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KI: Der Fortschritt als strenge Kur
Wie reaktionär und fatalistisch sind die Hoffnungen, die man sich in den USA von der Künstlichen Intelligenz verspricht?
Kürzlich warnte die Führungsriege des KI-Kapitalismus in einem Statement des »Center for AI Safety« in San Franciso vor dem existenziellen Bedrohungspotenzial ihrer eigenen Technologie. Die Gefahr, die von KI-Systemen für die Menschheit ausgehe, heißt es darin, liege auf dem Niveau von Pandemie und Atomkrieg. Unterzeichnet haben den offenen Brief unter anderem Sam Altman, Chef des KI-Unternehmens OpenAI und Demis Hassabis, Chef von Googles KI-Firma DeepMind. Altmann hatte die KI-Systeme kürzlich noch wie ein Wundermittel angepriesen, das in naher Zukunft Krankheiten heilen, unerreichten Wohlstand schaffen und der Menschheit im Allgemeinen zu einer glücklichen Existenz verhelfen soll. Jetzt anscheinend nicht mehr.
Zwischen diesen beiden Polen, esoterischer Heilserwartungen auf der einen und apokalyptischer Untergangsfantasien auf der anderen Seite, oszilliert der aktuelle Diskurs über die »Künstliche Intelligenz«. Entgegen der gängigen Interpretationen ist diese diskursive Überspannung nicht einfach als Effekt der genialischen Marketingstrategien einiger Tech-Nerds abzutun. Vielmehr liegt dem Diskurs ein fataler Technikfetischismus zugrunde, dessen Genealogie vom heutigen Silicon Valley, dem Mekka der KI-Forschung, zurück bis ins Deutschland der Weimarer Epoche führt.
Den Technikdebatten der Weimarer Republik, die maßgeblich von rechtskonservativen Denkern wie Oswald Spengler und Ernst Jünger aus dem Milieu der »Konservativen Revolution« beeinflusst waren, entsprang ein Technikverständnis, das Technik als eine selbstherrliche, unabhängig von menschlichen Zwecksetzungen agierende Instanz imaginierte. Nach den militärischen »Materialschlachten« des Ersten Weltkrieges galt Spengler und Co die Vorstellung von Technik als ein reines Instrument zur menschlichen Bedürfnisbefriedigung als nicht mehr vertretbar; doch die marxistische Deutung von Technik als gesellschaftlich vermitteltes Produktionsmittel wurde als ebenso illusorisch zurückgewiesen.
Das tatsächliche Wesen der Technik hingegen lag für diese rechten Denker in der Verwirklichung der »Urgewalt« des menschlichen Willens zur Herrschaft; beseelt von diesem unendlichen Drang nach Herrschaft, galt ihr letzter Zweck notwendigerweise dem Krieg. Spengler wie Jünger appellierten, ihrer teleologischen Technikkonzeption zum Trotz, an eine Führergestalt, der die Aufgabe zukam, die willkürlich vor sich hin rasende Technik zu bändigen. Dieser Führer sollte die Technik von der Ideologie des »Nützlichkeitsdenkens« befreien und sie dem Primat ökonomischer Prinzipien entziehen, um die so zu sich gekommene Technik sodann mit dem Menschen in einer schicksalhaften organisch-mechanistischen Gemeinschaft zu versöhnen, in der sich ihr gemeinsamer herrschaftlicher Charakter realisieren sollte.
Die Dämonisierung der Technik ist eng mit der Kritik an einer als unverfügbar wahrgenommenen Moderne zu verstehen, die auf die Erfahrungen von Angst und Ohnmacht im Angesicht technischer Zerstörungskraft im Weltkrieg zurückgehen und in einer pauschalen Absage an die Legitimität der Moderne im Sinne von Aufklärung und Liberalismus mündet. Die heroische Affirmation des technischen Fortschritts wird dann als Kur verordnet, um diesem Prozess dennoch Herr werden zu können. Hinter dem undifferenzierten Technikverständnis, dem Technik nicht als gesellschaftlich vermittelte Kulturleistung erscheint, sondern als eigenständiger Akteur, verschwindet schließlich die Ambivalenz der Moderne selbst.
Nun formiert sich ausgehend vom Silicon Valley seit Beginn der 2000er Jahre erneut eine Abwehrbewegung gegen die liberalen Errungenschaften der Moderne, die mit der Ideologie einer »Dunklen Aufklärung« zu Stichwortgebern der US-amerikanischen Alt-Right avanciert sind. Diese sich lose um den libertären Blogger und Softwareentwickler Curtis Yarvin und den Theoretiker und selbsternannten »Hyperrassisten« Nick Land sammelnde neoraktionäre Bewegung fordert die Rückkehr zur absoluten Monarchie und die Umwandlung des Staates in eine private Aktiengesellschaft. Was allzu leichtfertig als obskure Doktrin einiger rechtsextremer Spinner abgetan werden könnte, hat in den letzten Jahren weitreichenden Einfluss auf die US-amerikanische Politik genommen. Steve Bannon, der ehemalige Chefberater von Donald Trump sowie der einflussreiche Milliardär und Tech-Investor Peter Thiel gehören zu Sympathisanten dieses Milieus. Gerade Thiel stimmt seit den Anschlägen auf das World Trade Center in den Chor derjenigen ein, die, sich explizit auf Spengler beziehend, den »Untergang des Abendlandes« prognostizieren – nach dem Titel seines Hauptwerks, das vor über 100 Jahren erschien.
Den Grund für die angebliche Schwäche des Westens und der damit zusammenhängende drohende Verlust seiner globalen Vormachtstellung machen die Neoreaktionäre in der liberalen Demokratie aus. Anders als beispielsweise Francis Fukuyama, der in den 1990er Jahren in der liberalen Demokratie noch den Gipfel der Weltgeschichte ausmachte, sehen sie in ihr lediglich eine degenerative Schwundstufe einstiger westlicher Größe.
Die Reversion des vermeintlichen Bedeutungsverlustes erhofft sich Thiel durch die Abkehr vom Politischen und der völligen Affirmation der technischen Entwicklung eines akzelerierten Kapitalismus. Wie einst Spengler und Jünger drängen die Neokonservativen auf eine schicksalhafte Fusion von Technik und Natur beziehungsweise Kultur als Gegenentwurf zur Aufklärung im Allgemeinen und zur Demokratie im Besonderen.
Beschworen und herbeigesehnt wird das Erreichen der technischen Singularität, des Punktes, an dem die maschinelle die menschliche Intelligenz erstmals übertrifft und sich fortan in einem Zirkelschluss selbstständig optimiert. Verbunden mit dieser Sehnsucht nach der maschinellen Superintelligenz sind transhumanistische Fantasien vom ewigen Leben durch die Verschmelzung von Mensch und Maschine, die wiederum schnell in apokalyptische Prophetie umschlagen: Thiel, der für seine Investitionen in Tech-Unternehmen wie Facebook, Google oder OpenAI bekannt ist, bezeichnet in seinem Bestseller »Zero to One« KI als »a cosmic lottery ticket: if we win, we get utopia; if we lose, Skynet substitutes us out of existence«.
Diese fatalistische Technikaffirmation entpuppt sich dabei als Wiederkehr des fortwesenden Geistes Weimarer reaktionärer Intelligenz, die von jeher nichts anderes bereithielt als demütige Schicksalsergebenheit.
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