Sachsen: Ausschusschef mit Nähe zum Terror

Widerstand im Landtag gegen AfD-Besetzung für Verfassungsgremium

  • Hendrik Lasch
  • Lesedauer: 4 Min.
»Sächsische Separatisten« werden beim Bundesgerichtshof in Karlsruhe vorgeführt
»Sächsische Separatisten« werden beim Bundesgerichtshof in Karlsruhe vorgeführt

Diesen Mittwoch tagt in dem im September neu gewählten sächsischen Landtag erstmals einer der Fachausschüsse. Das für Inneres zuständige Gremium befasst sich in einer Sondersitzung auf Antrag der AfD mit den Protesten gegen deren Bundesparteitag in Riesa und dem zugehörigen Polizeieinsatz. Leiten wird die Sitzung der neue Ausschussvorsitzende Lars Kuppi. Der AfD-Abgeordnete ist Polizist und war Landesvize der Deutschen Polizeigewerkschaft, aus der er 2020 wegen eines Auftritts mit dem aus der Partei geflogenen Neonazi Andreas Kalbitz ausgeschlossen wurde. 2022 ging er mit Querdenkern auf die Straße.

Kuppi ist einer von vier Ausschussvorsitzenden der AfD in der aktuellen Wahlperiode. Die Partei wird in Sachsen vom Landesamt für Verfassungsschutz als gesichert rechtsextremistisch eingestuft; das Oberverwaltungsgericht wies an diesem Dienstag eine Klage der AfD gegen dieses Verdikt ab, wie zuvor schon das Verwaltungsgericht. Dass die Partei im Landtag dennoch Gremien leitet und außerdem mit Carsten Hütter einen Vertreter in die Parlamentarische Kontrollkommission entsenden darf, die den Verfassungsschutz beaufsichtigt, sorgt mancherorts für Empörung. Von einer »schleichenden AfD-Übernahme in Sachsen« spricht der »Volksverpetzer«-Blog und fragt empört: »Und ihr schaut weg?«

Allerdings ist in Sachsen der Skandal gewissermaßen schon zum Normalfall geworden. Hütter war auch zwischen 2019 und 2024 schon Geheimdienst-Kontrolleur, und AfD-Vertreter leiteten ebenfalls vier Ausschüsse. Hintergrund ist, dass die Gremien von den Fraktionen nach »Stärkeverhältnis« besetzt werden, wie es in der Geschäftsordnung heißt. Die CDU, die aktuell 41 Abgeordnete stellt, leitet fünf Ausschüsse, die AfD mit 40 Mandatsträgern vier, BSW und SPD mit 15 beziehungsweise zehn Abgeordneten je einen. Grüne und Linke mit nur sieben beziehungsweise sechs Abgeordneten gehen, anders als vor der Landtagswahl, leer aus.

Wirbel gibt es im Freistaat nicht wegen der Tatsache, dass die AfD Ausschüsse leitet, sondern wegen der Frage, welche das sind und welche Abgeordneten sie leiten sollen. Die beteiligten Fraktionen einigen sich untereinander auf deren Verteilung. Die AfD erhielt jetzt erstmals Zugriff auf die Ausschüsse für Inneres sowie Verfassung. Beide wurden bisher von der CDU geführt, die aber diesmal dem Sozialausschuss den Vorzug gab. Die Abtretung an Rechtsextreme, schimpfte der Grünen-Politiker Valentin Lippmann, sei »verantwortungslos«.

Das gilt vor allem mit Blick auf eine höchst umstrittene Personalie. Ausgerechnet Alexander Wiesner soll nach dem Willen der AfD den Ausschuss für Verfassung, Recht und Europa leiten. Die Vorsitzenden der Gremien werden von den jeweils zuständigen Fraktionen benannt, eine Wahl im Plenum ist nicht vorgesehen. Wiesner, ein 35-jähriger Vermögensberater aus Oschatz, war bis vor Kurzem Landesvorsitzender der Jungen Alternative (JA), die in Bund und Land als rechtsextremistisch eingestuft ist und laut einem Beschluss des Riesaer Parteitags den Status als Jugendorganisation der AfD zum 1. April verlieren soll.

»Jetzt rächt sich, dass CDU und SPD den Vorsitz des Innen- und des Rechtsausschusses verantwortungslos der AfD überlassen haben.«

Valentin Lippmann Bündnisgrüne

Vor allem aber beschäftigte er bis vor Kurzem zwei vormalige Parteifreunde als Mitarbeiter, die inzwischen in Untersuchungshaft sitzen. Sie werden verdächtigt, als Mitglieder der vom Generalbundesanwalt als rechtsterroristisch eingestuften »Sächsischen Separatisten« Umsturzpläne verfolgt zu haben. Sie sollen geplant haben, in Teilen Ostdeutschlands mit Waffengewalt einen Staat nach NS-Vorbild zu errichten und ethnische Säuberungen vorzunehmen. Acht der 15 bis 20 Mitglieder wurden im November festgenommen.

Bei den beiden Ex-Mitarbeitern Wiesners handelt es sich um Kurt Hättasch, der im Juni in den Stadtrat von Grimma gewählt wurde, und den ebenfalls kommunalpolitisch engagierten Kevin R. Beide waren in der JA aktiv. Hättasch soll bei seiner Festnahme bewaffnet gewesen sein und erlitt eine Schussverletzung. Der AfD-Landesverband ging umgehend auf Distanz und schloss Hättasch, R. und ein weiteres Mitglied mit sofortiger Wirkung aus. Wiesner kündigte die Anstellungsverhältnisse und gab sich ansonsten ahnungslos.

Im Landtag schlagen die Wogen der Empörung dennoch hoch. Die CDU hält Wiesner für »nicht geeignet«, die SPD nennt seine Kür »völlig inakzeptabel«, die Grünen bezeichnen ihn als »nicht tragbar«, die Linke erklärt, man könne seine Benennung »nicht hinnehmen«. Luise Neuhaus-Wartenberg, deren parlamentarische Geschäftsführerin, sieht das Ansehen des Parlaments beschädigt. Einzig das BSW gab keine Erklärung zu der Causa ab. Die anderen vier Fraktionen fordern die AfD auf, einen neuen Abgeordneten zu benennen, bislang ohne Erfolg. Grüne und Linke bringen einen Abwahlantrag ins Spiel. Einen solchen müssten laut Geschäftsordnung 45 Abgeordnete beantragen, für einen Erfolg ist eine einfache Mehrheit erforderlich, die CDU, SPD, Grüne und Linke gemeinsam erreichen. Einen ersten Sitzungstermin für den Verfassungsausschuss gibt es noch nicht.

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