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Gedenken an Bruno Schilter: Das Keglerheim wurde zum Mörderkeller

Vor 90 Jahren wurde Bruno Schilter in Friedrichshain ermordet – Initiativen gedenken seiner

  • Felix Schlosser
  • Lesedauer: 4 Min.
Das »Keglerheim« kehrte Jahrzehnte später zu seinen braunen Ursprüngen zurück. Im Jahr 2009 eröffnete dort ein Geschäft mit dem Namen »Tromsø«.
Das »Keglerheim« kehrte Jahrzehnte später zu seinen braunen Ursprüngen zurück. Im Jahr 2009 eröffnete dort ein Geschäft mit dem Namen »Tromsø«.

Über Bruno Schilter selbst ist nur wenig bekannt. Er wurde am 18. Oktober 1906 geboren und wohnte in der Friedrichshainer Tilsiter Straße 16, die heute Richard-Sorge-Straße heißt. 1925 wurde er Mitglied der KPD, des Rotfrontkämpferbundes und der Roten Hilfe. 1928 begann er bei den städtischen Gaswerken zu arbeiten. Am Abend des 31. Juli 1933 wurde Schilter nach einem Skatabend mit Freunden auf dem Petersburger Platz beim Rauchen einer Zigarette von SA-Leuten aufgegriffen.

Im Anschluss wurde er in die nahe gelegene SA-Kneipe namens »Keglerheim« in der Petersburger Straße 94 verschleppt, misshandelt und an der »Schwarzen Brücke«, heute Thaerstraßen-Brücke, durch fünf Kopfschüsse ermordet. Das »Keglerheim« bestand von 1929 bis 1935 und diente dem sogenannten Ochsensturm als beliebter Treffpunkt. Der Name »Ochsensturm« war dabei keine Selbstbezeichnung, sondern wurde von Berliner Arbeitern für Schlächter aus dem nahe gelegenen Viehhof gewählt.

Schilter war mitnichten das einzige Opfer der Nazis, das im »Keglerheim« misshandelt und ermordet wurde. Da die Verbrechen jedoch mit Billigung und Unterstützung der Polizei geschahen, ist es heutzutage unmöglich zu sagen, wie viele es genau waren. »Die Akte der Mordkommission über den Fall Schilter beweist eindeutig, dass alles nur Mögliche getan wurde, um die Mörder zu schützen«, berichtet Historiker Oliver Reschke im Gespräch mit »nd«. 49 Misshandelte seien namentlich bekannt.

Warum es Bruno Schilter getroffen hatte, ist nicht zweifelsfrei belegt. Vermutlich hängt es jedoch mit der Tatsache zusammen, dass die Nazis am 1. August mit Propagandaaktionen der KPD und ihrer Unterstützer zum Antikriegstag rechneten. Dieser wurde seit dem 10. Jahrestag des Ausbruchs des Ersten Weltkrieges am 1. August 1914 von der revolutionären Arbeiterbewegung regelmäßig abgehalten.

Um solche Aktionen zu unterbinden, führten die Nazis Massenverhaftungen, Hausdurchsuchungen, Verschleppungen und Misshandlungen durch. Davon ließen sich die Kommunisten aber nicht abschrecken. Mit einer Spontandemonstration des verbotenen Rotfrontkämpferbundes zogen am 1. August 1933 vom Baltenplatz, heute Bersarinplatz, 50 Männer mit entsprechenden Blusen, Mützen und erhobenen Fäusten am »Keglerheim« vorbei, bevor die SA reagieren konnte.

Viele dieser Informationen zu den Vorgängen im und um das »Keglerheim« stammen aus der Feder von Karl Frühholz, der Anfang der 80er Jahre im Auftrag der Geschichtskommission des damaligen Friedrichshainer Kreiskomitees der antifaschistischen Widerstandskämpfer forschte. Auf diese Forschungen aufbauend schrieb Oliver Reschke im Jahr 2004 sein Buch über den Kampf der Nationalsozialisten um den roten Friedrichshain.

Reschke stieß auf den Fall Bruno Schilters Ende der 90er Jahre im Rahmen seiner Magisterarbeit. »Meine persönliche Motivation sind die beunruhigenden Ereignisse nach der «Wende» – die sogenannten Baseballschlägerjahre«, erklärt Reschke. Mit »Baseballschlägerjahren« wird eine Welle rechter Gewalt in den 90er Jahren in Ostdeutschland bezeichnet.

90 Jahre nach dem Mord an Bruno Schilter wollen Stadtteilinitiativen nun an den Antifaschisten erinnern. Für Dienstagabend haben sie eine Gedenkkundgebung geplant. Carsten Fuchs von der Initiative Wir bleiben Alle Friedrichshain hält die Auseinandersetzung mit der Geschichte des eigenen Stadtteils für wichtig. »Damit wir wissen, woher wir kommen und wohin wir gehen, müssen wir uns auch mit der Geschichte von staatlicher Repression und dem Widerstand dagegen befassen«, sagt er zu »nd«.

Das »Keglerheim« kehrte Jahrzehnte später zu seinen braunen Ursprüngen zurück. Im Jahr 2009 eröffnete dort ein Geschäft mit dem Namen »Tromsø«, das Kleidungsstücke der neonazistischen Kleidungsmarke Thor Steinar verkaufte. Es folgten zahlreiche antifaschistische Interventionen, unter anderem Demonstrationen, eingeworfene Fensterscheiben und Flugblattaktionen.

Mit Erfolg: Das »Tromsø« musste mutmaßlich aufgrund des Drucks im September 2013 ausziehen. Heute befinden sich dort Räumlichkeiten des Friedrichshainer Gesundheitsamtes und eine Arztpraxis. Im Eingang ist darüber hinaus eine Gedenktafel angebracht, die an das »Faschistenlokal Keglerheim« und an die Misshandlungen und Ermordungen Hunderter Antifaschist*innen erinnert.

Die Stadtteilinitiativen und der Historiker Reschke finden allerdings, die Gedenktafel allein reiche nicht. »Es sollte ein Gedenkort für Bruno Schilter errichtet werden, damit er dem Vergessen entrissen wird«, fordert Fuchs. Man werde sich um einen Stolperstein an seinem letzten Wohnort in der Richard-Sorge-Straße bemühen.

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