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- Videoüberwachung aus der Luft
Drohung mit Drohnen
In Sachsen werden Fußballfans und unangemeldet Feiernde aus der Luft beobachtet
Als erstes deutsches Bundesland hat Sachsen 1996 die stationäre Videoüberwachung auf öffentlichen Plätzen eingeführt, ein Pilotprojekt dazu startete in Leipzig. Auch bei fliegenden Kameras war das Bundesland Pionier: 2008 kündigte der damalige Innenminister Albrecht Buttolo (CDU) den Kauf zweier Polizeidrohnen an. Einsätze der Senkrechtstarter seien bei Fußballspielen oder Demonstrationen geplant, so der Minister, etwa um »Rädelsführer in der Menschenmenge« zu identifizieren und beweiskräftige Bilder bei Gericht vorlegen zu können. Bei Entführungen und Geiselnahmen sollten die »fliegenden Polizeispäher« ebenfalls genutzt werden, ergänzte ein Sprecher aus dem Staatsministerium des Innern.
2008 waren derartige Quadrokopter noch nicht im Elektronikmarkt zu kaufen und dementsprechend teuer: Für die unbemannten Fluggeräte hat Sachsen damals 65 000 Euro ausgegeben. Diese »Sensocopter« wurden vom Überlinger Rüstungskonzern Diehl BGT Defence für militärische Zwecke entwickelt und später von der Firma Microdrones aus Kreuztal produziert und vermarktet.
2022 verfügte die sächsische Polizei über 21 Drohnen verschiedener Größe – ein deutlicher Aufwuchs, denn im Jahr zuvor sollen es nur acht gewesen sein. Laut der aktuellen Antwort auf eine jährlich neu gestellte Kleine Anfrage der Linke-Abgeordneten Kerstin Köditz stammt über die Hälfte der Flotte vom chinesischen Hersteller DJI. Die Firma ist für Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben inzwischen zum weltweiten Marktführer geworden. Auch das 2008 beschaffte schwergewichtige Modell »Sensocopter« von Microdrones befindet sich weiterhin im Bestand der sächsischen Polizei, allerdings wurde das Gerät zuletzt 2019 erneuert.
Betrieben und gewartet werden die Flugdrohnen vom Polizeiverwaltungsamt in Dresden, dort können einzelne Dienststellen des Bundeslandes Einsätze beantragen. 15 Beamte und zwei Tarifbeschäftigte sind dem Staatsministerium zufolge zur Bedienung ausgebildet worden. Der Pilot trägt dabei mitunter eine Brille, auf der als sogenannte Egoperspektive das Livebild der Drohnenkamera eingespielt wird.
»Niemand muss Angst haben, dass dieses Gerät durch die Straßen fliegt und in seine Fenster schaut«, hatte der Pressesprecher der Landespolizeidirektion bei der Einführung der Polizeidrohnen 2008 beschwichtigt. Tatsächlich erfolgen die Einsätze heutzutage nicht anlasslos, sondern etwa zur Ermittlung von Brandursachen, zur Suche nach Vermissten oder zur nachträglichen Aufnahme von Tatorten aus der Luft.
2022 hat die sächsische Polizei auch ihre zehn Jahre zuvor angeblich eingestellten Einsätze zur Beobachtung von Fußballspielen wieder aufgenommen. In vier Fällen wurden die Drohnen im vergangenen Jahr zudem zur »Kriminalitätsbekämpfung« nach Polen gebracht.
Für ein Viertel der insgesamt 41 Flüge im vergangenen Jahr gibt die Landesregierung als Zweck »polizeiinterne Dokumentation« an. Derartige Flüge erfolgten »für uns selbst«, erklärt ein Sprecher des Polizeiverwaltungsamtes dazu auf Anfrage des »nd«. Weitere sechs Einsätze dienten laut der Antwort auf die jüngste parlamentarische Anfrage der polizeilichen »Öffentlichkeitsarbeit«. Zusätzliche Flüge in Liegenschaften der Polizei erfolgen zur Aus- und Fortbildung sowie für die »Baudokumentation«; diese werden aber in keiner Statistik dokumentiert.
Die Kosten seiner kleinen Drohnenflotte gibt das Bundesland im Doppelhaushalt für 2021 und 2022 mit insgesamt 40 000 Euro an. Jeder einzelne der 82 in den beiden Jahren geflogenen Einsätze kostet die Polizei also umgerechnet rund 500 Euro – das Gehalt für die Einsatzzeiten der Bediener nicht eingerechnet. Gemessen an den dabei absolvierten 7488 Flugstunden sind diese mit etwas mehr als fünf Euro pro Stunde jedoch vergleichsweise günstig. Drohnen seien deshalb »eine leichtgewichtige Ergänzung zum Polizeihubschrauber« und auch deutlich leiser, erklärt eine Sprecherin der Leipziger Polizei auf Anfrage des »nd«.
Die Leipziger Polizeidirektion Süd-Ost will die »Polizeispäher« jetzt auch zur Verfolgung von »nicht legalen Musik- und Tanzveranstaltungen in nicht leicht zugänglichem Gelände« nutzen. Ein erster derartiger nächtlicher Einsatz fand vor drei Wochen im Süden der Landeshauptstadt mit fliegenden Infrarotkameras statt.
Immer öfter erfolgten die Drohnenflüge zur Gefahrenabwehr, »also präventiv«, kritisiert die Leipziger Landtagsabgeordnete Juliane Nagel (Linke) die Maßnahme gegenüber dem »nd«. Dies könne »ein Vorgeschmack darauf sein, was uns angesichts des Kontroll- und Überwachungswahns der Sicherheitsbehörden durch den Einsatz von technologisch immer ausgefeilteren Drohnen bevorsteht«.
Der nächtliche Einsatz im Wald blieb allerdings ohne Erfolg, denn am entsprechenden Wochenende hätten im Waldgebiet keine Feiern stattgefunden, so die Polizeisprecherin zum »nd«. Vielleicht habe dafür allein die Drohung mit der Drohne ausgereicht: »Ob dabei bereits die doch intensiver erfolgte mediale Ankündigung im Vorfeld eine präventive Wirkung entfaltete, ist zwar nicht überprüfbar, aber doch möglich.«
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