Keine Priorität für Betriebsräte

Die Bundesregierung wollte eigentlich mehr Schutz für betriebliche Mitbestimmung, aber das Projekt liegt auf Eis

Vor zwei Jahren versprach die rot-grün-gelbe Bundesregierung in ihrem Koalitionsvertrag, die betriebliche Mitbestimmung stärker zu schützen. Mit einer neuen Regelung sollte gegen Unternehmer, die Arbeit oder Gründung von Betriebsräten behindern, auch nach einer anonymen Anzeige ermittelt werden können. Damit hat die Koalition eine wichtige Forderung der Gewerkschaften aufgegriffen. Doch aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Partei Die Linke geht hervor, dass die Ampel-Parteien noch nichts unternommen haben, um ein solches Gesetz auf den Weg zu bringen.

Zwar ist es bereits jetzt eine Straftat, Betriebsräte bei der Ausübung ihrer Rechte zu behindern. Doch handelt es sich bislang um ein Antragsdelikt, sodass man persönlich Strafanzeige erstatten muss. Dadurch sind die Hürden für Betroffene hoch. Denn eine korrekte Anzeige setzt arbeitsrechtliches Wissen voraus. Auch machen sich Arbeiter*innen angreifbar, wenn sie Anzeige erstatten.

»Viele Gewerkschafter scheuen sich, diesen Schritt zu gehen oder ziehen ihre Anzeige zurück, wenn der Druck steigt«, erzählt Frank im Gespräch mit »nd« (Name von der Redaktion geändert). Er hat sich als Betriebsrat in einem mittelständischen Unternehmen gegen Mobbing vonseiten seines Chefs gewehrt. Bis heute leidet er unter den psychischen Folgen des Konflikts. »Der Terror, den Unternehmer lostreten, wenn man anfängt, sich zu wehren, ist enorm. Das kann man sich nicht vorstellen«, sagt er. Neben psychischem Druck berichtet er auch von handfesten Drohungen.

Die von der Bundesregierung anvisierte Neuregelung soll zu einem besseren Schutz der Betriebsräte in Deutschland beitragen, deren Zahl in den letzten Jahren kontinuierlich gesunken ist. Lag der prozentuale Anteil von Unternehmen mit Betriebs- oder Personalrat vor zehn Jahren noch bei durchschnittlich 49 Prozent, ist die Zahl laut Statistischem Bundesamt im vergangenen Jahr auf knapp 46 Prozent gesunken. Aus Zahlen der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung geht hervor, dass heute weniger als die Hälfte aller Beschäftigten in Deutschland durch einen Betriebsrat vertreten werden. Parallel nimmt auch die Tarifbindung kontinuierlich ab, wie aus einer Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung hervorgeht.

Allerdings ist der ehemalige Betriebsrat Frank pessimistisch, dass das neue Gesetz die Bedingungen für Betriebsräte grundlegend verbessern würde. Denn nach dem Willen der Regierung würde die Entscheidung über die weiteren Ermittlungen in der Hand der Staatsanwälte liegen. »Konflikte im Betrieb sind Neuland für Staatsanwälte. Die wissen nicht, wo sie hinschauen müssen und müssten speziell geschult werden«, erklärt er. Darum fordern die Gewerkschaften sogenannte Schwerpunktstaatsanwaltschaften, die auf Arbeitsrecht spezialisiert sind. Doch Frank bezweifelt, dass die im Sinne der Arbeiter*innen ermitteln würden. »Viele Staatsanwälte sind opportunistisch und wollen sich nicht in die Nesseln setzen«, befürchtet er.

Wichtiger wäre aus seiner Sicht, dass sich bei den Gewerkschaften selbst etwas ändert. »Es gibt viele Gewerkschafter, die das Herz am rechten Fleck haben«, erzählt Frank. Aber die Organisationen seien zu stark auf Sozialpartnerschaft ausgerichtet. »Die Gewerkschaften haben Angst, ihre Verhandlungsposition und ihre Mitglieder zu verlieren.« Darum scheuten sie sich, den Konflikt in die Betriebe zu tragen, kritisiert der Gewerkschafter. »Sie könnten aber viel mehr Mitglieder dazugewinnen, wenn sie offensiver in die Auseinandersetzung gehen«, findet er. »Das Vorhaben der Regierungskoalition könnte dann als drohender Zeigefinger helfen, Verstöße seitens der Unternehmer zu ahnden.«

Das sieht auch die stellvertretende Linke-Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Susanne Ferschl, so. Mit Blick auf eine drohende wirtschaftliche Rezession seien betriebliche Mitbestimmung und mehr Demokratie in den Betrieben unabdingbar, teilte die Abgeordnete auf nd-Anfrage mit. Sie ist Leiterin des Arbeitskreises Arbeit, Soziales und Gesundheit der Linksfraktion im Bundestag. »Die Ampel muss endlich, wie versprochen, die Betriebsräte stärken. Darüber hinaus wäre es erforderlich, die betrieblichen Mitbestimmungsrechte auszuweiten, aber diesen Mut bringen die Ampel-Parteien nicht auf«, kritisiert die Linke-Politikerin.

Eine SPD-Sprecherin unterstrich auf Anfrage, dass das Gesetz in dieser Legislaturperiode umgesetzt wird. Auch Pascal Kober, arbeitsmarkt- und sozialpolitischer Sprecher der FDP, erklärte, dass man »die Vorhaben im Koalitionsvertrag weiter Schritt für Schritt abarbeiten wird«. Doch die Priorität dafür scheint nicht hoch zu sein. »Die konkrete zeitliche und inhaltliche Ausgestaltung bleibt abzuwarten«, hieß es auf nd-Anfrage aus dem Bundesarbeitsministerium.

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