Brandanschlag in Duisburg ist fast vergessen

Vor 39 Jahren verbrannten im Stadtteil Wanheimerort sieben Menschen

  • David Bieber
  • Lesedauer: 3 Min.
Das nach dem Anschlag neu aufgebaute Haus in der Wanheimer Straße 301.
Das nach dem Anschlag neu aufgebaute Haus in der Wanheimer Straße 301.

Der Stadtteil Wanheimerort war 1984 nicht die schönste Gegend in Duisburg, aber auch nicht die schäbigste. Zum Industriegebiet am Rhein war es ein Steinwurf, der Industriekonzern Mannesmann lag in der Nähe. Das Eckhaus an der Wanheimer Straße 301 war einer der Orte, wo Gastarbeiter aus der Türkei und aus Jugoslawien untergebracht wurden.

Im Erdgeschoss befindet sich heute eine Moschee der türkischen Ditib-Gemeinde, anders als die viel größere repräsentative Moschee in Marxloh hat sie eher einen Hinterhofcharakter. Außerdem beherbergt das Haus einen Dönerladen, einen Bäcker unf eine Trinkhalle. Hier geschah vor 39 Jahren in der Nacht auf den 27. August ein tödlicher Brandanschlag mit sieben Toten und 23 Verletzten, der gerne vergessen wird, wenn es um ausländerfeindliche Gewalt geht. Dabei wurden Ferdane Satır (40) Çiğdem Satır (7), Ümit Satır (5), Songül Satır (4), Zeliha Turhan (18), Rasim Turhan (18) sowie das Kleinkind Tarık Turhan (52 Tage) getötet.

Damals hatte die Polizei rassistische Motive schnell verworfen. Das gelte auch für die Staatsanwaltschaft und Lokalpolitik, so sagen es Zeitzeugen, obgleich die Hauswand mit Hakenkreuzen beschmiert worden war, wie es etwa der »Spiegel« kurz nach der Tat berichtete. Ein rassistischer Anschlag in der damaligen Arbeiterstadt Duisburg? In den Augen des damaligen SPD-Oberbürgermeisters Josef Krings war dies ausgeschlossen. »Eine bewusste Irreführung. Ich kratze keinen Rechtsradikalen aus dem Grab, den es nicht gibt«, soll Krings der »WAZ« gesagt haben. Als möglicher Grund für den Anschlag galt damals ein Bandenkrieg zwischen Türken und Jugoslawen, ein jugoslawischer Bewohner des Hauses saß deshalb mehrere Monate in Untersuchungshaft.

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Zehn Jahre nach der Tat wurde eine Frau wegen eines Brandanschlags auf ein Flüchtlingswohnheim in Duisburg-Hamborn im Jahr 1993 angeklagt. Wenig später gestand sie auch die Tat in Wanheimerort, dort soll sie Sperrmüll angezündet haben. Nach ihrem Prozess wurde sie wegen Pyromanie in eine psychiatrische Anstalt eingewiesen. Die Wanheimer Straße 301 hatte die Täterin aus Sicht der Richter zufällig ausgewählt.

Zur Erinnerung an den Brandanschlag und die Opfer hat sich die »Initiative Duisburg 1984« aus Angehörigen und Aktivisten gegründete. Sie setzt sich dafür ein, dass Politik und Justiz Rassismus als ein Motiv für den Brandanschlag in Betracht ziehen. Aus ihrer Sicht folgte die Brandstiftung einem fremdenfeindlichen Zeitgeist.

»In den Ermittlungen wurden mögliche rassistische Hintergründe der Tat schnell verworfen und rassistische Motive nur unzureichend untersucht. Von den Angehörigen, aber auch von den Duisburger migrantisierten Communities wurde diese frühzeitige Festlegung der Politik und der Ermittlungsbehörden als entwürdigend empfunden und als Bestandteil institutioneller Diskriminierung kritisch hinterfragt«, heißt es anlässlich des 39. Jahrestags in einer Pressemitteilung der Stadt Duisburg selbstkritisch. Es ist allerdings die gleiche Stadt, die sich immer wieder Rassismusvorwürfen ausgesetzt sieht, etwa wegen der Räumung von angeblich nicht mehr bewohnbaren Immobilien, in denen vorwiegend Sintizze und Romnja zu deutlich überhöhten Mieten leben.

Am Freitag, einen Tag vor dem 39. Jahrestag, hat die Stadt Duisburg ein Symposium und eine Gedenkfeier für die Toten organisiert, die Veranstaltung basiert auf dem Projekt »Ein Anderes Duisburg – Migration erinnern – Antirassistische Städte schaffen«.

Am Jahrestag selbst wurde an der Wanheimer Straße 301 eine Gedenktafel der deutsch-amerikanischen Künstlerin Cana Yilmaz eingeweiht. Die Stadt Duisburg hatte diese auf Anregung des Integrationsrats in Auftrag gegeben. An der Enthüllung nahm auch Özlem Genç teil. Sie ist die Enkelin von Mevlüde Genç, deren zwei Töchter, zwei Enkelinnen und eine Nichte 1993 in Solingen bei einem rechten Anschlag verbrannten. Eine Rede hielt außerdem eine Überlebende des Anschlags mit einer Nagelbombe in der Kölner Keupstraße.

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