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Spätis in Pankow: Bitte nicht im Sitzen trinken
Interessensvertretung der Betreiber*innen beklagt drohendes Verbot von Draußen-Sitzmöglichkeiten in Pankow
Manuela Anders-Granitzki (CDU) erfrischt sich in Pankow anscheinend lieber im Stehen. Die Bezirksstadträtin, stellvertretende Bezirksbürgermeisterin und Zuständige fürs Ordnungsamt in Pankow, hat Anfang Juli im Ausschuss der Bezirksverordnetenversammlung eine Änderung des Sondernutzungskonzepts für Gehwege angekündigt. Dieses soll ein Verbot von Sitzmöglichkeiten und Tischen vor Spätis in Pankow beinhalten. Dagegen regt sich Wut und Widerstand. Aber manche freuen sich auch, sollte das Verbot wirklich durchgesetzt werden.
Alper Baba ist Vorsitzender der 2016 gegründeten Interessenvertretung Berliner Spätis. Er ist über die politischen Bemühungen der neuen Regierung verärgert, aber wenig überrascht. »Manuela Anders-Granitzki stellt sich ganz klar in die Tradition ihres Vorgängers Daniel Krüger von der AfD«, sagt er zu »nd«. Laut Baba sehen beide in den migrantisch geprägten Späti-Betreibenden ein Problem. Berliner Spätis will gegen die Neuregelung klagen und Baba fragt sich, ob nicht sogar auf Landesebene entschieden werden könne. Momentan ist die Verordnung über die Nutzung der Gehwege für Gastronomie-Betreibende Bezirkssache.
Pankow trägt mit seiner Späti-Dichte ein Erbe aus DDR-Zeiten, in denen seit den 50ern der sogenannte Spätverkauf der Versorgung von Schichtarbeitenden diente. Heute tümmelt sich hier ein buntes Publikum. Reno, regelmäßiger Gast im Späti in der Winsstraße in Prenzlauer Berg, nennt es die »typische Berliner Kultszene«. Er sitzt gern vorm Späti, sagt er zu »nd«, da die meisten Kneipen »überfüllt und nicht so entspannt« sind und weil sich hier »alle ausm Kiez kennenlernen«.
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Sein Freund Justin arbeitet in dem Späti in der Winsstraße und ergänzt: »Viele Leute, die kein Geld haben, haben wenig Möglichkeiten zum Genuss. Aber hier können sie ihn sich leisten. Touristen kommen extra zu uns, weil sie nach dem ›Späti-Erlebnis‹ suchen.« Beiden ist klar, dass Spätis Sitzgelegenheiten zum Verweilen brauchen und ein Qualitätsmerkmal von Berlin sind.
Im Namen der Stärkung der »Aufenthaltsqualität« kündigte das Bezirksamt Pankow noch im Frühjahr die Errichtung zahlreicher Sitzbänke für 2023 an. Nun plant das Straßen- und Grünflächenamt ein neues Konzept zur Sondernutzung von Gehwegen, welches das Verbot von Sitzgelegenheiten vor den Spätis in Pankow beinhalten soll. Auf Anfrage des »nd« haben weder das Bezirksamt Pankow noch Manuela Anders-Granitzki Aussagen zum Anlass einer Erneuerung des Konzepts gemacht.
Unklar ist auch, ob und wenn ja, wie viele Beschwerden aufgrund von Lärmbelästigung tatsächlich vorliegen. Laut Recherche des »RBB« gibt es in vielen anderen Bezirken wie Neukölln, Marzahn-Hellersdorf oder Lichtenberg gar keine oder nur vereinzelte Beschwerden beim zuständigen Ordnungsamt. Späti-Angestellter Justin beklagt, dass die Anwohnenden sich angewöhnt haben, direkt die Polizei zu rufen, anstatt mit ihm ins Gespräch zu kommen. »Wir gehören doch alle zum Kiez.«
»Es mag sein, dass einzelne Spätis sich nicht an die Regeln halten und eine große Lärmbelästigung im Kiez darstellen. Aber das sind Einzelfälle und diese können auch als solche behandelt werden«, erklärt Alper Baba. Es sind vor allem die ökonomischen Folgen, die dem Interessenverbund der Berliner Spätis Sorge bereiten, sollte das Verbot durchgehen. »Viele Betreibende überlegen bereits zu verkaufen und haben Angst, schließen zu müssen, wenn das Verbot rechtsgültig ist. Jetzt sollte sich die Politik fragen, ob es sinnvoll ist, dass die Späti-Betreibenden nachher vorm Jobcenter stehen und auf staatliche Unterstützung angewiesen sind.« Nicht zufällig fällt das Gründungsdatum des Vereins auf das 2016 beschlossene Verbot der Sonntagsöffnung für Spätis. Im Zuge dessen haben laut Verein 800 Betreibende ihren Arbeitsplatz verloren.
Senad ist Inhaber des Spätkaufs in der Winsstraße. Er macht sich über die finanziellen Folgen eines möglichen Verbots keine Sorgen. »Was passieren wird und schon passiert, ist, dass die Hinterzimmer der Spätis genutzt werden. Was hat die Politik davon, so ein Verbot auszusprechen? Das ist Berlin, die Leute nehmen sich die Straße eh.« Er befürwortet das geplante Verbot, weil dann in seinem Späti ohne Hinterzimmer »die Alkoholiker, die nicht aufhören können, zu trinken, weg sind.«
Reno erzählt, dass er sogar eine »Demo für den Erhalt der Sitzgelegenheiten vor Spätis« organisieren würde. Er hat die Petition »Sitzverbot vor Pankower Spätis verhindern!« auf der Online-Aktivismus-Plattform change.org unterzeichnet. Ein erstes Ziel der Petition ist das Sammeln von 5000 Unterschriften, welches innerhalb von drei Wochen bereits zu mehr als 70 Prozent erreicht wurde.
Auch Alper Baba berichtet von politischem Widerstand: »Wir sind in Kontakt mit allen Parteien.« Sowohl SPD als auch Linke sprechen sich öffentlich gegen das geplante Verbot aus. Genauso wie die FDP, welche zuletzt im Bezirk Mitte eine Aufhebung des Verbots erzielt hat. »Aber am Ende kannst du dich auf die nicht verlassen. Die Politik in Berlin ist momentan das Letzte – es gibt keine Klarheit. Wir müssen selbst aktiv werden,« betont Baba.
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