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Wärmewende: Die Rückkehr der Planwirtschaft
Pioniere und Vorreiter der klimaneutralen Wärmewende finden sich in Ostdeutschland
Deutschlands älteste Tiefengeothermie-Heizwerk steht nicht etwa in der Vulkaneifel, sondern am Papenberg in Waren (Müritz). Rund 1800 Haushalte werden von ihr über ein Wärmenetz mit Energie versorgt. Bereits 1984 ging die Anlage in Betrieb – Ergebnis der technologischen Pionierarbeit von Experten des VEB Geothermie Neubrandenburg.
Als die DDR seit Ende der 1970er Jahre auf der Suche nach Alternativen zum immer teureren Erdöl und zur in absehbarer Zeit knapp werdenden heimischen Braunkohle war, gerieten auch die Erneuerbaren in den Blick. Vor allem der für Wirtschaft zuständige ZK-Sekretär Günter Mittag machte sich hierfür stark. Dabei scheiterten innovative Konzepte bei Groß- und Kleinwärmepumpen vor allem an Problemen bei der Beschaffung von Anlagenteilen. Es blieb bei einer industriellen Versuchsanlage, die bleihaltige Abluft aus den Fertigungshallen des VEB Akkumulatoren Taubenheim nutzte.
Anders die Tiefenerdwärme: Dank umfangreicher geologischer Bohrungen aus der Zeit der Suche nach Erdöl konnte ein Geothermie-Atlas fertiggstellt werden, der ein großes Potenzial in der Nordhälfte der DDR zeigte. Für den Bau von Heizwerken, die heiße Schichtwässer als Wärmequelle nutzten, wurde der VEB Geothermie Neubrandenburg gegründet. Kurz nach der Inbetriebnahme der ersten Versuchsanlage in Waren (Müritz), die ein Neubaugebiet versorgen sollte, beschloss das Politbüro eine »Konzeption zur Nutzung einheimischer geothermischer Ressourcen als Energieträger für die Wärmeversorgung«. »Der Aufwand für diese Heizzentralen ist um die Hälfte geringer als bei der Beheizung mit Rohbraunkohle«, hieß es in einem Bericht nach einem Besuch in Waren (Müritz) an den »lieben Genossen Mittag«. Darin wurden ambitionierte Ziele für die kommenden Jahre entwickelt, darunter die Wärmeversorgung der Hälfte der Bewohner der 100 000-Einwohner-Stadt Schwerin mit Erdwärme.
Vor allem aufgrund von Fachkräfte- und Materialmangel sowie fehlender Erfahrung mit technischen Problemen wurde die Planung erheblich abgespeckt. Bis 1989 gingen zwei weitere Heizzentralen in Betrieb, in Neubrandenburg und Prenzlau. Weitere waren in Bau. Trotz des innovativen Know-hows, das bis heute Experten auch aus dem Ausland nach Waren lockt, fiel das Vorhaben komplett der Wende und dem Treuhand-Kahlschlag zum Opfer. Tiefenbohrungen wurden verschlossen, die Erkenntnisse wurden kaum weiter genutzt. Aktuell sind bundesweit lediglich zehn Heizkraftwerke, die auf Tiefengeothermie setzen, in Betrieb.
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Das Beispiel zeigt die Vorteile einer Planwirtschaft, wenn es um eine Energiewende geht. Beschluss und Umsetzung geschehen zeitnah, während in der Marktwirtschaft vieles dem Zufall, politischen Kräfteverhältnisse oder wirtschaftlichen Interessen überlassen bleibt. Das soll sich bei der Wärmewende nun ändern: Die Bundesregierung macht die Planung zur Pflicht, dezentral auf kommunaler Ebene. Zentrale Rolle sollen dabei Fern- und Nahwärmenetze spielen, deren Bedeutung man in der Bundesrepublik erst langsam erkennt. Auch hier war die DDR vorne dran, wo Neubaugebiete meist an ein Netz angebunden wurden. Das macht sich bis heute bemerkbar: Nach Daten der Deutschen Energieagentur ist im Osten fast jeder dritte Haushalt an ein Wärmenetz angeschlossen, im Westen nur jeder Zehnte.
Bisher ist laut dem Deutschen Städtetag allerdings die Hälfte der Städte gerade einmal dabei, erste Schritte für eine Wärmeplanung zu sondieren, einige haben noch nicht einmal damit begonnen. Wo sich etwas tut, liegt das an landesgesetzlichen Vorgaben. So müssen etwa in Baden-Württemberg größere Städte bis Ende dieses Jahres einen Wärmeplan vorlegen, in Schleswig-Holstein bis Ende 2024.
Der Vorreiter unter den Großstädten findet sich auch hier im Osten: In Rostock wurde ein Wärmeplan nach 22-monatiger Arbeit bereits im Juni 2022 beschlossen. Vorangetrieben vom damaligen Oberbürgermeister Claus Ruhe Madsen, in dessen Geburtsland Dänemark kommunale Wärmepläne nach den beiden Ölkrisen bereits 1979 verpflichtend wurden. Aktuell werden in der Hanse- und Universitätsstadt rund zwei Drittel der Haushalte über Fernwärme aus Erdgas- und Steinkohlekraftwerken versorgt. Ziel ist eine klimaneutrale Versorgung bis 2035. »Bei der Erstellung des Wärmeplans wurde untersucht, welche Energiequellen aus Abwärme, Umweltwärme und Biomasse genutzt werden können und wie groß der Bedarf an Flächen zur Wärmeerzeugung sowie für die saisonale Wärmespeicherung ist«, erklärte Infrastruktursenator Holger Matthäus bei der Vorstellung. »Die Möglichkeiten zur Reduzierung des Wärmebedarfs durch Gebäudesanierungen und moderne Haustechnikkonzepte wurden bewertet.«
Der Plan favorisiert künftig fünf Erzeugerparks, mit denen »eine klimaneutrale Wärmeversorgung innerhalb des bestehenden Fernwärmenetzes und eines kapazitätsbedingt begrenzten Netzausbaus bis 2035 realisierbar wären«. Abwärme aus Industrie und Müllverbrennung, Großwärmepumpen, die Ostsee- und Flusswasser nutzen, grüner Wasserstoff, Solarthermie, Biomethan, saisonale Großspeicher und ein angepasstes Stromnetz für Kleinwärmepumpen sollen den Energiemix bilden. Bei der Umsetzung in den sind eine unabhängige Begleitung durch einen Wärmebeirat sowie Bürgerbeteiligung geplant.
Das Beispiel zeigt, wie heterogen die Wärmewende gemäß lokal sehr unterschiedlicher Bedingungen sein wird. Auch wenn es bis Waren (Müritz) nicht einmal eine Stunde mit dem ICE ist, wird Rostock wohl nicht auf Tiefengeothermie setzen. So heißt es im Wärmeplan: »In Anbetracht der Erschließungskosten und der begrenzten thermalen Kapazität des Untergrundes wird die Tiefengeothermie in der Energiesystemmodellierung zunächst nicht weiter berücksichtigt.«
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