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Wieder Anschlag auf Flüchtlingsheim in Sachsen
Unterkunft im Landkreis Leipzig schon 2015 angegriffen. Innenminister sieht Kapazitätsgrenze erreicht
Der Böller landete am Donnerstagabend kurz nach zehn in der Flüchtlingsunterkunft Beucha, die zur Stadt Brandis gehört und im Landkreis Leipzig liegt. Er explodierte auf dem Fußboden eines Zimmers, in dem zu der Zeit zwei Männer anwesend waren. Sie blieben unverletzt. Im Ergebnis erster Ermittlungen »besteht der Verdacht, dass Pyrotechnik durch ein geöffnetes Fenster hineingeworfen wurde«, heißt es in einer Mitteilung des sächsischen Landeskriminalamts (LKA), das an diesem Dienstag über die »Sprengstoffexplosion in einer Gemeinschaftsunterkunft« informierte. Weil eine politische Motivation nicht ausgeschlossen werden könne, ermittele das Polizeiliche Terrorismus- und Extremismusabwehrzentrum. Die Ermittler haben einen Zeugenaufruf gestartet.
Mit dem mutmaßlichen Anschlag eskaliert die Debatte über die Unterbringung von Flüchtlingen in Sachsen wieder. Im Oktober hatte es einen Brandanschlag auf das »Spreehotel« in Bautzen gegeben, kurz bevor dort erneut Asylbewerber untergebracht werden sollten – und kurz nach einer Protestkundgebung der AfD am gleichen Ort. Auch anderswo im Freistaat mobilisieren Bürgerinitiativen gegen geplante Unterkünfte, etwa in Hirschfelde, unweit der polnischen Grenze. In Kriebethal im Landkreis Mittelsachsen rebellierten Anwohner gegen die Unterbringung von zwölf minderjährigen Flüchtlingen.
In dem Ort Strelln, der 30 Kilometer von Beucha entfernt ebenfalls im Landkreis Leipzig liegt, gingen Anwohner mit Unterstützung von Rechtsextremen gegen eine geplante Unterkunft für 100 Menschen auf die Straße, die in einem ehemaligen Munitionsdepot eingerichtet werden sollte. Im März waren sogar Stahlnägel in der Fahrbahn der Zufahrt gefunden worden; auch damals vermuteten Ermittler einen politischen Hintergrund. Der Landkreis legte die Pläne für Strelln im Juni vorerst zu den Akten – nach Angaben des Landrats, weil die »Ertüchtigung der Liegenschaft aufwändiger« sei als zunächst angenommen.
Der jüngste Angriff und die verbreiteten Proteste wecken ungute Erinnerungen an eine Welle fremdenfeindlicher Aktionen und Übergriffe in Sachsen in den Jahren 2015/16, die mit Ortsnamen wie Heidenau, Clausnitz oder Bautzen verbunden sind. In der Stadt in der Lausitz hatte es schon damals einen Anschlag auf das »Spreehotel« gegeben, auch das Hotel »Husarenhof« brannte ab, bevor Flüchtlinge einziehen konnten. Auf die Unterkunft in Beucha, in der 120 Menschen wohnen können, wurde bereits im November 2015 ein Brandanschlag verübt.
Angriffe mit Pyrotechnik wie jetzt in Beucha gab es damals beispielsweise in Freital, wo Mitglieder der später als terroristische Vereinigung eingestuften »Gruppe Freital« Böller an den Fenstern einer Flüchtlingswohnung anbrachten. In einem späteren Gerichtsprozess wurde darauf verwiesen, dass die damals verwendeten Feuerwerkskörper, die in der EU nicht zugelassen und in Polen und Tschechien nur illegal zu besorgen sind, Fensterscheiben in Splitterbomben verwandeln würden. Sie seien »ohne Zweifel in Tötungsabsicht« eingesetzt worden, sagte damals ein Anwalt der Bewohner.
Welche Art Böller in Beucha eingesetzt wurde und wer ihn warf, müssen die Ermittlungen zeigen. Kerstin Köditz, Landtagsabgeordnete der Linken, lobte das LKA dafür, umgehend wegen eines politischen Motivs zu ermitteln und »gar nicht erst auf die Idee gekommen zu sein, es könnten die Bewohner selbst gewesen sein«. Bösartige Kommentare in sozialen Medien gehen indes sehr wohl in diese Richtung.
Köditz sieht wie schon beim Angriff auf das »Spreehotel« im Oktober einen Zusammenhang zwischen dem mutmaßlichen Anschlag und der politischen Debatte. »So was kommt von so was«, sagt die Abgeordnete. Im Herbst hatte sie mit Blick auf die vorangegangene Protestaktion der AfD formuliert, diese »liefert die Schlagworte, und andere werfen die Brandsätze«. Inzwischen würde sie auch die Regierungen in Bund und Land zu den Stichwortgebern zählen, sagte Köditz dem »nd«.
Der sächsische Innenminister Armin Schuster (CDU) hatte erst diese Woche in einem Interview des Portals »GMX« mit Blick auf die aktuellen Flüchtlingszahlen erklärt: »Für mich sind die Kapazitätsgrenzen längst erreicht.« Er könne angesichts einer prognostizierten Zahl von 400 000 Erstanträgen auf Asyl in der Bundesrepublik in diesem Jahr »nicht versprechen«, dass diese ohne die Nutzung von Zelten und Turnhallen unterzubringen seien. Schuster erinnerte an die innerparteilichen Konflikte in CDU und CSU nach 2015/16 und fügte an, er könne »gar nicht glauben, dass die Ampel-Koalition die Zeit zurückgedreht hat und jetzt die alten Fehler wiederholt«.
Allerdings verschärft auch die Berliner Koalition aus SPD, Grünen und FDP die Linie gegenüber Flüchtlingen. Erst wurde der europäische Abschottungs-Deal mitgetragen, zuletzt machte Innenministerin Nancy Faser (SPD), die in Hessen im Landtagswahlkampf steht, gegen angebliche »kriminelle Clans« mobil, deren Familienangehörige sie abschieben will.
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