Netflix-Serie »Painkiller«: Opium für alle

Die Netflix-Serie »Painkiller« erzählt spannend und eindrücklich von der Entstehung der Opioid-Krise in den USA

  • Florian Schmid
  • Lesedauer: 4 Min.
Die Serie erzählt von der Chefetage des Pharmaunternehmens Purdue.
Die Serie erzählt von der Chefetage des Pharmaunternehmens Purdue.

Im Jahr 2021 starben in den USA mehr als 80 000 Menschen infolge einer Überdosis von Opioiden. In vielen Fällen handelte es sich dabei um Schmerzmittel, die von Ärzten verschrieben worden waren. In den vergangenen zwei Jahrzehnten stieg der Absatz opioidhaltiger Schmerzmittel in den USA so rasant, dass dort mittlerweile von einer Opioid-Krise die Rede ist. 2017 wurde deswegen sogar der nationale Gesundheitsnotstand ausgerufen.

In Europa wird zwar seit einigen Jahren auch immer wieder ein steigender Konsum opioidhaltiger Schmerzmittel vermeldet, zu einer »Seuche«, wie es auch gerne reißerisch in US-Medien heißt, kam es hier aber nicht. Das hat vor allem mit dem privatisierten Gesundheitssystem in den USA zu tun, aber auch mit aggressiven Werbekampagnen, mit denen Ende der 90er Jahre zum Beispiel das Schmerzmittel Oxycontin auf dem Markt platziert wurde. Die Firma Purdue-Pharma im Besitz der Sackler-Familie, einer New Yorker Dynastie, die Mitte der 2010er Jahre laut Forbes zu den reichsten Familien Amerikas gehörte, setzte seit Ende der 90er auf neue Standards in Sachen Werbekampagnen und Lobbyismus, um ihr Produkt Oxycontin erfolgreich zu verkaufen, und machte damit Milliardenumsätze.

Nun hat Netflix diese in den USA medial seit Jahren massiv ausgeschlachtete Geschichte als starbesetzte sechsteilige Miniserie mit dem Titel »Painkiller« umgesetzt. Als Vorlage für das Serien-Script dient Barry Meiers Sachbuch »Pain Killer: An Empire of Deceit and the Origin of America’s Opioid Epidemic«.

Wie konnte es geschehen, dass Hunderttausende Amerikaner, viele davon ganz bürgerliche, mittelständische Existenzen mit Job und Familie, zu Junkies wurden? Das versucht die Serie aufzuarbeiten, indem sie ebenso von der Chefetage des Pharmaunternehmens Purdue erzählt wie von den staatsanwaltlichen Ermittlungen, von betroffenen Schmerzpatienten, die zu Drogenabhängigen wurden, und von Mitarbeitern des Pharmaunternehmens, die als Vertreter Arztpraxen abklapperten und dafür sorgten, dass Oxycontin nicht nur massenhaft, sondern auch in hohen Dosierungen verschrieben wurde.

Als ebenso kämpferische wie frustrierte Ermittlerin der Staatsanwaltschaft recherchiert Edie Flowers (Uzo Aduba) gegen den Pharmariesen Purdue, der sich reiche Anwälte leistet, schnöselige Abteilungsleiter vor dem Kongress aussagen lässt und fortwährend seine Gewinne steigert.

Familie Sackler war in der New Yorker High Society lange eine philanthropische Charity-Größe, die unter anderem dem Metropolitan Museum of Art und dem Guggenheim-Museum große Summen spendete und deren Name auch in der einen oder anderen Universitätseinrichtung auf einem Spendenschild prangt.

Richard Sackler (Matthew Broderick) gilt heute als der wichtigste Strippenzieher des Unternehmens, das sich 2007 mit einem dreistelligen Millionenbetrag und in den vergangenen Jahren in der Folge einer Klagewelle sogar mit Milliardenzahlungen freikaufte und mittlerweile Konkurs angemeldet hat, was weitere Strafverfolgung verhindert. In der Serie ist Sackler ein selbstzufriedener und autoritärer Konzernchef, der alle Widerstände rücksichtslos bricht und im wahrsten Sinn des Wortes über Leichen geht.

Die Serie zeigt aber auch die ganz normale amerikanische Working-Class-Familie des Automechanikers Glen (Taylor Kitsch), der nach einem Arbeitsunfall Schmerzmittel verschrieben bekommt und zum Junkie wird. »Painkiller« inszeniert das langsame und konfliktreiche Auseinanderbrechen der Familie.

Die opioidhaltigen Schmerzmittel, die lange Zeit ausschließlich Krebspatienten im Endstadium und Schwerkranken kurz vor ihrem Tod verschrieben wurden, fanden durch entsprechende Vermarktung plötzlich breite Anwendung. Die Serie erzählt von den Drücker-Kolonnen vor allem junger Frauen, die in Arztpraxen mit pseudowissenschaftlichen Argumenten Oxycontin als moderne und humane Medizin preisen. Auch die Bundesbehörde FDA, die bei der Zulassung des Mittels offensichtlich beide Augen zudrückte, bekommt ihr Fett weg.

Das alles ist im Stil einer True-Crime-Serie sehr flott inszeniert und lebt auch von den großartigen Schauspielern, allen voran »Orange ist the new black«-Star Uzo Aduba, die mit Hingabe gegen die Pharma-Lobbyisten zu Felde zieht.

»Painkiller« demontiert ganz bewusst den einst gut klingenden Namen der Familie Sackler, deren Mitglieder als Hauptakteure dieser Opioid-Krise gelten, strafrechtlich aber nie belangt werden konnten. Dabei darf nicht übersehen werden, dass auch andere Firmen den Markt mit Opioid-Produkten überschwemmen.

Mittlerweile gilt das synthetisch hergestellte Fentanyl, das 50-mal stärker als Heroin sein soll, als gefährlichste Opioid-Droge, deren Konsum während der Covid-Pandemie noch einmal eine deutliche Steigerung erlebte. Das Thema bleibt also aktuell, und die absolut sehenswerte Serie »Painkiller« erklärt, welche Ursprünge diese irrsinnige gesundheitspolitische Krise hat.

»Painkiller« auf Netflix

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