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Der Löwe im Film: Der Löwe ist los!
Die besten Löwen-Geschichten in Film und Literatur
Der Berliner Löwe war nur ein Wildschwein? Merkwürdig, beide Tiere ähneln sich ungefähr so wie Wolf und Dachs oder Rose und Stiefmütterchen. Hat ein rundliches Wildschwein sich erfolgreich als stolzer Löwe getarnt? Ohne definitiven DNA-Test glaube ich solchen Biedersinn nicht.
Denn nicht Wildschweine, sondern Löwen sind Meister der Tarnung. Wenn man sie sieht, ist es oft schon zu spät. Das konnte man in Stephan Hopkins »Der Geist und die Dunkelheit« von 1996 besichtigen, einem effektvollen Thriller mit Michael Douglas über zwei menschenfressende Löwen beim Eisenbahn-Bau in Uganda. Die realen Vorbilder wurden, nachdem man sie nach langer Jagd endlich erlegte, ausgestopft und ins Museum gestellt. Inzwischen hat man sie untersucht und konnte – nach über hundert Jahren – feststellen, dass einer von beiden sich »gelegentlich«, der andere »hauptsächlich« von Menschen ernährte. Der Mensch ist nun einmal leichte Beute und alles kommt drauf an, diese existenzgefährdende Tatsache zu verschleiern.
Katzen bleiben ein Mysterium. Das weiß, wer gelegentlich mit Vertretern der Hauskatze (»felis domestica«) zu tun hat. Eine Miniaturausgabe des omnipräsenten egomanen Prinzips (»Mir doch egal, wer mir die Büchse mit dem Fisch aufmacht.«), mit Anwandlungen von ägyptischer Entrücktheit, kontrastiert von vergnügungssüchtiger Aufdringlichkeit und kratzender Schroffheit. Rilke schrieb 1920 in der Schweiz seinen ersten Text auf Französisch zur Katzen-Bildgeschichte »Mitsou« des damals zwölfjährigen Balthus. Darin ging es um eine Katze, die dem Jungen erst zu und dann wieder davonläuft: »...eine Katze finden: das ist unerhört! Denn diese Katze, da sind wir uns einig, tritt niemals ganz ein in unser Leben, wie beispielsweise irgend ein Spielzeug. Noch in dem Augenblick, in dem sie euch ganz zu gehören scheint, bleibt sie ein wenig draußen.«
Katzen also bleiben Distanztiere. Wo es doch zu Annäherungen, vor allem an Großkatzen kommt, aber niemand gefressen wird, aber leicht hätte gefressen werden können, haben wir den idealen Komödienstoff, so wie in »Rette sich wer kann«, eine (auf Youtube anschaubare) Lenfilmproduktion von 1961 in der Regie von Wladimir Fetin mit dem grandiosen Jewgeni Leonow als Barkeeper Schuleikin, der eher irrtümlich eine Schiffsreise verantwortlich für die Lebendfracht von zehn Tigern und zwei Löwen antritt, die dann unterwegs von einem anarchistisch gestimmten Affen befreit werden und die Besatzung in Panik versetzen. Ein sympathischer Feigling in der Hauptrolle. Und Raubtiere, die nur spielen wollen. Das war neu nach all den steifen Heldenepen der Stalinzeit. Der Mensch ist nun mal aus opportunistischem Holz geschnitzt (wie Großkatzen offenbar auch).
Der Ruf »Der Löwe ist los!« verrät viel über unsere Bereitschaft zur Hysterie, sekundiert von einer diese vermarktenden Medienmaschine. Das wusste bereits Ernst Barlach in seinem 1921 uraufgeführten Stück »Die echten Sedemunds«, worin der alte Zirkuslöwe gestorben ist, aber das Gerücht, er könnte ausgebrochen sein und nun die Gegend unsicher machen, für erfrischende Aufregung sorgt. Wir alle, lesen wir darin, haben einen »brüllenden Löwen hinterm Rücken«, er gehöre zu uns wie ein zweites Ich. Auch die nahe liegende Frage wird gestellt, wie so ein Löwe eigentlich aussehe. Die bedenkenswerte Antwort: »Wenn er durch die Büsche schleicht, ist’s wie ein großer gelber Hund, einen großen gelben Hund haben Sie doch schon mal gesehen?« Von wegen Wildschwein.
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