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Die Linke: Immer weiter in die Krise
Nach Rückzugsankündigung von Mohamed Ali warnt Ko-Fraktionschef Bartsch vor Ende der Fraktion
Die Erklärung, in der Amira Mohamed Ali am Sonntag mitteilte, sie werde am 4. September nicht erneut für das Amt der Ko-Chefin der Linksfraktion im Bundestag antreten, wirft Fragen auf. Denn es scheint so, als habe sie nur wenige der vielen Konzepte und Positionspapiere des amtierenden Bundesvorstands, der Bundestagsreden und Interviews der Ko-Vorsitzenden der Partei, Janine Wissler, zur Kenntnis genommen. Denn vorrangig geht es darin um Opposition gegen das Aufrüstungsprogramm der Bundesregierung, um Klimaschutzmaßnahmen, die die Lohnabhängigen nicht belasten, um Umverteilung nach unten und hohe Abgaben für Konzerne.
Bei all diesen Themen vermisst Mohamed Ali eine klare Positionierung des Vorstands. Deshalb könne sie dessen Politik nicht mehr als Mitglied der Fraktionsspitze mittragen, bekräftigte sie am Dienstag noch einmal im Deutschlandfunk. Zugleich hielt sie sich in dem Interview bedeckt, was ihre Zukunft als Mitglied der Linksfraktion wie auch der Partei betrifft. Auf die Frage, ob sie ihrer Amtsvorgängerin Sahra Wagenknecht in eine neue Partei folgen würde, antwortete sie: »Ich bin Mitglied der Linken, ich bin Mitglied der Fraktion. Das ist der jetzige Stand, und was die Zukunft bringt, wird man sehen.«
Zudem bekräftigte die Politikerin ihre Kritik am Beschluss des Parteivorstands vom 10. Juni, in dem dieser an Sahra Wagenknecht und Unterstützer appelliert hatte, ihre Bundestagsmandate zurückzugeben – sofern sie die Gründung einer neuen Partei anstrebten. Dass die Nutzung von Ressourcen der Partei und der Bundestagsfraktion für diesen Zweck inakzeptabel sei, hatten auch Ko-Fraktionschef Dietmar Bartsch und der frühere Fraktionsvorsitzende Gregor Gysi betont. Letzterer hatte sich in den letzten Monaten immer wieder bemüht, das zerrüttete Verhältnis zwischen der Partei und Wagenknecht zu kitten. Unter anderem hatte er das von ihr und Alice Schwarzer initiierte Manifest für Frieden und gegen weitere Waffenlieferungen an die Ukraine vom 10. Februar mit unterzeichnet.
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Gysi wie Bartsch hatten zudem mehrfach gemeinsam mit Prominenten aus der Partei an alle Seiten appelliert, die Partei nicht durch unproduktiven Streit aufs Spiel zu setzen. Doch im April kündigte Wagenknecht erstmals an, sie werde bis zum Herbst entscheiden, ob sie gemeinsam mit anderen eine Alternative zur Linken neu gründen wolle. Zuvor hatte sie bereits klargestellt, dass sie nicht mehr für Die Linke kandidieren werde.
Mohamed Ali bezeichnet den Beschluss, mit dem der Vorstand auf diese Entwicklung reagierte, als »unsolidarisch« – und betonte, Wagenknecht und andere seien »aufgefordert« worden, ihre Mandate niederzulegen, ohne den Kontext zu erwähnen.
Die Existenz der Bundestagsfraktion ist nicht nur wegen der möglichen Parteineugründung in Gefahr. Dietmar Bartsch warnte gegenüber dem »Tagesspiegel«: »Wenn drei Abgeordnete unsere Fraktion verlassen, muss die Fraktion nach gesicherter Rechtsprechung liquidiert werden. Das wäre verantwortungslos.« Sollte Wagenknecht einen solchen Schritt gehen, dürften ihr mit hoher Wahrscheinlichkeit sogar mindestens fünf weitere Abgeordnete folgen, darunter der frühere Parteichef Klaus Ernst, Sevim Dağdelen und Alexander Ulrich. Ernst, aber auch die Abgeordnete Heidi Reichinnek und andere hatten Bedauern über Mohamed Alis Schritt geäußert. Zugleich teilen sie ihre Kritik am Vorstand.
Die Gefahr, dass Die Linke zerfällt, sieht Bartsch indes bislang nicht. »Es wird keine Spaltung der Linken geben. Wir sind in unserer Kernsubstanz stabil. Ich will, dass Die Linke gemeinsam agiert«, sagte er. Eine Spaltung würde nur Konservative und Rechte stärken, mahnte er.
Bartsch führt die Fraktion seit 2015 – zunächst mit Wagenknecht, seit 2019 mit Mohamed Ali. Nach der Bundestagswahl 2021, bei der Die Linke mit einem Ergebnis von 4,9 Prozent nur dank dreier Direktmandate erneut eine Fraktion bilden konnte, gab es aus dem Bundesvorstand und den Ländern Forderungen nach einem personellen Neuanfang an der Fraktionsspitze.
Der ehemalige Vorsitzende der Linken, Bernd Riexinger, fordert eine »offene Diskussion darüber, wie es weitergehen soll«. Bei der Klausurtagung der Fraktion Ende August bestehe dazu Gelegenheit, so Riexinger gegenüber den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland. »Ich hoffe, die Fraktion wählt eine Führung, die eng mit der Parteispitze kooperiert. Dass das bisher nicht passiert ist, war Teil unserer Misere.«
Zu jenen, die sich zuletzt zu einem Verbleib in Partei und Fraktion bekannt hatten, gehört deren Ostbeauftragter Sören Pellmann. Er hatte bei der Bundestagswahl sein Direktmandat in Leipzig verteidigen können. Am Dienstag sagte Pellmann der Deutschen Presse-Agentur, es bestehe weiter die Chance, Wagenknecht in die Arbeit von Partei und Fraktion »wieder einzubinden«. Den Linke-Vorstand forderte er auf, den Beschluss »gegen Wagenknecht« rückgängig zu machen. Mohamed Alis Rückzug sei »ein klares Warnsignal an den Parteivorstand, nicht in seiner Position zu verharren«.
Eine Möglichkeit wäre aus Pellmanns Sicht, dass Wagenknecht für Die Linke als Spitzenkandidatin in die Europawahl 2024 zieht. Das werde beim Parteitag zur Europawahl im November mit Sicherheit noch einmal Thema. »Der Augsburger Parteitag hat das Potenzial, Geschichte für die Partei zu schreiben«, sagte Pellmann. Der Parteivorstand hat allerdings bereits andere Vorschläge für den Europa-Wahlkampf gemacht. So soll die parteilose Flüchtlings- und Klimaaktivistin Carola Rackete neben dem Kovorsitzenden Martin Schirdewan auf einem Spitzenplatz kandidieren.
Pellmann schließt nicht aus, dass er selbst für den Fraktionsvorsitz kandidiert. Er wolle aber nicht antreten, wenn Dietmar Bartsch sich erneut zur Wahl stelle, betonte er. Bartsch hat sich diesbezüglich noch nicht festgelegt.
Pellmann forderte am Dienstag außerdem einen Parteikonvent zur Beilegung der Konflikte in der Partei. Er sagte dem MDR, er rufe den Parteivorstand und die Fraktion auf, »sich zusammenzuraufen und zu einem Parteikonvent zusammenzufinden – noch vor der Neuwahl des Fraktionsvorstandes und vor dem Bundesparteitag, der im Herbst stattfindet«. Pellmann mahnte ein geeintes Auftreten an: »Gemeinsam heißt, dass alle in der Partei – und damit meine ich auch Sahra Wagenknecht – zusammenwirken«, betonte der Leipziger Abgeordnete. Nur dann habe Die Linke eine Zukunft.
Die Linke-Kovorsitzende Janine Wissler zeigt sich offen für Pellmanns Idee. Sie begrüße diese, erklärte sie gegenüber der Deutschen Presse-Agentur. »Die Verantwortlichen aus den Ländern, von der Bundesebene und der Bundestagsfraktion zeitnah zusammenzuholen – notfalls aufgrund der Ferienzeit online –, und das möglichst noch vor der Fraktionsklausur, ist ein vernünftiger Vorschlag, den wir beraten werden.«
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