- Politik
- Nordrhein-Westfalen
Deutlich mehr Wohnungslose
Sozialministerium Nordrhein-Westfalen publiziert Statistik
In Nordrhein-Westfalen (NRW) ist die Zahl der Wohnungslosen auf dem Höchststand, heißt es vom Landessozialministerium. Zum Stichtag 30. Juni 2022 hätten demnach 78 350 Menschen in NRW keine eigene Wohnung gehabt. Im Vergleich zum Vorjahr sind dies in absoluten Zahlen 30 000 Menschen mehr, gegenüber 2021 ist dies sogar ein Anstieg um 62,3 Prozent.
»Expert*innen warnen seit Jahren davor, dass dies passiert«, erklärt Hubert Ostendorf auf Nachfrage. Er ist der Gründer, Geschäftsführer und leitender Redakteur der in Düsseldorf produzierten Zeitschrift »Fiftyfifty«, die Wohnungslosen, unter anderem über den Verkauf der Zeitschrift, eine Perspektive bietet.
Ostendorf fordert daher dringend mehr Wohnungen. »Das Bauen darf aber nicht nur profitorientierten Investoren überlassen werden. Wie etwa der LEG oder Vonovia, die, wegen der gestiegenen Zinsen und der Mehrkosten für Bauvorhaben durch die Inflation, ihre Neubauprogramme sogar einstellen.«
Die massiv gestiegene Wohnungslosigkeit in NRW erklärt sich aus dem Zuzug von etwa 200 000 Geflüchteten aus der Ukraine, die an Rhein, Ruhr und Lippe im zurückliegenden Jahr aufgenommen und untergebracht worden sind. Viele Geflüchtete kommen zwar in Unterkünften des Landes und der Kommunen oder privat unter, sie werden aber trotzdem in die Wohnungslosenstatistik aufgenommen.
Aus Sicht von »Fiftyfifty« kommt hinzu, dass durch die zunehmende Verarmung großer Teile der Bevölkerung immer mehr Menschen ihre Wohnung verlieren und immer weniger Menschen mit prekären Einkommen sich keine Wohnung mehr leisten können. »Wohnungslose Menschen sind demnach stärker ausgegrenzt denn je, die Hilfesysteme sind auf diesen Anstieg nicht eingestellt. Die Tafeln etwa schlagen Alarm, dass sie nicht mehr genug Lebensmittel haben, den Ansturm zu bewältigen, die Notschlafstellen sind voll, immer mehr Menschen schlafen in Zelten draußen«, erklärt Ostendorf.
Wohnungslosigkeit kann auch schnell in Obdachlosigkeit führen. Nach Schätzungen einer vom NRW-Sozialministerium in Auftrag gegebenen Untersuchung lebten im Juni/Juli 2021 rund 5300 obdachlose Menschen auf der Straße. Um diese Straßenwohnungslosigkeit abzuschaffen, braucht es laut Ostendorf »flächendeckende Angebote von Housing First«. Gemeint sind reguläre Wohnungen mit einer Betreuung der dort wohnenden Obdachlosen.
»Wir haben in weniger als fünf Jahren bereits mehr als 100 Wohnungen in Düsseldorf für Obdachlose akquiriert, die wir zum Teil als Verein selbst besitzen oder die Mitbürger*innen gekauft haben, um sie an Wohnungslose zu vermieten«, rechnet Ostendorf vor. Gemessen am Bedarf ist das zwar immer noch wenig. Aber: »Wir haben mit dem, was wir für Wohnungslose und mit ihnen auf die Beine gestellt haben, unter Beweis gestellt, dass Housing First funktioniert. Und mehr als 90 Prozent der ›Fiftyfifty‹-Mieter*innen, die zuvor nicht die geringste Chance auf eine Wohnung hatten, behalten ihr neues Zuhause.«
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.