Paraguay: Ein Freund Taiwans

Paraguays neuer Präsident Santiago Peña hält an Anti-China-Politik fest

  • Jürgen Vogt, Buenos Aires
  • Lesedauer: 4 Min.

»Der Staat ist das einzige Instrument, das wir für eine wirksame Bekämpfung der organisierten Kriminalität haben«, sagte Paraguays scheidender Präsident Mario Abdo Benítez während seiner Abschiedstour am Wochenende. Am Dienstag wird er sein Amt an seinen Nachfolger Santiago Peña übergeben, und kaum jemand zweifelt daran, dass seine Worte vor allem an diesen gerichtet sind.

Der rechts-konservative Santiago Peña hatte die Präsidentschaftswahlen Ende April mit einem überraschend deutlichen Ergebnis von 43 Prozent der Stimmen gewonnen. Der Zweitplatzierte erhielt lediglich 28 Prozent. Sowohl Abdo Benítez als auch Peña gehören der Colorado-Partei an, die das Land seit 75 Jahren bis auf eine Unterbrechung (2008 – 2013) regiert und auch die Mehrheit in beiden Kammern des Kongresses hält. Allerdings gehören sie zu verschiedenen Parteiflügeln, die sich nicht gerade freundlich gesonnen sind.

Der 44-jährige Peña ist der politische Ziehsohn des ehemaligen Präsidenten Horacio Cartes (2013 – 2018), dessen Finanzminister er war. Cartes, seit Jahresbeginn Vorsitzender der Colorado-Partei, ist in den USA wegen Behinderung internationaler Ermittlungen gegen das organisierte Verbrechen angeklagt worden. Die Anklage betrifft die mutmaßliche Geldwäsche und Verbindungen zu terroristischen Organisationen. Seit Januar steht sein Namen auf einer Sanktionsliste des US-Finanzministeriums.

Doch Peñas Amtsantritt sorgt noch aus einem anderen Grund für geopolitische Spannungen. Die USA haben China davor gewarnt, die Anwesenheit des taiwanesischen Vizepräsidenten William Lai bei Peñas Vereidigung als »Vorwand für provokative Aktionen« zu nutzen. Lai will mit seinem Beisein »die Wichtigkeit von Taiwans diplomatischen Beziehungen zu Paraguay betonen«, so Taiwans Vize. Paraguay ist das einzige südamerikanische Land mit diplomatischen Beziehungen zu Taiwan, eines von nur 14 in der Welt.

Die Verbindung mit Taiwan hat historische Wurzeln. 1957 beschloss der damalige Diktator Alfredo Stroessner, diplomatische Beziehungen zu Taiwan aufzunehmen, da beide Länder eine starke antikommunistische Agenda verfolgten. Trotz zunehmender Kritik, vor allem aus dem Lager der großen Agrarproduzenten, hatte Peña bereits im Wahlkampf versichert, dass er an den Beziehungen festhalten werde. Nach seinem Triumph war er demonstrativ nach Taiwan gereist.

Der Druck der Sojaproduzenten, von der Taiwan-Politik abzurücken, ist groß und zugleich scheinheilig. Denn dass paraguayisches Soja indirekt doch nach China gelangt, ist bekannt. Einer der vielen Umwege führt über die argentinischen Biodieselfabriken in Rosario. Dort wird auch Soja aus Paraguay zu Öl oder Granulat verarbeitet und nach China verschifft. »Wir haben keine Beschränkungen für den Handel mit China«, sagte Peña und beklagte, dass es Peking ist, das »Beschränkungen« auferlegt, mit denen es einen Bruch mit Taiwan erzwingen will.

Peña übernimmt ein Land, dem Wirtschaftsanalysen ein jährliches Wachstum von rund vier Prozent bescheinigen. Die allgemeine jährliche Inflationsrate ist mit fünf Prozent akzeptabel, und die Unternehmen genießen eine der niedrigsten Steuerbelastungen in der Region. Der Staat generiert seine größten Steuereinnahmen durch die Mehrwertsteuer. Die Mehrwertsteuer muss von allen gezahlt werden, belastet aber vor allem die unteren Einkommensschichten. Die soziale Ungleichheit hat in den vergangenen zehn Jahren stetig zugenommen und spiegelt sich in den glitzernden Fassaden der Wolkenkratzer und ihrem Kontrast zu den prekären Behausungen in den Armensiedlungen der Hauptstadt wider.

Mindestens ein Drittel der knapp sieben Millionen Paraguayer*innen lebt in Armut und hat mit einer anderen Inflationsrate zu kämpfen: Der Wert des Basiswarenkorbs Warenkorbs ist in den letzten zwölf Monaten um rund 30 Prozent gestiegen. Viele Familien sind auf die Remesas angewiesen, die monatlichen Geldüberweisungen ihrer im Ausland arbeitenden Familienangehörigen, deren Zahl deren Zahl auf 1,5 Millionen geschätzt wird.

Und Paraguay ist eines der Länder der Welt mit der größten Ungleichheit beim Landbesitz. Nach UN-Angaben besitzen 2,5 Prozent der Bevölkerung 85 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche. Wenn keine Rinder darauf weiden, werden Mais und vor allem Soja angebaut. Heute ist Paraguay der sechstgrößte Sojaproduzent der Welt und der viertgrößte Exporteur.

Fleisch- und Sojaexporte sind eine wichtige Quelle für den ungleich verteilten Reichtum und verursachen zudem immense ökologische Kosten. Viehzucht und Ackerbau sind die treibenden Faktoren für die legale und illegale Entwaldung, vor allem im Gran Chaco. Von 2017 bis 2020 wurden dort mindestens 670 000 Hektar Wald gerodet, heißt es in einem Bericht des nationalen Waldinstituts. Der Gran Chaco ist nach dem Amazonas das zweitgrößte Waldökosystem in Südamerika.

Dass der neue Präsident Santiago Peña die Entwaldung nicht stoppen wird, hat er mit seinen kritischen Anmerkungen zu Waldschutzforderungen der Europäische Union beim geplanten Freihandelsabkommens zwischen der EU und der südamerikanischen Wirtschaftsgemeinschaft Mercosur bereits angedeutet. »Die EU muss klarzustellen, ob sie mit einem Freihandelsabkommen vorankommen will oder nicht. Ihre Forderungen würden die wirtschaftliche Entwicklung des Sojaexporteurs Paraguay behindern«, so Peña.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.