Monatelange Wartezeiten bei Berliner Landeseinwanderungsamt

Nichtdeutsche Berliner bekommen monatelang keinen Termin beim Landeseinwanderungsamt, abgelaufene Papiere stellen sie vor existenzielle Probleme

  • Nora Noll
  • Lesedauer: 4 Min.
Berliner Behörden sind allgemein überlastet – im Falle des Landeseinwanderungsamtes kann das existenzielle Folgen für die Antragstellenden haben.
Berliner Behörden sind allgemein überlastet – im Falle des Landeseinwanderungsamtes kann das existenzielle Folgen für die Antragstellenden haben.

Arbeiten, Reisen, Wohnung finden: Für all das braucht es gültige Ausweisdokumente. Doch Berliner*innen ohne deutschen Pass müssen zum Teil monatelang auf einen Termin beim Landeseinwanderungsamt (LEA) warten, um ihren Aufenthaltstitel oder ihre Duldung zu verlängern. Das geht aus der Antwort auf eine schriftliche Anfrage der Linken hervor, die »nd« vorab vorliegt. Die migrationspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus, Elif Eralp, hat darin die Innenverwaltung zur Organisation und den Antidiskriminierungsmaßnahmen der Berliner Ausländerbehörde befragt.

Das Amt erfasse die durchschnittlichen Wartezeiten nicht statistisch. »Allgemein beträgt die Wartezeit auf einen regulären Termin im LEA in der Regel drei bis sechs Monate.« Die Innenverwaltung gibt zudem zu, dass das Portal für Online-Terminbuchungen meistens »vollständig ausgebucht« und »in den Haupttageszeiten kapazitätsbedingt sehr schwer erreichbar« sei.

Was das für Migrant*innen und Geflüchtete bedeutet, weiß Martina Mauer vom Berliner Flüchtlingsrat. »Das ist für die Menschen teils existenzbedrohend. Alle Bereiche, wo man Papiere vorlegen muss, werden problematisch.« Mit abgelaufenem Aufenthaltstitel könnten sie keine Leistungen mehr beziehen und keine Wohnung anmieten, ihr Job sei unter Umständen bedroht: Denn Arbeitgeber*innen müssten den gültigen Aufenthalt und die Arbeitserlaubnis prüfen und Leute mit abgelaufenen Papieren im Zweifelsfall entlassen. »Menschen verlieren ihre Arbeit, weil das LEA für sie nicht erreichbar ist«, fasst Mauer im Gespräch mit »nd« die Konsequenzen zusammen.

Mauer erklärt den Bearbeitungsstau vor allem mit der eingeschränkten Arbeitsfähigkeit während der Pandemie. Der Brexit und die Ankunft vieler Geflüchteter aus der Ukraine hätten die Lage noch verschärft. »Der Zustand ist nachvollziehbar, aber nicht hinnehmbar.« Beratungsstellen seien konstant damit beschäftigt, nach freien Terminen für ihre Klient*innen zu suchen – die eigentliche Beratungsarbeit komme dadurch zu kurz. Insbesondere Asylsuchende mit Duldung fänden keine Termine. Im Endeffekt seien aber alle betroffen, Expats, internationale Studierende und Geflüchtete.

Statt der Weiterführung dieses Betriebs wünscht sie sich deshalb Adhoc-Maßnahmen. So müssten in ihren Augen die Prioritäten anders gesetzt werden. »Wenn sich die Behörde ›Landeseinwanderungsamt‹ nennt und dann nur der Bereich für Rückführungen funktioniert, dann läuft da etwas schief«, bezieht sie sich auf die monatlichen Sammelabschiebungen, die Berlin trotz überlastetem Amt kontinuierlich durchführt.

Eine zusätzliche Belastung des LEA stellt die Schaffung der zentralen Einbürgerungsstelle (LEZ) dar. Ab Januar 2024 soll die Zuständigkeit für Einbürgerungen nicht mehr bei den Bezirksämtern, sondern bei einer neuen Abteilung im LEA liegen. Diese Aufgabe bindet nicht nur Arbeitskraft, in den Augen von Elif Eralp wird sie zudem nicht diskriminierungskritisch umgesetzt.

Die Abgeordnete verweist in ihrer Anfrage auf eine Senatsvorlage aus der Zeit von Rot-Grün-Rot, die vorsieht, das LEZ durch eine »diversitätsorientierte Organisationsentwicklung und -beratung« begleiten zu lassen. Laut Innenverwaltung kümmert sich das LEA nun selbst um ein »Diversitäts- und Antidiskriminierungskonzept«. Wie genau das aussehen soll, schreibt die Innenverwaltung nicht. Eralp befürchtet deshalb, dass zurzeit kein fertiges Konzept vorliegt.

Was Antidiskriminierungsmaßnahmen für das gesamte LEA betrifft, kann die Behörde seit Beginn 2022 drei Fortbildungen vorweisen, an denen insgesamt 25 von rund 500 Mitarbeitenden teilgenommen haben. Führungskräfte erhielten in diesem Zeitraum keine diskriminierungskritischen Schulungen. »Das LEA nimmt seine Aufgabe, eine echte Willkommensbehörde zu sein und Diskriminierungen zu vermeiden, nicht an, obwohl es immer wieder Beschwerden gibt«, stellt Eralp fest. Laut Senatsantwort gab es seit Anfang 2022 fünf Beschwerden nach dem Landesantidiskriminierungsgesetz, 13 Dienstaufsichtsbeschwerden und 37 Beschwerden, die sich an die Innenverwaltung richteten und vor allem die langsame Bearbeitung betrafen.

Adam Bahar vom Berliner Flüchtlingsrat fordert verpflichtende Schulungen für alle Mitarbeitenden des LEA. »Es findet immer Diskriminierung statt, wenn eine Gruppe Macht über eine andere Gruppe hat«, so Bahar zu »nd«. »Deshalb sollte jeder Mensch, der mit solchen Privilegien und Macht hantiert, das auch reflektieren.« Regelmäßig höre er im Rahmen seiner Beratungstätigkeit wie auch im privaten Kontakt mit Migrant*innen von rassistischer Diskriminierung in der Behörde. »Wenn Geflüchtete dort alleine hingehen, werden sie anders behandelt, als wenn sie bei dem Termin von einer weißen Person begleitet werden«, erzählt er. »Ich kenne viele Leute, die deshalb nicht mehr alleine zum LEA gehen wollen.«

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