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3. WM-Sieg: Deutsche Basketballer spielen eine perfekte Vorrunde
Bundestrainer Gordon Herbert hat ein homogenes Team geformt, das nun für jeden Gegner gefährlich werden kann
Ein begnadeter Maler ist Gordon Herbert zwar nicht, aber eine Treppe mit sieben Stufen bekam er dann doch noch aufs Flipchart gekritzelt. Auf die oberste ein Kreuz, welches das große Ziel einer WM-Medaille für die deutschen Basketballer symbolisieren soll, doch unten schon auf Stufe zwei ein schwarzer Punkt: »Da sind wir gerade. Unser Weg ist noch lang«, erklärte der Bundestrainer seinem Team.
Zu diesem Zeitpunkt Mitte August hatten seine Spieler schon zwei Wochen Training und ein paar erfolgreiche Vorbereitungsspiele in ihren ausgezehrten Körpern. Doch Herbert wollte ihnen eines unbedingt klarmachen: Zufriedenheit gibt es unter ihm frühestens, wenn die Weltmeisterschaft vorbei ist. Dass seine Mannschaft diese Botschaft verstanden hat, zeigte sie an diesem Dienstag in Okinawa beim überzeugenden 101:75-Sieg über den EM-Siebten Finnland.
Im Unterschied zu den ersten beiden Erfolgen gegen Gastgeber Japan und Mitfavorit Australien hatte die Auswahl des Deutschen Basketball-Bunds (DBB) diesmal keinen Druck mehr. Der Gruppensieg stand schon vorher fest; zudem waren die Finnen bei ihren beiden Niederlagen bislang enttäuschend aufgetreten und hatten keine Chance mehr aufs Weiterkommen. »Aber der Coach sagt uns immer wieder, dass wir jedes Spiel besser werden, und nie stagnieren oder uns irgendwie durch diese Spiele eiern wollen«, bestätigte Center Daniel Theis, dass auch der NBA-Profi der Indiana Pacers die Treppen-Lektion verinnerlicht hat. »Heute war es defensiv ein Schritt nach vorn für uns.«
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Jener Schritt hatte nichts mit irgendeinem Verteidigungssystem zu tun, sondern einzig mit der Einstellung der Spieler. Dem mentalen Hoch vom 85:82 über Australien drohte ohne die Angst vor einem Scheitern nun ein Abfall zu folgen. Und tatsächlich gelang den Nordeuropäern, die das erste Viertel mit 22:19 für sich entschieden, der bessere Start. »Wir müssen schneller zurücklaufen und sie von unserem Korb weghalten«, ermahnte der sonst stets ruhige Kanadier Herbert seine Mannen erstmals etwas lauter in einer WM-Auszeit. »Da waren wir etwas faul«, sagte er später. »Der Schlüssel war dann unsere zweite Reihe, die den Ton angegeben hat, wie wir eigentlich spielen wollten. Die Starter sind danach wieder aufs Feld gekommen und haben das vollendet.«
Das DBB-Team gewann in der Folge die restlichen drei Viertel jeweils deutlich und brauchte dafür diesmal auch keine offensiven Heldentaten von Kapitän Dennis Schröder, der gegen Australien noch 30 Punkte erzielt hatte. Gegen die Finnen traf er nur halb so oft und nicht einmal von der Dreipunktelinie. Egal, denn die deutsche Mannschaft ist mittlerweile so breit aufgestellt wie nie zuvor. Alle elf Spieler punkteten, alle gaben mindestens eine erfolgreiche Vorlage und sicherten einen Rebound. Zehn von ihnen klauten zudem hinten mindestens einmal den Finnen den Ball und verhinderten so, dass der Gegner in der zweiten Halbzeit auch nur von einem Comeback träumen konnte. Die deutsche Mannschaft hat in Japan bislang noch keine Schwächen offenbart.
»Das macht uns so stark als Team, dass immer jemand anderes herausstechen kann. Heute hat Isaac Bonga immer wieder Wege zum Korb gefunden, aber auch Dreier getroffen. Isaac war bereit, das war geil«, freute sich Daniel Theis über einen Kollegen, der bislang nur als guter Verteidiger eine Rolle in Herberts Plänen gespielt hatte. »Die Verletzung von Franz Wagner hat Möglichkeiten für andere eröffnet, und Isaac und Niels Giffey haben diese ergriffen. Sie haben viel Qualität. Ich war sehr froh, dass speziell Isaac jetzt auch offensiv erfolgreich ist«, war die Freude beim Bundestrainer ebenso groß.
Tatsächlich ist es Herbert hoch anzurechnen, dass er eine so homogene Mannschaft geformt hat, in der jeder seine Rolle kennt und sofort einsatzfähig ist, wenn er gebraucht wird. Als Wagner in Spiel eins umknickte, hat der Rest die anfängliche Enttäuschung sogar in ein Jetzt-erst-recht-Gefühl umgewandelt. Maodo Lô, Bonga, Giffey und gegen Finnland nun auch Aufbauspieler Justus Hollatz wussten ihre längere Spielzeit allesamt effizient zu nutzen.
Die Wende schaffte das deutsche Team sogar ohne Superstar Schröder auf dem Feld. Genau in diesen Phasen hatte es in der Vorbereitung noch die meisten Probleme gegeben. Aber offensichtlich hat ein Lernprozess eingesetzt und das Team die nächste Stufe auf der Erfolgstreppe erklommen. Bei der WM 2019 hatte der damalige Bundestrainer Henrik Rödl noch zu sehr auf das Zusammenspiel der NBA-Stars Schröder und Theis gebaut und war damit krachend gescheitert. Mittlerweile ist das DBB-Team viel flexibler und damit für jeden Gegner gefährlich.
Vor der Zwischenrunde hat Deutschland nun zwei Tage Pause und auch keinen Reisestress. Die anstehenden zwei Partien, unter anderem gegen Sloweniens Superstar Luka Dončić werden wieder in Okinawa ausgetragen. Die Hoffnung des Trainerteams, das im letzten Viertel schon die komplette erste Reihe schonen konnte, ist nun, dass auch NBA-Jungstar Franz Wagner von seiner Knöchelverletzung bis zum Freitag wieder genesen wird. Aus einem 3:0-Start könnte dann sogar ein 5:0 werden, was den Viertelfinaleinzug bedeuten würde. Dann wäre es nur noch eine Stufe bis zur erhofften Medaille und der damit fast sicher verbundenen Olympiaqualifikation.
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