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Wahlen in Spanien: Das Patt ist zurück
Regierungsbildung nach dem Wahlsieg der rechten PP mehr als kompliziert
Das Feiern ließ sich die rechte Volkspartei PP nicht nehmen. »Wir haben die Wahlen gewonnen, also fällt es uns zu, eine Regierung zu bilden«, sagte Parteichef Alberto Nuñez Feijóo Sonntagnacht. Die PP wurde mit gut 33 Prozent und 136 Parlamentssitzen stärkste Partei. Die Sozialdemokraten (PSOE) von Pedro Sánchez konnten in einem polarisierten Wahlkampf zwar zwei Sitze hinzugewinnen und erreichen mit knapp 32 Prozent nun 122.
Mit »Bescheidenheit« und »aller Entschlossenheit« will Feijóo den Dialog zur Regierungsbildung aufnehmen. Sein Problem ist, dass er keine Chance für eine Mehrheit hat. Seine Zugewinne gingen vor allem auf Kosten der rechtsextremen Vox-Partei. Die PP-Abspaltung unter dem ehemaligen PP-Parlamentarier Santiago Abascal wurde zwar erneut drittstärkste Kraft, doch statt 19 bekam sie nur noch 12,4 Prozent und verlor 19 Sitze. Sie bekam noch 33 Sitze. Einer möglichen PP-Vox-Koalition, die es schon in mehreren Regionen und vielen Städten gibt, fehlen sieben Sitze zur Mehrheit von 176. Deshalb ist es ein bitterer Sieg für Feijóo, der sich sogar eine absolute PP-Sitzmehrheit wie in den großen Regionen Andalusien und Madrid erhofft hatte.
Für die Sozialdemokraten war es eine süße Niederlage. Der PSOE-Chef und Ministerpräsident Pedro Sánchez hatte nach fatalen Ergebnissen für seine PSOE bei den Kommunal- und Regionalwahlen im Mai die Wahlen eilig vorgezogen. Er konnte tatsächlich die linkere Wählerschaft angesichts der Gefahr einer Vox-Regierungsbeteiligung auf nationaler Ebene mobilisieren. Deshalb lag die Wahlbeteiligung trotz Sommerferien und Hitze mit gut 70 Prozent deutlich über den 65 Prozent zuvor. Dass die PP mit Vox paktiert, dass sich Feijóo arrogant einer Debatte im öffentlich-rechtlichen Fernsehen verweigerte und er Bildern nichts entgegensetzen konnte, die ihn im gemeinsamen Urlaub mit einem Drogenboss zeigen, hat ihm die Regierungsmacht verwehrt.
Eine hohe Wahlbeteiligung sorgte in der Vergangenheit üblicherweise für einen PSOE-Sieg. Der blieb dieses Mal aus. Die Sánchez-Regierung hat einige zentrale Wahlversprechen gebrochen. Die neoliberale Arbeitsmarktreform der PP und ihr Maulkorbgesetz wurden nicht gestrichen, sondern nur verändert und das Maulkorbgesetz sogar verschärft. Auf sozialer Ebene blieb die selbsternannte »progressivste Regierung« trotz Mindestlohnerhöhung recht blass. Zugewinne der PSOE gingen auf Kosten der Unterstützer. 2019 kamen die Parteien, die nun die neue Linkskoalition »Sumar« (Summieren) bilden, noch getrennt auf 38 Sitze. Nun sind es nur noch 31 und PSOE und Sumar kommen nur auf 153 Sitze – fünf weniger als 2019.
In Katalonien mussten alle Unabhängigkeitsparteien Federn lassen – besonders aber die Republikanische Linke (ERC), die Pedro Sánchez’ Minderheitsregierung unterstützte und ihr eine Mehrheit verschaffte. Ihr Stimmenanteil hat sich auf 13 Prozent fast halbiert. Sie verlor sechs von 13 Sitzen. In Katalonien ist die Wahlbeteiligung gegenüber 2019 um rund vier Prozentpunkte gesunken, da Anhänger der Unabhängigkeitsbewegung aus Enttäuschung gegenüber ihren Parteien eine Enthaltungskampagne gestartet hatten. Auch die Zahl der ungültigen Stimmen hat sich dort fast verdoppelt.
Die verlorenen ERC-Sitze fehlen Sánchez nun zu einer neuen möglichen Regierungsbildung. Dafür wäre er neben Sumar ohnehin neben der ERC erneut auf die baskischen Christdemokraten (PNV) und die linksnationalistische EH Bildu (Baskenland Vereinen) angewiesen. Die PNV wurde leicht geschwächt, Bildu leicht gestärkt.
Erfüllt hat sich das Szenario des katalanischen Exil-Politikers Toni Comín, das er als »deutliche Veränderung« im »nd«-Interview ins Spiel gebracht hatte. Tatsächlich liegt die Chance zur erneuten Sánchez-Regierung nun in der Hand des Exilpräsidenten und Europaparlamentariers Carles Puigdemont und dessen Partei »Gemeinsam für Katalonien« (JxCat), der auch Comín angehört. JxCat verlor einen Sitz und liegt nun mit sieben Sitzen gleichauf wie die ERC. Sánchez müsste aber mit Puigdemont verhandeln, den die spanische Justiz weiter für die Durchführung des Unabhängigkeitsreferendums 2017 verfolgt. Anders als die ERC ist JxCat nicht bereit, ihm die Stimmen ohne klare Zugeständnisse zu geben. Puigdemont erklärte: »JxCat ist nur seinen Wählern gegenüber verpflichtet.« Deshalb habe man Sánchez nicht zum Regierungschef gemacht, seinen Haushalten nicht zugestimmt oder sich an der »Dialog-Farce« beteiligt. Ohne es auszusprechen, ist klar, was er nun fordert: Ein verbindliches Referendum über die Unabhängigkeit nach Vorbild Schottlands und ein Ende der Repression.
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