Sozialer Wohnungsbau rückläufig

Die Ampel verfehlt Zielgrößen beim Neubau. Kritiker fordern Preisdämpfung im Bestand

  • Ulrike Wagener
  • Lesedauer: 4 Min.

Wohnen ist ein Grundbedürfnis. Dennoch entwickeln sich die Mietpreise insbesondere in den Metropolen in den letzten Jahren in exorbitante Höhen. Die Bundesregierung hat ihr Ziel laut Koalitionsvertrag, jährlich 400 000 neue Wohnungen bauen zu lassen, darunter 100 000 Sozialwohnungen, krachend verfehlt. Stattdessen wurde im vergangenen Jahr der Bau von gerade einmal 22 545 Sozialwohnungen bewilligt, wie aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linksfraktion im Bundestag hervorgeht.

»Es braucht jetzt ein öffentliches Wohnungsbauprogramm nach Wiener Vorbild und ein Sondervermögen für bezahlbares Wohnen. Ich fordere die Bundesregierung auf, endlich initiativ zu werden und mindestens 20 Milliarden Euro pro Jahr für öffentlichen sozialen und gemeinnützigen Wohnungsbau zur Verfügung zu stellen«, sagt Caren Lay, Wohnungspolitik-Expertin der Linken zu »nd«. Außerdem sollte das System der auslaufenden Sozialwohnungen aus ihrer Sicht abgeschafft werden. Aktuell können die Wohnungen nach einer bestimmten Zeit normal am Markt vermietet werden. Im vergangenen Jahr sind laut Aussage der Bundesregierung 36 500 Wohnungen aus der Preisbindung gefallen.

Als Grund für die niedrigen Neubauzahlen gibt die Ampel-Koalition die Folgen des Ukraine-Krieges an. Knappe Materialien, Fachkräftemangel und gestiegene Zinsen zählen zu den Haupthindernissen. Doch diese Entwicklungen treffen auch die Mieter*innen in Deutschland. Laut Schätzungen benötigen rund 10 Millionen Haushalte in Deutschland eine günstige Wohnung. Demgegenüber stehen aber nur eine Million Sozialwohnungen, rund 14 000 weniger als ein Jahr zuvor. Insgesamt ist die Zahl der Sozialwohnungen seit Jahren rückläufig.

Im Vergleich der Bundesländer ist die Entwicklung unterschiedlich. So gab es etwa in Hessen einen Zuwachs von knapp 1700 auf 82 172 Sozialwohnungen. In Hamburg stieg die Zahl nach einem Rückgang in den Vorjahren um gut 600 auf 81 006 Sozialwohnungen. Viele Länder hatten allerdings einen teils deutlichen Rückgang zu verzeichnen. So sank die Zahl der Sozialwohnungen etwa in Niedersachsen um fast 2600 auf 52 601 und in Berlin um rund 4500 auf 104 757.

Die meisten Sozialwohnungen insgesamt verzeichneten Nordrhein-Westfalen mit 435 025, Bayern mit 133 129 sowie Berlin. Gemessen an der Einwohnerzahl, waren Hamburg (4281 pro 100 000 Einwohner), Berlin (2790) und NRW (2398) Spitzenreiter. Die meisten bewilligten Neubaumaßnahmen im Bereich der Mietwohnungsförderung gab es in Bayern mit 4056 und in Baden-Württemberg mit 3898 solcher Maßnahmen.

Die schlechte Versorgung mit bezahlbarem Wohnraum in Deutschland ist unter anderem auf das Ende der Wohnungsgemeinnützigkeit in den 90er Jahren zurückzuführen. Der Markt wird immer stärker von renditeorientierten Fonds und Börsenunternehmen bestimmt, und die hohen Wohnungspreise haben auch die Preise für den Boden in die Höhe getrieben. Das erschwert es den Kommunen, Wohnungen preisgünstig zu bauen. Stefan Körzell, Vorstandsmitglied des Deutschen Gewerkschaftsbunds fordert den Bund daher unter anderem auf, Grundstücke anzukaufen, um sie verbilligt an Kommunen für sozialen Wohnungsbau abzugeben.

In Bayern ist in diesem Jahr nicht nur der Bau günstiger Wohnungen eingebrochen. So haben Zins- und Preisanstieg auch einen Rückgang beim Bau von Ein- und Zweifamilienhäusern zur Folge. Im frei finanzierten Wohnungsbau stellen nach Angaben von Fachleuten viele Bauträger geplante neue Mehrfamilienhäuser zurück. Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hatte kürzlich ein eigenes bayerisches Bauprogramm angekündigt, aber noch keine Einzelheiten genannt.

Der Mieterbund fürchtet negative Folgen auch für diejenigen, die bereits eine Wohnung haben: »Die fehlende Bautätigkeit führt zu noch höheren Mieten, und das in einer Zeit, in der viele Mieter bereits jetzt finanziell überlastet sind«, sagte Geschäftsführerin Monika Schmid-Balzert.

Auch Grischa Bertram, Raumforschungsexperte der Bauhaus-Universität Weimar, fordert, Bestandswohnungen stärker mitzudenken: »Wenn man mehr preisgebundenen Wohnraum haben will, reicht es nicht, sich auf 100 000 neue Wohneinheiten im Neubau zu versteifen. Die Bundesregierung sollte prüfen, wie man eine Preisdämpfung im Bestand finanzieren könnte«, sagt er im Gespräch mit »nd«. Von einer Vergesellschaftung, wie von der Initiative Deutsche Wohnen und Co enteignen in Berlin vorgeschlagen, hält er indessen wenig: »Eine Enteignung wäre teuer für die Regierung und würde die Wohnungsbaugesellschaften mit großen finanziellen Mitteln ausstatten.«

Bis jetzt gibt es kein geeignetes Mittel, um Preissenkungen für bestehende Wohnungen durchzusetzen. Die 2015 eingeführte Mietpreisbremse soll lediglich einen allzu rasanten Anstieg der Mieten in »Gebieten mit [ohnehin schon] angespanntem Wohnungsmarkt« verhindern. Mieter*innen müssen hier selbst recherchieren, ob sie zu viel Miete zahlen, und in diesem Fall die Vermietung rügen und gegebenenfalls rechtliche Schritte einleiten. Mit Agenturen

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