Hessen-Chef Rhein für Grenzkontrollen

Boris Rhein fordert härtere Gangart in der Migrations- und Asylpolitik

Hessens amtierender Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) fordert von der Ampel-Koalition eine härtere Gangart in der Migrations- und Asylpolitik. »Der Bund muss endlich dafür sorgen, dass weniger Menschen illegal nach Deutschland kommen«, sagte Rhein der »Bild am Sonntag«. Zur Begrenzung der Zuwanderung müssten außerdem »flächendeckende Kontrollen an den deutschen Außengrenzen« durch die Bundespolizei eingeführt werden.

Auch die von der Bundesregierung angekündigte »Rückführungsoffensive« abgelehnter Asylsuchender müsse sofort umgesetzt werden, fordert Rhein. Außerdem müssten Staaten mit einer Asylanerkennungsquote von unter fünf Prozent als sichere Herkunftsländer eingestuft werden. Im Gespräch sind hierzu Georgien, Armenien, die Republik Moldau, Indien und einzelne Maghreb-Staaten.

Der Vorstoß des CDU-Politikers richtet sich auch gegen die Bundesinnenministerin Nancy Faeser, die als SPD-Spitzenkandidatin bei der Landtagswahl in Hessen am 8. Oktober als Herausforderin von Rhein antritt. Umfragen sehen die CDU jedoch mehrere Prozentpunkte vor der SPD, die demnach allenfalls knapp über 20 Prozent kommen könnte.

Im Hinblick auf die Hessenwahl orientiert sich Rhein an Bayern, das zeige, »wie wichtig Grenzkontrollen an deren Außengrenzen sind«, so der Noch-Ministerpräsident in der »BamS«. Allerdings liegt die Zuständigkeit für die Anordnung von Grenzkontrollen nicht in den Bundesländern. Die Wiederaufnahme von Kontrollen der bayerischen Binnengrenzen zu Österreich hatte der Bund 2015 beschlossen, nachdem Zehntausende Asylsuchende vor allem aus Syrien über die sogenannte Balkan-Route in Deutschland ankamen.

Diese Kontrollen laufen dem Schengener Abkommen zuwider. Es schreibt den Abbau aller Schlagbäume zwischen den derzeit 27 beteiligten Ländern vor. Die Bundesregierung und andere EU-Staaten nutzen für deren Wiedereinführung eine über ein dutzendmal verlängerte Ausnahmeregelung im Schengener Grenzkodex. In einer sogenannten Krisen-Verordnung diskutieren die EU-Innenminister auf ihren Treffen in Brüssel deshalb neue Möglichkeiten, diese Grenzkontrollen bei migrationsbezogenen Anlässen zu verhängen. Noch vor der Europawahl soll das neue Gesetz in Kraft treten.

Am Freitag hatte die Bundespolizei ihre Halbjahreszahlen zu Grenzübertritten veröffentlicht. Demnach seien deutlich mehr unerlaubte Einreisen als im Vorjahreszeitraum festgestellt worden. Im ersten Halbjahr 2022 waren es noch 29 174 Menschen, die undokumentiert die deutschen Binnengrenzen übertreten wollten. In diesem Jahr hat die Bundespolizei bis Ende Juni 45 338 derart eingereiste Menschen registriert.

Der Anstieg der Migrationszahlen geht insbesondere auf die sogenannte Belarus-Route zurück: Vor allem Geflüchtete aus Staaten des Mittleren Ostens fliegen seit 2021 vermehrt nach Minsk, um dann über Polen, Litauen oder Lettland auf dem Landweg in die Europäische Union weiterzureisen. Viele von ihnen werden jedoch von polnischen Grenztruppen nach Belarus zurückgeschoben oder in Polen in geschlossene Lager gepfercht.

Asylsuchende, die es dennoch durch Polen schaffen, kommen über Brandenburg und Sachsen schließlich in Deutschland an. Beide Bundesländer hatten im Frühjahr stationäre Grenzkontrollen verlangt, was Faeser aber nach Besuchen an Übergängen in Tschechien und Polen ablehnte. Allerdings hatten Bund und Länder auf dem Flüchtlingsgipfel am 10. Mai kurz zuvor beschlossen, Kontrollen wie an der Grenze zu Österreich auch an anderen Binnengrenzen Deutschlands einführen zu wollen – abhängig von der Lage. Bislang wurde diese Möglichkeit noch nirgends umgesetzt.

Die Ampel setze »auf grenzenlose Offenheit«, kritisiert deshalb der CDU-Scharfmacher. Von einer solchen Scheunentor-Politik, wie sie auch von Polizeigewerkschaftern behauptet wird, ist Faeser jedoch weit entfernt. Denn statt geschlossener Binnengrenzen hatte die SPD-Politikerin im Mai angeordnet, Kontrollen im deutsch-polnischen Grenzgebiet auszuweiten und gemeinsame Streifen mit den dortigen Behörden im Hinterland durchzuführen. Diese intensivere Schleierfahndung nach möglichen Asylsuchenden könnte nun dazu geführt haben, dass die Bundespolizei mehr undokumentiert Eingereiste entdeckt hat.

Mit seinem Vorstoß gegen Faeser weiß Rhein die Mehrheit der deutschen Landesinnenminister hinter sich. Denn im Bundesrat und damit auch in der Innenministerkonferenz (IMK) haben die CDU-geführten Länder derzeit eine Mehrheit. Als Sprecher dieser sogenannten B-Länder fungiert dieses Jahr Hessen. Der dortige Innenminister Peter Beuth hat vor dem jüngsten IMK-Treffen im Juni in Berlin verschiedene Verschärfungen in der Kriminalitätsbekämpfung und im Strafrecht gefordert, die Bereiche Asyl und Migration gehörten bislang aber nicht dazu.

Auf der IMK in Berlin hat auch die Bundesinnenministerin zur »Migrationslage« berichtet. Man habe Faesers Report »insbesondere mit Bezug zur schweizerischen Grenze« zur Kenntnis genommen, heißt es in den freigegebenen Beschlüssen der IMK. Auch an der dortigen Binnengrenze fordert die CDU die Wiedereinführung von den EU-Recht zuwiderlaufenden Kontrollen.

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