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Wahlkampf-Auftakt der SPD unter Pfiffen
Landtagswahl in Bayern 2023: Die bayerische SPD holt sich Olaf Scholz als Unterstützung nach München
Es ist 17.09 Uhr, als auf die Rednerbühne am Münchner Marienplatz ein Schutzschild hinaufgereicht wird, vorsichtshalber. »Bezahlbares Bayern für alle« ist im Hintergrund der Bühne zu lesen. Es ist der Wahlkampfauftakt der bayerischen SPD zur Landtagswahl im Oktober, und in einer Minute wird hier Bundeskanzler Olaf Scholz sprechen. Zuvor hatte der sozialdemokratische Spitzenkandidat Florian von Brunn seine Rede gehalten. Die wurde von einem lauten Trillerpfeifen-Konzert und Buhrufen begleitet.
Am späten Freitagnachmittag brennt vom blauen Himmel die Sonne herunter, unten ist der Platz vor der Rednerbühne durch Sperrgitter gesichert; wer rein will, muss durch eine Taschenkontrolle. Drinnen – es ist weitgehend leer – halten Menschen mit ukrainischen Fahnen Plakate hoch: »Taurus für die Ukraine« ist da zu lesen oder: »Schließen Sie den Himmel über der Ukraine«. Draußen vor der Absperrung andere Parolen: »Olaf Scholz Kriegstreiber«, »Rentenkasse statt Kriegskasse«, »Verhandeln statt Schießen«.
Als Olaf Scholz um 17.10 Uhr im weißen Hemd mit aufgekrempelten Ärmeln auf die Bühne tritt, empfängt ihn ein heftiges Pfeifkonzert. Er nimmt den Ball sofort auf, und mit aufgedrehtem Mikrofon wettert er gegen die Pfeifenden, die »gefallene Engel aus der Hölle« seien, die einem Kriegstreiber das Wort redeten. Später greift Scholz die bayerische Staatsregierung wegen ihrer Blockade bei der Energiewende an: »Wäre es so, dass die großen Stromleitungen aus dem Norden und Osten in den Süden und Westen schon gebaut worden wären, hätten wir dort schon günstigere Strompreise.« Das Schutzschild wird dann doch nicht gebraucht, Eier fliegen keine.
Trotzdem, ein optimaler Wahlkampfauftakt sieht wohl anders aus. Die bayerische SPD dümpelt in den Umfragen zwischen neun und elf Prozent dahin und stünde so hinter CSU, Freien Wählern, Grünen und AfD auf dem fünften Platz. Spitzenkandidat Florian von Brunn gibt sich alle Mühe, die Zustimmung zur SPD zu steigern. Auf dem Marienplatz verweist er auf die Kompetenz der Bayern-SPD, die in über 200 Städten und Kommunen regiere. »Machen statt immer nur södern«, ruft er ins Mikrofon. Zum Beispiel im Wohnungsbau. »Wir werden keine öffentlichen Wohnungen verkaufen, sondern welche bauen«, sagt er in Hinblick auf die 30 000 Wohnungen, die vor Jahren durch die CSU privatisiert wurden.
Ansonsten tritt er für kostenlose Kitas, bezahlbare erneuerbare Energien, eine bessere Pflege und Schulabschlüsse für alle ein. Mit Blick auf die in der bayerischen Autoindustrie Beschäftigten wünscht er Erfolg für »fair gebaute Autos« und fordert eine eigene Batterien-Industrie. Die bayerische AfD bezeichnet von Brunn als »lupenreine Rechtsextremisten«, als »Rassisten und Menschenfeinde«, die eine »Schande für Bayern« seien. Die AfD hatte eine Gegenkundgebung am Stachus angemeldet, während die Antifa zu einem Gegen-Gegenprotest aufgerufen hatte.
Bei der letzten Landtagswahl 2018 unter der Regie der eher glücklosen Natascha Kohnen hatte die bayerische SPD ein Ergebnis von 9,7 Prozent erzielt – das bis dahin schlechteste Ergebnis überhaupt. Die bayerischen Sozialdemokraten haben immer noch mit dem schweren Erbe von Hartz IV unter Gerhard Schröder zu kämpfen und mit dem allgemeinen Strukturwandel, seit ganze Industriezweige wie etwa die Porzellanindustrie verschwunden sind – der ehemaligen Arbeiterpartei sind die Arbeiter abhandengekommen. Hinzu kommen interne Querelen wie die um den zurückgetretenen Generalsekretär Arif Taşdelen. Der war im Dezember 2022 von den bayerischen Jusos beschuldigt worden, sich Frauen gegenüber »unangemessen« verhalten zu haben. Die Wahlkampf-Vorbereitung von Florian von Brunn begann also mit einem Eklat. Er selbst will bei der Wahl ein Ergebnis von 15 Prozent erreichen.
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