, vom Rammen eines Bootes der Guardia di Finanza bis zur Kandidatur für die Linke sei es nur ein Moment. »Glückwunsch, es lebe die Demokratie!«, so Salvinis zynischer Schluss. Der rechte Politiker war Innenminister, als Rackete 2019 mit ihrem Seenotrettungsschiff entgegen offizieller Anweisungen in den Hafen von Lampedusa einlief.
Salvini war nicht der Einzige, der seine Meinung twittern musste. Das Hashtag #Rackete trendete auf Twitter am Montagnachmittag. Das gelingt sonst nur einer Politikerin, die mit der Linken in Zusammenhang gebracht wird, nämlich Sahra Wagenknecht. Prominente Unterstützer*innen der Bundestagsabgeordneten blieben erstaunlich ruhig, nach der Linke-Kandidat*innenvorstellung am Montag. Einzig Ex-Parteichef Klaus Ernst sprach am Dienstag in einem Interview der Münchner »Abendzeitung« davon, dass Die Linke aufhören solle zu versuchen, »grüner sein zu wollen als die Grünen« und Menschen »von oben herab zu behandeln, weil sie nicht gendern«. Auch, dass er sich vorstellen könne, in eine Wagenknecht-Partei einzutreten, erklärte Ernst. Viele Mandatsträger machten sich darüber Gedanken. Über das Spitzenteam für die Europawahl sprach Klaus Ernst nicht. Allgemein fällt auf, dass der Plan, mit Carola Rackete und Gerhard Trabert in den Europawahlkampf gehen zu wollen, nur wenig inhaltliche Kritik auslöst. Der Berliner Aktivist Michael Prütz äußerte auf Facebook Bedenken, Carola Rackete sei zwar eine »wirklich ehrenwerte Person«, aber zu glauben, man käme mit ihr über »die eigene Blase hinaus«, sei »wirklich naiv«. Von der »Ostklientel« spreche er erst gar nicht.
Prütz schreibt das unter einem Beitrag von Thies Gleiss, der über Jahre im Bundesvorstand der Linken sitzt. Gleiss ist Mitglied der Antikapitalistischen Linken, findet eine Abgrenzung vom Wagenknecht-Lager schon lange richtig und die enge Kooperation mit sozialen Bewegungen gut. Trotzdem hat er ein Problem mit der Präsentation vom Montag. Das hänge nicht am Spitzenquartett, es seien gute Leute, die mit ihrer politischen Arbeit »auf die furchtbaren Schwachstellen der Europäischen Union, ihre Verbrechen und millionenfachen Opfer aufmerksam gemacht haben«. Aber die Parteivorsitzenden setzten damit die »unrühmliche Praxis« fort, Personalentscheidungen an den Mitgliedern vorbei über die Medien durchzusetzen. So etwas trage dazu bei, die innerparteiliche Demokratie zu zerstören. Gleiss warnt, »Operetten-Inthronisierungen« würden dann besonders peinlich, wenn Kandidat*innen in letzter Minute abspringen würden oder ihnen die Zustimmung von Parteitagsdelegierten verweigert würde.
Thies Gleiss kritisiert auch, dass ein breiter inhaltlicher Diskussionsprozess im Vorfeld ausgeblieben sei. Bei der letzten Europawahl seien viele zu Hause geblieben, weil nicht klar sei, wie Die Linke zur Europäischen Union stehe. Statt dieser Debatte seien der Partei nur »nur neue Köpfe vorgesetzt« worden. Die neuen Köpfe und die Partei seien zu bemitleiden.
Einige mehr oder weniger prominente Linke äußern Zustimmung zur Kritik von Gleiss. Von einem Mangel im demokratischen Prozess ist die Rede. Es sei Aufgabe des Bundesausschusses, die Liste für die Europawahl vorzuschlagen. Der Bundesausschuss ist ein Gremium, das es so nur in der Linken gibt. Er ist größer als der Parteivorstand, soll dazu dienen, dass die Landesverbände zusammenwachsen und kann Initiativen ergreifen und unterstützen. Seine Aufgabe ist es auch, dem Europaparteitag einen Personalvorschlag zu unterbreiten.
Die ehemalige NRW-Landtagsabgeordnete Gunhild Böth sitzt im Präsidium des Bundesausschusses. Auf die Frage, ob der Bundesausschuss sich durch den Personalvorschlag von Janine Wissler und Martin Schirdewan übergangen fühlt, lacht sie. »Natürlich haben die Vorsitzenden das Recht einen Vorschlag zu machen«, sagt Böth im Gespräch mit dem »nd«. Der Bundesvorstand könne ja keinen Listenvorschlag »auswürfeln«. Inhaltlich hält Gunhild Böth den Vorschlag für richtig, er zeige, dass man Klimakrise und soziale Frage zusammendenke.
Ähnlich sieht es auch der stellvertretende Parteivorsitzende Lorenz Gösta Beutin. Der ehemalige Bundestagsabgeordnete hatte gerade in der Klimabewegung stark für die Kooperation geworben. Dem »nd« sagte Beutin, dass es eine Auseinandersetzung um die »Existenz« der Partei gäbe. In dieser Auseinandersetzung sei die Kandidatur von Trabert und Rackete »ein Zeichen sowohl der Öffnung in Richtung sozialer Bewegungen als auch der inhaltlichen Klärung einer sozialen und ökologischen Linken«. Es gehe darum, den »Kampf um unsere Gesellschaft« und »echte Veränderung« aufzunehmen.
Wie dieser Kampf aussehen soll und wie er breit diskutiert werden kann, darauf werden die Linke und die Bewegungsakteure, die sie jetzt unterstützen, Antworten finden müssen. Sonst könnte der gemeinsame Neustart schwierig werden.
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