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Lothar Böhme: Die Strenge nimmt im Alter zu
Lothar Böhme wird 85. Die Galerie Pankow ehrt ihn mit einer Werkschau
Köpfe, weibliche Akte, Porträts sowie Landschaften und Stillleben zeigt die Galerie Pankow – eine Auswahl aus den Arbeiten des Berliner Malers Lothar Böhme, der am heutigen Mittwoch seinen 85. Geburtstag feiert. Seine Bilder beschreiben keine Ereignise, halten keine Szenen fest. Seine Frauenfiguren sind weder Göttinnen noch fordern sie den Betrachter mit der Nacktheit ihres Körpers heraus; sie sind – mitunter vergrößert zu monumentalen Formen – in einen leeren, ort- und zeitlosen Raum gesetzt.
»Ich mache immer dasselbe«, hat Lothar Böhme einmal bescheiden in einem Gespräch gesagt, »doch die Strenge nimmt im Alter zu«. Man spüre wie vordem die mit der Herausforderung zur Bewältigung eines Themas wachsenden Energien, auch die »Selbstfreude des Tuns« sei geblieben, und doch sei man anspruchsvoller: Der Maler müsse das anscheinend Sinnlose sinnvoll, das Nicht-Sichtbare mit bildnerischen Mitteln sichtbar werden lassen. Das Prinzip der Reihung und Variierung weniger Motive schließt letztlich einfache Wiederholungen und Austauschbarkeit aus. Vielmehr gilt es die Einmaligkeit, Unwiederholbarkeit existenzieller Grundsituationen einzufangen.
In der avantgardistischen Moderne war der menschliche Körper unzähligen Manipulationen ausgesetzt, er verflüchtigte sich zum vagen Erinnerungsbild oder wurde mit Präzision deformiert und in andere Funktionszusammenhänge eingewiesen. Bei Böhme ist er wieder zu einem Ruhe- und Kulminationspunkt geworden, hat plastische Festigkeit und erdhafte Schwere, aber auch eine geistige Dimension gewonnen. Ja, er kann aber auch erbarmungslose Härte und Aggressivität als Voraussetzung zur Selbstbehauptung aufweisen.
Böhme betont die formale Anordnung der Körperteile, seine Biler sind stringent strukturiert. Er mag seine Vorstellung vom Weiblichen im Bild einer ewigen, ursprünglichen Erdgöttin aus dem Reich der Demeter oder Gaia gefunden zu haben. Die Verschmelzung von Männlichem und Weiblichem aus einem anfänglichen Gegenüber in das Ineinander zu einer neuen Figuration – sind das die Rätsel, die dem Kreatürlichen aufgegeben sind? Der Maler setzt Körper und Antlitz des Menschen Strich für Strich neu zusammen, das Bildgewebe ist nicht dicht, sondern an vielen Stellen durchlässig; es scheint mitunter die Grundierung durchzuschimmern. Die Welt draußen spielt keine Rolle, der Maler ist im Dialog mit seinem Sujet – und zugleich in einem stillen Monolog. Böhme verweist immer wieder darauf, dass jedes Bild eine eigene Realität darstellt und nicht ein Blick aus dem Fenster in die sichtbare Welt ist.
Die schweren erdhaften Farben – die dunklen Braun-, Rot- und Schwarztöne, aber mitunter auch das schimmernde Blau -, die Hell-Dunkel-Reflexe wirken nicht beständig, tauchen manchmal in den Bildgrund ab, um sich dann wieder von ihm lösen. Erde, Farbe und Licht verschmelzen wie in einer erlöschenden Lavaglut ineinander. Es dominiert eine düstere, dunkle Stimmung. Bedeutet das nun Eingeschlossensein, Verzicht, Verweigerung, Abwehr oder kämpferische Entschlossenheit? Während man sich beim Betrachten von Böhmes Bildern mit dieser Frage beschäftigt, brechen plötzlich aus dem Dunkel immer wieder Lichtreflexe wie Hoffnungszeichen hervor.
Die plastisch gestalteten Körper liegen, sitzen, kauern, knien, haben die Arme erhoben, verschränkt, an den Körper gepresst oder auf die Knie gestützt, die Beine angewinkelt oder gespreizt. Es kommt zu Überschneidungen und Überkreuzungen, Sinnzeichen bestimmter Haltungen. Wie für den Bildhauer ist auch für den Maler Böhme die Haut mehr als nur Hülle. Spannung, Balance, Asymmetrie – Anklänge an Kampf und Niederlage, Abwehr und Aufgabe. Schon an der Haut ablesbar. Auf den ersten Blick mögen sich die Körper dem Verständnis der Betrachter verschließen, wie von einem Panzer eingeschlossen, das Gesicht hinter einer Maske verborgen. Sie entziehen sich einer oberflächlichen Entschlüsselung, erscheinen unwandelbar und unberechenbar. Genaues, zwei- oder dreifaches Hinsehen aber lohnt.
Böhme hat Bilder von großer Kraft geschaffen, die sich weniger auf eine äußere, mehr auf eine innere Wirklichkeit beziehen, während sie gleichzeitig virtuose Meditationen über die Malerei sind. Es geht diesem Künstler nicht darum, Gewissheiten zu vermelden, sondern Fragen zu formulieren, die an die menschliche Existenz geknüpft sind. Fragen über Verzicht und Selbstbehauptung, Leben und Tod, Gedeihen und Verderben. Seine Figuren vermitteln ein Bild des modernen Menschen, für den Stereotype und selbstverständliche Einbindungen in überlieferte, konventionelle Normen obsolet sind und der dennoch immer wieder aufs Neue sich seiner selbst vergewissern muss.
Lothar Böhme – Malerei. Galerie Pankow, Breite Str. 8, 13187 Berlin, bis 27. August, Di–Fr 12 bis 20 Uhr, Sa+So 14 bis 20 Uhr; zur Ausstellung ist ein Katalog »Böhme zeichnet« erschienen zum Preis von 15 €.
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