Klimawandel lässt Fische schrumpfen

Wärmeres Wasser könnte Geschlechtsreife der Fische und damit den Fortpflanzungserfolg beeinflussen

  • Barbara Barkhausen
  • Lesedauer: 4 Min.
Weltweit müssen Fische mit höheren Wassertemperaturen zurechtkommen.
Weltweit müssen Fische mit höheren Wassertemperaturen zurechtkommen.

Fische werden weltweit kleiner, je wärmer ihre Lebensräume sind. Damit lässt der Klimawandel die Tiere auf Dauer schrumpfen. Australische Forscher haben nun versucht herauszufinden, was genau hinter diesem »Schrumpfungstrend« stecken könnte.

Seelachs, Kabeljau und Hering – die Größe wichtiger, kommerziell genutzter Fischarten in der Nordsee ist in den 40 Jahren bis 2008 um etwa 16 Prozent zurückgegangen. In der gleichen Zeit ist die Wassertemperatur um ein bis zwei Grad Celsius gestiegen. »Der Zusammenhang zwischen wärmerem Wasser und kleinerer Größe ist allgemein bekannt, aber kaum verstanden«, sagt Timothy Clark, ein Forscher an der australischen Deakin University. Clark hat gemeinsam mit seinem Team Experimente mit Fischen in wärmerem Wasser unternommen, um zu verstehen, was genau diesen »Schrumpfungstrend« auslöst.

Grundsätzlich verbrauchen Fische in wärmerem Wasser mehr Sauerstoff. Die bisher gängigste Theorie war deswegen, dass die Tiere bei wärmerem Wasser früher an ihre Wachstumsgrenze stoßen, weil ihre Kiemen einfach nicht mithalten können. Sie können irgendwann nur noch genug Sauerstoff liefern, um den Körper am Laufen zu halten – es bleibt jedoch kein Sauerstoff mehr für das Wachstum übrig.

Die australischen Forscher haben nun Langzeitexperimente durchgeführt, bei denen Fische unter wärmeren Wasserbedingungen als normal gehalten wurden. »Wir haben auch versucht, zusätzlichen Sauerstoff bereitzustellen, um zu sehen, ob dies ihrem Wachstum zugute kommt«, erklärte Clark, der die Ergebnisse seiner Untersuchungen in einem Fachartikel im akademischen Magazin »The Conversation« zusammengefasst hat.

Gängige Theorie nicht stichhaltig

Sein Team hat regelmäßig Stoffwechselmessungen durchgeführt und die Kiemenoberfläche der Fische quantifiziert, um zu verstehen, wie gut sie Sauerstoff aus dem Wasser in den Körper transportieren können. Laut Clark deuten die Ergebnisse der Untersuchungen darauf hin, dass die bisherige Theorie »nicht stichhaltig« ist. Zwar konnten die australischen Forscher bestätigen, dass der Stoffwechsel von Fischen mit der Erwärmung des Wassers zunimmt. Gleichzeitig stellten sie aber auch fest, dass die Kiemen ausreichend wachsen, um mit dem erhöhten Sauerstoffbedarf mit zunehmender Fischgröße Schritt zu halten.

Dass die Tiere im warmen Wasser kleiner bleiben, liegt nach Meinung der australischen Forscher eher daran, dass Fische unter wärmeren Bedingungen zunächst schneller wachsen und damit auch früher die Geschlechtsreife erlangen. Möglicherweise werde die Energie – wenn Fische mit der Fortpflanzung beginnen – dann eher in die Fortpflanzung als in weiteres Wachstum gelenkt, so Clark.

Störfaktor Fischerei

In seinem Bericht nennt Clark die Fischerei als einen potenziellen Störfaktor bei den Untersuchungen, da diese häufig auf große Fische abziele. Entfernt der Fischfang größere Fische aus einer Population, kommt dies dem Überleben von Fischen zugute, die schnell heranreifen und sich früher vermehren, wenn sie größenmäßig noch kleiner sind. »Diese Eigenschaft der frühen Reifung kann über Generationen hinweg an Fische weitergegeben werden«, so Clark. »Tatsächlich kann es zu einem Phänomen kommen, das als ›fischereiinduzierte Evolution‹ bekannt ist und bei dem die ausgebeuteten Arten mit der Zeit tendenziell kleiner werden.«

Doch laut Clark lässt sich beispielsweise auch bei mehreren Fischarten in französischen Flüssen, die überhaupt nicht gefischt werden, beobachten, dass die Tiere im Laufe der Jahrzehnte kleiner geworden sind, während ihre Umgebung wärmer geworden ist. Und auch unter kontrollierten Bedingungen, wo die Wassertemperatur künstlich manipuliert wurde, um den Einfluss der Temperatur auf die Größe der Tiere zu untersuchen, werden die Fische über die Zeit tatsächlich kleiner, wenn sie unter warmen Bedingungen gehalten werden. Dies konnten Clark und sein Team selbst auch nachweisen.

Ökologische Auswirkungen

Nun könnte man denken, dass diese »Schrumpftendenz« zwar der Fischereiindustrie Sorgen bereitet, aber nicht unbedingt von Nachteil für die Tiere selbst ist. Doch dem ist laut Clark leider nicht so: »Wir wissen, dass kleinere Fische proportional weniger Nachkommen produzieren«, sagte der Forscher. Erschwerend komme hinzu, dass die Fischereiindustrie ihre Fangquoten nach dem Gewicht richte und damit auf Dauer deutlich mehr einzelne Fische gefangen würden. Ein doppelter Schlag für die Spezies: »Dies dürfte erhebliche ökologische und kommerzielle Auswirkungen haben«, schreibt Clark.

Denn Fische versorgen nicht nur Milliarden von Menschen weltweit durch Fischerei und Aquakultur mit lebenswichtiger Nahrung, sie sind auch wichtige Bestandteile aquatischer Ökosysteme. Fische sind die vielfältigste Gruppe von Wirbeltieren und reichen von winzigen Grundeln und Zebrafischen bis hin zu riesigen Thunfischen und Walhaien.

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