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Till Lindemann: Das Problem an den Rammstein-Shirts
Veronika Kracher über den Umgang mit Fans der deutschen Rockband Rammstein
Die erste Kolumne zu schreiben, ist immer schwer. Es muss schon etwas Hochtrabendes sein, das die Thematik und den Duktus der folgenden Kolumnen vorweg nimmt und zeigt: Die Leser*innen werden sich auf einen eloquenten, theoretisch versierten, reflektierten und witzigen Text zum Thema Feminismus nach dem anderen freuen können.
Deswegen hatte ich geplant, mit etwas Grundlegendem zu beginnen: einer Kolumne zum Themenkomplex materialistischer Feminismus. Über Frigga Haug wollte ich schreiben, den kontemporären Zustand vieler feministischer Diskurse kritisieren. Ein richtiger Rundumschlag sollte es werden mit finalem Appell für eine Rückkehr zum Feminismus als messerscharfe Analyse der herrschenden Kapital- und Geschlechterverhältnisse und der Übersetzung dieser Kritik in eine Praxis, die die Überwindung eben dieser Verhältnisse sich zum Ziel gesetzt hat.
Aber das muss bis zur nächsten Kolumne warten – das Thema ist ja zeitlos.
Ein aktuelleres Thema brennt mir nämlich gerade etwas mehr auf den Nägeln: Ich habe angefangen, Männer (es waren bisher ausschließlich Männer) in Rammstein-Shirts anzupöbeln. Und ich finde, dass mehr Menschen das tun sollten. Täterschützer Konsequenzen für ihr Handeln spüren lassen, ist eine Grundlage der feministischen Praxis. Rammstein-Fans haben inzwischen, nachdem Dutzende Frauen von sexuellen Übergriffen durch Sänger Till Lindemann berichtet haben und alle ihre Berichte auf ein seit Jahren bestehendes System hinweisen, das auf patriarchalem Anspruchsdenken, Verfügbarmachung von sehr jungen Frauen durch Drogen und Alkohol und sexueller Nötigung aufgebaut sein soll, jeglichen Anspruch auf Unwissenheit verloren. Wer inzwischen noch Rammstein-Merch trägt, tut dies nicht trotz der Vorwürfe gegen Lindemann, sondern wegen ihnen. Sie sagen: Wir finden sexuelle Gewalt gar nicht so schlimm, sehen sie viel mehr als etwas, das einem Rockstar wie Lindemann selbstverständlich zustehen und nachgesehen werden sollte.
So eine auf den Leib plakatierte Aussage mag ich nicht länger akzeptieren. Keine Person, die sich Feminist*in nennt, sollte so etwas mehr hinnehmen.
Wichtig ist: Diese Kritik sollte nur an sicheren Orten geübt werden, mit anderen Menschen in direkter Umgebung. Rammstein-Fans sind ausgesprochen zarte Schneeflöckchen, die nicht gut mit Kritik an ihrem Idol umgehen können. Und Sicherheit geht immer vor.
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Ich mache das inzwischen so: Ich überlege mir einen Spruch – meistens ist es etwas in der Richtung von »Ist dein ›Ich hasse Frauen‹-Shirt gerade in der Wäsche?« oder »Uff, also ich würde ja nicht so offen zugeben, dass ich einen vermeintlichen Vergewaltiger unterstütze« – und gehe nach einer kurzen Pause weiter. Bei vielen von ihnen dauert es immer etwas, bis die Kritik ankommt. Falls sie jedoch reagieren: sachlich und kühl bleiben. Siezen – das signalisiert Distanz. Der letzte Mann hat richtig angefangen, mich anzuschreien, im Supermarkt, sogar vor seinem Sohn. Frauen wie mich müsse man an die Wand stellen und erschießen. Ich habe ihm dann gesagt, wie das von außen aussehen muss: Falls er als Rammstein-Fan der Welt beweisen will, dass sich in ihren Reihen nicht nur misogyne Widerlinge befinden, ist er glorreich daran gescheitert.
Bisher kam ich damit immer gut durch. Ich habe keine Lust mehr auf dieses Gefühl zähneknirschender Ohnmacht gegenüber offensichtlichen Menschenfeinden. Dass FLINTA* (Frauen, Lesben, intergeschlechtliche, nichtbinäre, trans und agender Personen) sich ohnmächtig fühlen oder Angst vor Männern wie Rammstein-Fans haben, ist ein Kernelement patriarchaler Zurichtung. Dem verweigere ich mich.
Es wird Zeit, dafür zu sorgen, dass solche Männer (und auch Frauen – aber wieso Frauen ihre eigenen Interessen verraten, ist Thema für eine kommende Kolumne) aus Sorge, für ihr Verhalten Konsequenzen zu erfahren, sich zweimal überlegen, sich zu einem mutmaßlichen Vergewaltiger zu bekennen und ihren Frauenhass derart stolz vor sich her zu tragen. Die ersten Male haben Überwindung gekostet, aber es wurde zunehmend einfacher. Feministische Praxis kostet immer Überwindung und Mut – aber das Gefühl, etwas getan zu haben, ist so viel schöner und befriedigender als die Ohnmacht nach dem ängstlichen Schweigen.
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