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Was macht Frontex im Senegal?
Am afrikanischen Netzwerk von »Risikoanalysezellen« nehmen auch Geheimdienste teil
Mit der Gründung von Frontex haben die EU-Staaten ihrer Grenzagentur 2004 ins Programm geschrieben, dass sie nur innerhalb der Union eingesetzt werden darf. Mit den oft als »Flüchtlingskrise« beschrieben Entwicklungen änderte sich das in der neuen Verordnung von 2016. Die EU-Kommission darf seitdem auch Abkommen mit Drittstaaten verhandeln, um Frontex dorthin entsenden zu können. Bislang haben sich vier Balkan-Staaten entschlossen, die Behörde zur EU-Migrationsabwehr ins Land zu lassen – Bosnien und Herzegowina könnte der fünfte Kandidat werden.
Nach diesem Modell wollte Frontex auch ein Statusabkommen mit dem Senegal abschließen. Großspurig hatte die EU-Innenkommissarin Ylva Johansson im Februar 2022 angekündigt, ein solcher Vertrag sei bis zum Sommer unterschriftsreif. Dazu kam es jedoch nicht: Trotz hochrangiger Besuche aus der EU ist die Regierung in Dakar offenbar nicht einmal bereit, ein sogenanntes Arbeitsabkommen zu unterzeichnen. Es würde Behörden des Landes erlauben, mit Frontex personenbezogene Daten auszutauschen.
Teller und Rand ist der nd.Podcast zu internationaler Politik. Andreas Krämer und Rob Wessel servieren jeden Monat aktuelle politische Ereignisse aus der ganzen Welt und tischen dabei auf, was sich abseits der medialen Aufmerksamkeit abspielt. Links, kritisch, antikolonialistisch.
Der Senegal ist von mehr als 2.600 Kilometern Außengrenze umgeben; wie die Nachbarländer Mali, Gambia, Guinea und Guinea-Bissau ist die Regierung der Wirtschaftsgemeinschaft Westafrikanischer Staaten (ECOWAS) beigetreten. Ähnlich wie der Schengen-Raum regelt das Abkommen auch den freien Personen- und Warenverkehr in insgesamt 15 Ländern. Der Senegal gilt in Deutschland und anderen EU-Staaten Luxemburg als sicheres Herkunftsland.
Auch ohne neue Abkommen ist Frontex praktisch seit ihrer Gründung zu Migration aus dem Senegal aktiv: Die erste (und mit ihrem Ende 2019 auch längste) Mission der Grenzagentur startete ab 2006 unter dem Namen »Hera« zwischen Westafrika und den kanarischen Inseln im Atlantik. Daran beteiligt waren auch Grenzbehörden aus Mauretanien. Hintergrund waren die zu dieser Zeit stark gestiegenen Überfahrten aus den Ländern, die im Rahmen von »Hera« erfolgreich zurückgegangen sein sollen. Dazu erhielt Frontex von Dakar die Erlaubnis, mit aus den Mitgliedstaaten entsandten Schiffen in Hoheitsgewässer des Senegal einzufahren.
Senegal ist bereits seit 2015 Mitglied der »Africa-Frontex Intelligence Community« (AFIC). Diese seit 2010 bestehende »Gemeinschaft« soll die Risikoanalyse von Frontex verbessern und bindet dazu verschiedene Sicherheitsbehörden ein. Das Ziel ist die Bekämpfung von grenzüberschreitenden Straftaten, wozu neben Terrorismus auch Schleusungen zählen. Heute gehören der AFIC 30 afrikanische Länder an. In fünf dieser Staaten hat Frontex ein AFIC-Büro eröffnet, seit 2019 ist darunter auch der Senegal. Zu den Aufgaben des dort stationierten Frontex-Verbindungsbeamten gehören die Kommunikation mit den für die Grenzverwaltung zuständigen Behörden und die Unterstützung bei Abschiebungen aus EU-Mitgliedstaaten.
Das Personal der nationalen »Risikoanalysezellen« wird von Frontex ausgebildet. Ihre Mitarbeiter sollen strategische Daten zur Kriminalität sammeln und deren Vorgehensweisen analysieren, dazu wird auch die EU-Satellitenüberwachung genutzt. Personenbezogene Daten werden dabei nicht verarbeitet. Aus den zusammengetragenen Informationen erstellt Frontex neben verschiedenen Dossiers einen jährlichen Lagebericht, den die Agentur als »Informationsbild im Vorfeld der Grenze« bezeichnet.
Offiziell nehmen am AFIC-Netzwerk ausschließlich nationale Strafverfolgungsbehörden teil, sofern sie von ihren Regierungen ein »Mandat für die Grenzverwaltung« erhalten haben. Im Senegal sind dies die Nationalpolizei sowie die Luft- und Grenzpolizei, außerdem die »Abteilung für die Bekämpfung des Menschenhandels und ähnlicher Praktiken«. Laut der Bundesregierung sind außerdem die zivil-militärischen EU-Missionen im Niger und in Libyen an der Arbeit der AFIC beteiligt.
Informationen mit Geheimdiensten würden »im Rahmen der AFIC-Aktivitäten definitionsgemäß nicht ausgetauscht«, erklärt die EU-Kommission in der Antwort auf eine parlamentarische Anfrage. Das Wort »definitionsgemäß« schließt aber nicht aus, dass diese trotzdem beteiligt sind und auch strategische Informationen beisteuern. Zudem übernehmen in vielen Ländern auch Polizeibehörden geheimdienstliche Tätigkeiten – ganz anders, als dies etwa in Deutschland im Trennungsgebot für diese Behörden geregelt ist. Laut der Antwort von Frontex auf eine Informationsfreiheitsanfrage sind die Schnüffelbehörden aber auch direkt an der AFIC beteiligt: Marokko und die Elfenbeinküste entsenden ihre Inlandsgeheimdienste zu den Treffen der AFIC, aus dem Senegal nimmt daran außerdem ein »Zentrum für Monitoring und Profiling« teil.
Die Zusammenarbeit mit dem Senegal zahlt sich für die EU aus: Seit 2021 geht die Gesamtzahl der Ankünfte von Geflüchteten und Migranten aus dem Senegal über die sogenannte Atlantik- sowie die westliche Mittelmeerroute deutlich zurück. Die Anerkennungsquote für Asylsuchende aus dem Land beträgt in der EU derzeit rund zehn Prozent.
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