Blinde Flecken

Geschlechtsspezifische Medizin muss weiter aufholen

Frauen erreichen nicht nur ein höheres Lebensalter, ihr Gehirn altert auch langsamer als das von Männern.
Frauen erreichen nicht nur ein höheres Lebensalter, ihr Gehirn altert auch langsamer als das von Männern.

Frauen leben zwar im weltweiten Schnitt 4,5 Jahre länger als Männer, nicht aber unbedingt bei besserer Gesundheit. Neun Jahre verlebt die durchschnittliche Erdenbewohnerin nämlich in schlechtem Gesundheitszustand – im Vergleich zu Männern eine um 25 Prozent längere Zeit. Körperliche Beschwerden von Frauen werden nicht ernst genommen oder die Patientinnen werden angehalten, den Schmerz auszuhalten. Zu frauenspezifischen Krankheiten wie zum Beispiel der Endometriose wurde lange Zeit wenig geforscht. Und selbst Wissen über die weibliche Anatomie – wie die Unterscheidung von Vagina, Vulva und Klitoris – wird noch immer nicht ausreichend vermittelt. Bei Krankheiten, die alle Geschlechter betreffen können, sind Diagnose, Behandlung und Entwicklung neuer Medikamente oftmals an männlichen Patienten oder Probanden orientiert.

»Es ist inzwischen allgemein anerkannt, dass die unzureichende Einbeziehung und Berücksichtigung von Frauen in der medizinischen Forschung zu gesundheitlichen Ungleichheiten geführt haben, von präklinischen Studien an Zellen und Tieren bis hin zu klinischen Studien am Menschen«, schreibt ein Autorenteam um Bronwyn Graham, Professorin für Psychologie an der University of New South Wales, Sydney, in einer Sonderausgabe des Fachjournals »Scientific Reports« anlässlich des Internationalen Frauentags.

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Ein inzwischen recht bekanntes Beispiel für geschlechtsspezifische Unterschiede ist, dass Frauen zwar seltener Herzinfarkte erleiden als Männer, aber deutlich häufiger daran sterben, weil diese nicht als solche erkannt und rechtzeitig behandelt werden. Denn die Symptome eines Infarkts sind häufig ganz andere, und nicht die, die als »typisch« im allgemeinen Bewusstsein sind. Sowohl körperliche Aspekte als auch eine unterschiedliche Sozialisation im Umgang mit Krankheiten dürften eine Rolle spielen.

Doch allein Frauen und Menschen mit diversen Geschlechtsidentitäten in Studien stärker zu berücksichtigen, wird nicht reichen. Denn Frauen unterlaufen im Lauf ihres Lebens stärkeren hormonellen Veränderungen, die einen Einfluss auf ihre Gesundheit haben. So steigt das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen in der Regel erst nach der Menopause an.

Auch das Gehirn kann mit der Menopause Veränderungen unterliegen. Aktuelle Studien, die jetzt »Scientific Reports« vorgestellt werden, beschäftigen sich mit dem Zusammenhang von Menopause beziehungsweise Hormontherapie und der Akkumulation von Tau-Proteinen im Gehirn, die mit Alzheimer assoziiert wird. Forschende der University of California haben wiederum festgestellt, dass das weibliche Gehirn von Frauen unter normalen Umständen langsamer altert als das männliche. »In unseren früheren Studien haben wir festgestellt, wenn wir männlichen Mäusen ein zweites X-Chromosom hinzufügen, verbessert sich kausal ihre Kognition, und wenn wir es bei weiblichen Mäusen entfernen, verschlechtert sich ihre Kognition im Alter«, erklärte die beteiligte Neurobiologin Dena Dubal. Zu verstehen, was Frauen hier resilienter mache, könne daher auch zu einer besseren Behandlung beider Geschlechter beitragen.

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