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Der Dammbruch droht in Spanien
Heinz Bierbaum und Johanna Bussemer über die anstehenden Wahlen in Spanien
Wenn Spanien am kommenden Wochenende ein neues Parlament wählt, geht es praktisch um alles. Es geht darum, ob eine der aktuell progressivsten Regierungen Europas ihren Kurs auf der iberischen Halbinsel mit Gesetzen zur Besserstellung von Arbeitnehmer*innen, insbesondere im prekären Dienstleitungsbereich, zum weiteren Ausbau erneuerbarer Energien und in der Gleichstellung der Geschlechter fortsetzen kann. Vor allem aber geht es darum, ob der Vormarsch der ultrarechten Vox in Spanien noch aufgehalten werden kann.
Bei den Regionalwahlen im April, die der Auslöser für die Ausrufung der Neuwahlen durch den sozialdemokratischen Premierminister Pedro Sánchez (PSOE) waren, gewann die konservative Volkspartei Partido Popular (PP) die sechs größten Städte Spaniens, und die rechtsextreme Vox konnte außer in Galizien in alle Regionalparlamente einziehen. In einigen Regionen wie beispielsweise Valencia bildet die PP zusammen mit Vox die Regierung. Es steht zu befürchten, dass es bei einem Wahlsieg zu einer Koalition von PP und Vox auf nationaler Ebene kommt. Das wäre ein Dammbruch – mit Bedeutung weit über Spanien hinaus.
Zu dem Zeitpunkt, als Sánchez die Neuwahlen ausrief, galt es als mehr als unwahrscheinlich, dass sich die Linke, in dem Fall vor allem die zwei Lager rund um den ehemaligen Podemos-Vorsitzenden Pablo Iglesia und die amtierende stellvertrende Ministerpräsidentin und Arbeits- und Sozialministerin Yolanda Diaz, auf eine gemeinsame Strategie für die anberaumten Neuwahlen würden einigen können. Podemos verlor jedoch bei den Regionalwahlen extrem, und Diaz hatte bereits im Vorjahr begonnen, das linke Wahlbündnis Sumar aufzubauen, dem Podemos zunächst nicht beitreten wollte und es angesichts der Niederlage dann doch tat. »Der Druck der Neuwahlen hat die Einigkeit der linken Parteien erst ermöglicht«, beschreibt es der ehemalige Podemos-Politiker und Mitarbeiter der Kampagne von Sumar, Pablo Bustenduy. Insgesamt 25 nationale oder regionale linke Parteien gehören dem Bündnis aktuell an. »Einzeln anzutreten, wäre politischer Selbstmord gewesen«, so Bustenduy.
Aktuell liegt das Bündnis in den Umfragen zwischen 13 und 14 Prozent und somit ungefähr gleichauf mit der rechtsextremen Vox. Ob Sumar es schafft, sich den dritten Platz bei den Wahlen zu sichern und ob es für eine Fortführung der Koalition mit der sozialdemokratischen PSOE reichen wird, ist offen. Es wird jedoch befürchtet, dass die PSOE das Bündnis aufkündigen und eine Große Koalition mit den Konservativen anstreben könnte. Es steht also viel auf dem Spiel. Das wird nicht zuletzt daran deutlich, dass zum ersten Mal die großen Gewerkschaften in Spanien zur Wahl progressiver Kräfte aufrufen.
Heinz Bierbaum ist Vorstandsvorsitzender und Johanna Bussemer Leiterin des Europa-Referates der Rosa-Luxemburg-Stiftung.
Erstmal haben Yolanda Diaz und ihr Linksbündnis jedoch einiges erreicht: Die Herstellung einer gewissen Einigkeit bei den Linken, auch wenn zu erwarten ist, dass die Konflikte mit Podemos nach der Wahl wieder ausbrechen.
Einige sehen jedoch die Gefahr, dass Sumar sich unter dem Druck, in der Regierung sein zu wollen, sehr weit in die politische Mitte bewegen könnte. Auch ist unklar, ob das Bündnis eine verlorene Wahl überstehen wird. Allerdings sehen viele Linke die dringende Notwendigkeit für eine Neugründung der Linken in Spanien. Hierfür hat Sumar immerhin einen Rahmen geschaffen. Ähnlich wie die französische Plattform Nupes, die sogar noch die Sozialdemokratie mit einschließt, ist sie ein Vorbild, an dem linke Parteien in Europa langfristig nicht vorbeikommen werden. Für die europäischen linken Parteien wäre ein gutes Abschneiden Sumars damit mehr als wünschenswert, um dem eigenen Abwärtstrend etwas entgegenzusetzen.
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