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Fußball-WM der Frauen: Auf dem langen Weg zur Gleichberechtigung
Equal Pay statt Menschenrechte: Die WM der Frauen ist weniger umstritten als die in Katar und bietet dennoch viel Stoff für Debatten
Es gibt nicht viel Besseres im Leben, als einen freien Tag in Sydney zu verbringen. Das multikulturelle Kraftzentrum Australiens mit seinen berühmten Sehenswürdigkeiten wirkt auch an Wintertagen betörend, weil romantisch, trendig und unglaublich schön. Wer erstmals den Blick von der Harbour Bridge über die Bucht mit dem Opera House schweifen lässt, kommt aus dem Schwärmen nicht heraus. Insofern hat Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg alles richtig gemacht, ihren Fußballerinnen einen freien Montag zu gewähren, an dem die meisten aus dem abgelegenen Quartier in Wyong in die Metropole gefahren sind. Offene Münder, leuchtende Augen. Eine Fußball-Weltmeisterschaft, die an diesem Donnerstag beginnt, kann kaum mehr bieten.
Bevor der zweifache Weltmeister Deutschland am Montag gegen Marokko in Melbourne ins Turnier startet, eröffnen erst einmal die Gastgeber: Neuseeland gegen Norwegen und Australien gegen Irland. Es soll jeweils ein emotionaler Startschuss sein, wobei das in Sydney im Gegensatz zu Auckland sicher gelingt: Überall in der Stadt wird davor gewarnt, mit dem Auto in den Olympic Park zu fahren. Das Australia-Stadion mit seinen 83 500 Plätzen wird ausverkauft, die Stimmung gigantisch sein.
Doch die Bilder dürfen nicht täuschen: Noch ist eine WM der Frauen kein Event, bei dem sich Fanmassen um Karten für jedes Spiel reißen. Es wird insbesondere in Neuseeland oft viele leere Plätze geben, auch wenn die vom Weltverband Fifa gesteuerten Kameras selten darauf schwenken werden. Sie will schließlich auch dieses Turnier zum Großevent pushen.
Dafür wird die neunte WM-Auflage der Frauen erstmals mit 32 Nationen ausgespielt. Mit deutlich mehr Teams aus Afrika, Asien, Süd- und Mittelamerika. Doch die Kluft vor allem in Sachen Fanzuspruch zu Europa ist weiterhin groß, wo die Ligen viel schneller professionelle Strukturen entwickeln. Dass sich Jamaika, Panama, Haiti, die Philippinen, Sambia und Marokko qualifizierten, macht die WM qualitativ vielleicht noch nicht besser, aber bunter. Der Entwicklung des Frauenfußballs in diesen Ländern hilft es allemal.
Fifa-Präsident Gianni Infantino rieb sich schon bei der WM 2019 in Frankreich die Hände, als weltweit die Quotenrekorde purzelten. Am Ende hatten weit mehr als eine Milliarde Menschen am Fernseher zugeschaut. Dazu kam eine gesellschaftliche Strahlkraft von nie dagewesener Größe: Wie Frontfrau Megan Rapinoe ihren Siegeszug zum vierten WM-Titel der US-Amerikanerinnen nutzte, um im Kampf gegen jede Form der Diskriminierung sogar Präsident Donald Trump die Stirn zu bieten, zog Kreise weit über den Sport hinaus.
Eine WM der Frauen ist, gerade wegen der ständigen Quervergleiche mit den Männern, die es in dieser Form in keiner anderen Sportart gibt, auch ein Kampf für Gleichberechtigung geworden. Dabei sind deutsche Nationalspielerinnen in anderer Form beispielhaft. Es ist fast nur noch eine Randnotiz, wenn Lea Schüller ausführlich über ihre Partnerschaft mit der Seglerin Lara Vadlau spricht. Kein Problem, die Stürmerin am Sonntag vor dem Teamhotel nach Mitspielerin Svenja Huth zu befragen, deren Frau nach einer künstlichen Befruchtung bald ein Kind erwartet. Solche Offenheit ist den Männern im deutschen Profifußball bis heute völlig fremd. Keiner hat sich seit Thomas Hitzlsperger geoutet. Besonders rund um die WM in Katar wurde hier eine Chance verpasst.
Bei den Frauen geht es auch auf dem Platz ehrlicher zu, wird weniger geschauspielert und gemeckert, vor der Kamera weniger geheuchelt – und trotzdem (noch) viel weniger verdient. Die Fifa hat die Prämien gegenüber 2019 auf insgesamt 150 Millionen Dollar verdreifacht. An die Männer wurden jedoch in Katar 440 Millionen ausgeschüttet. Erstmals wird das Gros direkt immerhin direkt an die Spielerinnen verteilt. Jede hat bereits 30 000 Dollar, umgerechnet 28 000 Euro sicher. Eine Viertelmillion bekommt man als Weltmeisterin.
Dennoch ist das einigen zu wenig: Die 23 australischen WM-Spielerinnen kritisierten die neue Regelung heftig, weil sie von ihrem eigenen Verband bereits dieselben Prämien bekommen wie die männlichen Kollegen. »Die Fifa bietet den Frauen für die gleiche Leistung aber weiterhin nur ein Viertel des Preisgeldes«, heißt es nun. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass der Weltverband bei den Frauen nur einen Bruchteil der Summen im Vergleich zum Turnier der Männer einnimmt. Immerhin: Infantino hat Equal Pay für Männer (WM 2026) und Frauen (2027) angekündigt. Dass er dann von Fernsehanstalten und Werbepartnern dieselben Gebote erwartet, ist zu befürchten. Es geht nun einmal nicht unbedingt um Angleichung, sondern um Gewinnmaximierung.
Ansonsten will die Fifa das aktuelle Turnier von aufgeladenen Debatten verschonen. Daher erlaubte sie schnell, dass in allen WM-Stadien auch die Flaggen der Aborigines und Maori wehen dürfen. Die Symbole der indigenen Kulturen sind erlaubt, die Regenbogenbinde indes erneut nicht. Die deutsche Kapitänin Alexandra Popp muss aus einem Sortiment von Solidaritätsbekundungen wählen, doch die Kraftprobe mit der Fifa stellt der Deutsche Fußball-Bund (DFB) kein zweites Mal an. Schließlich bewirbt sich Deutschland um die WM 2027.
Die deutsche Rolle bei dieser Endrunde wird ohnehin spannend. Die demokratischen Ausrichter in Ozeanien sind kein Politikum wie das Emirat Katar – daran wird sich also keiner abarbeiten. Es geht vor allem um Aufmerksamkeit. Vor der WM 2019 musste Popp in einem Werbespot noch fragen: »Weißt du eigentlich, wie ich heiße?« Dann folgte der Satz: »Wir brauchen keine Eier, wir haben Pferdeschwänze.« Solche Provokationen sind glücklicherweise überflüssig geworden. Die EM 2022 hat viel angestoßen. Die DFB-Frauen waren mit so viel Leidenschaft am Werk, dass beim verlorenen Finale gegen Gastgeber England fast 18 Millionen Menschen einschalteten.
Popp sagt heute: »Wir sind sehr authentisch unterwegs, und ich hoffe, dass das so bleibt.« Gefährlich würde es nur, wenn der sportliche Erfolg ausbliebe. Nach zuletzt mehreren ernüchternden Testspielen ist das nicht auszuschließen. Dann könnten dem DFB die nächsten Grundsatzdiskussionen bevorstehen. Bei Frauen und Mädchen ist die Basis nicht so breit, wie der Verband es gerne hätte. Mehr als eine Million Mitglieder sind zwar weiblich, aber nur knapp 200 000 kicken auf Vereinsebene. Nicht überall finden Mädchen Spielmöglichkeiten vor. Auch längst nicht jeder Bundesligist bietet ihnen optimale Bedingungen. So geht der Kampf nach Gerechtigkeit auf vielen Ebenen weiter.
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