Sinkende Bodenpreise und steigende Mieten in Berlin

Immobilienmarktbericht: Keine Atempause bei der sozialen Krise am Wohnungsmarkt

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 3 Min.

Am Pariser Platz in Mitte scheint die Welt für die Immobilienwirtschaft noch in Ordnung. Weiterhin ist dort jeder Quadratmeter Bauland laut Bodenrichtwertatlas 70 000 Euro wert auf Berlins teuerstem Flecken Erde. Doch ansonsten haben sich die Werte für fast alle Flächen um zehn bis 20 Prozent nach unten bewegt. Einzig beim vergleichsweise preiswerten Gewerbebauland für Produktion und Dienstleistungen gab es Wertsteigerungen. Das geht aus dem nun veröffentlichten Immobilienmarktbericht Berlin 2022/2023 hervor.

»Die Zeiten steigender Preise sind erst einmal vorbei«, konstatiert Thomas Sandner, Vorsitzender des Gutachterausschusses für Grundstückswerte in Berlin, im Vorwort. Wie lange diese Entwicklung anhalte, sei derzeit »nicht abzusehen«. Es sei »mit weiteren Preisrückgängen zu rechnen«, heißt es im Bericht.

Doch die Mieterinnen und Mieter der Hauptstadt sollten sich keine Hoffnungen machen, verdeutlicht der Berliner Mieterverein. »Trotz des Rückgangs der Verkäufe und der Umsätze rechnen wir nicht mit einer Entspannung der Mieten, denn nach wie vor befinden sich die Kaufpreise insbesondere für Eigentumswohnungen auf einem hohen Niveau. Aber der Bericht zeigt deutlich, dass die Party auf dem Immobilienmarkt für Investoren zumindest unterbrochen ist«, erklärt Geschäftsführerin Ulrike Hamann.

Hauptgrund für die sinkenden Immobilienwerte sind die gestiegenen Zinsen. Der Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU) meldete kürzlich, dass sie sich in den letzten anderthalb Jahren bis Juli 2023 auf 3,89 Prozent fast vervierfacht haben. Dazu kommen bei Mietshäusern aufgrund der absehbar hohen Investitionen zur Dekarbonisierung der Wärmeversorgung und Reduzierung des Wärmeverbrauchs laut Marktbeobachtern hohe Preisabschläge von 500 bis 1000 Euro pro Quadratmeter bei energetisch schlechtem Zustand.

Von Preisrückgängen zwischen sechs und 27 Prozent in allen Teilsegmenten berichtet der Gutachterausschuss für Immobilienwerte, im ersten Quartal sank der Immobilienumsatz um knapp 40 Prozent. Die soziale Polarisierung in der Gesellschaft zeigt sich auch hier: Einzig die Preise für sowieso sehr teure Neubau-Eigentumswohnungen sind weiter gestiegen.

Massiv kletternde Baupreise und nach wie vor anhaltende Versorgungsschwierigkeiten bei gewissen Bau- und Ausrüstungsmaterialien haben zusammen mit dem Zinsanstieg für einen Einbruch im Baugeschehen gesorgt. Deswegen rechnet das Immobilienberatungs- und -investmentunternehmen JLL im Zusammenhang mit dem starken Bevölkerungszuwachs mit weiter steigenden Mieten in Berlin. Im ersten Quartal 2023 sind laut einer jüngst veröffentlichten Auswertung die Angebotsmieten in der Hauptstadt um 16,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahresquartal gestiegen. Die Fluchtbewegung aus der Ukraine hat 2022 alleine für rund 60 Prozent des Bevölkerungszuwachses von knapp 85 000 Menschen gesorgt.

Im Bürobereich zeichnen sich dauerhaft höhere Leerstände vor allem bei älteren Gebäuden jenseits der Toplagen ab. Inzwischen schlägt die in der Corona-Pandemie auf breiter Front etablierte Homeoffice-Nutzung durch, außerdem verlassen Unternehmen aufgrund ihrer Nachhaltigkeitsverpflichtungen Häuser mit energetisch schlechtem Standard. Hier sieht JLL eine Chance zur Umnutzung in Wohnungen. Bis 2025 ließen sich nach einer aktuellen Studie in Berlin über 2500 Wohneinheiten deutlich günstiger als im Neubau schaffen.

Die Mieterinnen und Mieter werden auch angesichts der Untätigkeit des Bundes bei einer stringenten Regulierung des Wohnungsmarktes wohl weiterhin mit horrend steigenden Wohnkosten und Verdrängung konfrontiert sein.

»Insbesondere die weiterhin bestehende Gefahr der Mieterhöhungen zur Refinanzierung und der Eigenbedarfskündigungen bei bereits umgewandelten Wohnungen ist noch nicht gebannt«, erklärt Ulrike Hamann vom Mieterverein. Der kürzlich veröffentlichte neue Berliner Mietspiegel eröffne Mieterhöhungspotenziale. Der Mieterverein stelle zudem bei Neuvermietungen häufig eine Überschreitung der Mietpreisbremse fest. »Marktregulierungen bleiben daher nach wie vor ein wichtiger Schritt, um überzogene Gewinnerwartungen auf den Immobilienmärkten zu dämpfen«, so Hamann weiter.

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