Streit um Förderung fürs soziale Wohnen

Neue Richtlinie in Thüringen sorgt für Kritik von Verbänden

  • Sebastian Haak, Erfurt
  • Lesedauer: 3 Min.

Nur wenige Tage, nachdem eine lange erwartete Thüringer Richtlinie zur Förderung des sozialen Wohnungsbaus veröffentlicht worden ist, gibt es aus der Wohnungswirtschaft deutliche Kritik am Regelwerk. »Die Richtlinie ist wirtschaftlich veraltet, bevor sie überhaupt inkrafttritt«, sagte der Direktor des Verbands der Thüringer Wohnungs- und Immobilienwirtschaft, Frank Emrich, unserer Zeitung. Die jüngst veröffentlichte Richtlinie gehe von den Baupreisen aus, die es im Sommer 2022 gab. Inzwischen hätten sich die Kosten für alles, was mit dem Bauen zu tun habe, aber erhöht. Die Förderbedingungen müssten deshalb an die aktuellen Baukosten angepasst werden, sagte Emrich. In dem Verband sind 225 Unternehmen zusammenschlossen, die etwa 264 000 Wohnungen bewirtschaften. Etwa jeder zweite Mieter in Thüringen wohnt bei einem dieser Unternehmen.

Im Thüringer Infrastrukturministerium zeigen sich die Verantwortlichen dagegen zufrieden mit der neuen Richtlinie – und sie widersprechen der Darstellung Emrichs, mit dem Regelwerk könnten die Wohnungsunternehmen derzeit noch nicht arbeiten. Während Emrich sagte, die für dieses Jahr zur Verfügung stehenden 70 Millionen Euro zur Förderung des sozialen Wohnungsbaus in Thüringen müssten erst noch freigegeben werden und es seien auf der Seite des Landes noch Zuständigkeiten bei der Antragsbearbeitung zu klären, heißt es aus dem Ministerium, all das sei bereits erledigt worden.

Eine Sprecherin des Infrastrukturministeriums erklärte, Bauherren, die einen Antrag auf Förderung stellen wollten, könnten sich bereits bei der Thüringer Aufbaubank melden, die das Programm künftig verwalten werde. Dort würden Interessenten dann gesammelt und an das Ministerium gemeldet. Nach der Auswahl der Projekte durch das Ministerium beginne dann die Antragsbearbeitung durch die Aufbaubank. »In diesem Stadium des Interessenbekundungsverfahrens ist eine Freigabe der Mittel für den sozialen Wohnungsbau noch nicht erforderlich, da noch keine neuen Anträge vorliegen, die bewilligt werden könnten«, sagte die Sprecherin.

Über die Richtlinie zur Förderung von bezahlbarem Wohnraum wird definiert, welche Bauvorhaben für Wohnungen in Thüringen mit Geld vom Land bezuschusst werden. Ziel der Richtlinie ist es nicht nur, mehr bezahlbaren Wohnraum für Menschen mit einem geringen Einkommen zu schaffen. Über sie sollen auch Modernisierungen von Bestandswohnungen gefördert werden, wenn die Wohnungen durch die Umbaumaßnahmen energieeffizienter oder barrierefrei werden. Zuschüsse können auch Bauherren erhalten, die im Rahmen des sozialen Wohnungsbaus auf ökologisch nachhaltiges Bauen setzen oder Ortskerne aufwerten. »Gutes Wohnen darf keine Frage des Geldbeutels sein«, hatte Infrastrukturministerin Susanna Karawanskij (Linke) bei der Veröffentlichung der Richtlinie gesagt. »Gerade Bürgerinnen und Bürger mit geringen Einkommen müssen sich darauf verlassen können, dass sie auch künftig bezahlbaren und qualitativ angemessenen Mietwohnraum in Thüringen finden.«

Jenseits der Frage, wann und wie die Anträge auf Förderung gestellt werden können, kritisierte Emrich, die Veröffentlichung der neuen Richtlinie habe viel zu lange auf sich warten lassen. »Hinter uns liegen anderthalb Jahre ohne spürbare Impulse für bezahlbares Wohnen in Thüringen – das ist kein verantwortliches Regierungshandeln«, sagte er. Die neue Richtlinie hatte eigentlich schon vor mehreren Monaten inkrafttreten sollen.

Dass sich die Veröffentlichung des Regelwerks zuletzt immer wieder verzögert hatte, begründete die Sprecherin des Ministeriums damit, dass diese neue Richtlinie zwei Vorgängerrichtlinien ersetze – und dabei schlanker geworden sei. Das habe umfangreiche Abstimmungen innerhalb der Landesverwaltung, aber auch mit Vertretern der Wohnungswirtschaft notwendig gemacht. Die seien notwendig gewesen, damit die Richtlinie rechtssicher sei und das neue Förderverfahren reibungslos ablaufen könne. In Zukunft soll in der Regel maximal ein Jahr zwischen der Einreichung eines Antrages auf Fördergeld über diese Richtlinie und der finalen Entscheidung über diesen Antrag liegen.

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