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Neue Serie »Ready.Daddy.Go«: Papas auf der Warteliste
In der Serie »Ready.Daddy.Go!« kämpft ein schwuler Mann darum, Vater zu werden
Menschen mit dem berühmt-berüchtigten Migrationshintergrund, der für manche ziemlich vordergründig ist, können ein Lied davon singen, was Michel (Fridolin Sandmeyer) über Menschen ohne Migrationsvordergrund, aber mit Homosexualitätshintergrund sagt. »Wir müssen besser sein«, so erklärt die Hauptfigur der ZDF-Serie »Ready.Daddy.Go!« ihrem Partner, warum er alle Ecken und Kanten ihrer gemeinsamen Wohnung aus Sicherheitsgründen abpolstert. »Besser als die ganzen Heten.«
Gemeint sind Heterosexuelle im Allgemeinen, besonders aber jene, die Adoptivkinder wollen. Mit denen nämlich konkurriert der schwule Münchner Anfang 30 um eines von sechs Babys. »Quizfrage, mein Lieber«, ruft Michel ins Badezimmer, wo Dirk mit der Kindersicherung am Klodeckel zu kämpfen hat und dann auch noch im Stehen pinkelt: »An welcher Stelle der Warteliste stehen zwei Schwuppen?«
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Die Antwort kennt sein Partner angesichts von kaum 10 000 Regenbogenfamilien in Deutschland – weniger als drei Promille – natürlich ganz genau. Das Dumme nur: Michels Mann hat keine Lust mehr aufs Hamsterrad der Überzeugungsopfer, in dem die Standesbeamtin verstörende Fragen zum Geschlechtsverkehr stellt und 1000 Formulare bis hin zum Sehtest einfordern darf. Dirk sucht deshalb das Weite und lässt Michel mit Kinderwunsch, Profilneurose und Midlife Crisis allein. Tragisch, aber so bringt er frischen Wind ins Metier alternativer Familienentwürfe, von denen es seit der »Lindenstraße« zwar längst Hunderte am Bildschirm gibt – aber noch keinen wie diesen.
Im Ringkampf mit der Bürokratie einerseits, genauer: Frau Lehmann (Eva Karl-Faltermeier) nämlich, sucht Michel andererseits nach 18 seiner 33 Jahre in Beziehungen Ersatz für Dirk und wird mit jedem Rückschlag so desperat, dass ihm seine ebenso empathische wie resolute Freundin Ellie (Maike Jüttendonk) manche Schnapsidee austreiben muss.
Und spätestens hier wird der ulkige Sechsteiler von Regisseur Christoph Pilsl zur tiefgründigen Dramedy mit Pointen, die seltener als zu Beginn ins Drollige abdriften. Denn nicht nur, dass der Sohn angenehm aufgeschlossener Eltern (toll: Sepp Schauer und Petra Berndt) im angeblich toleranten Münchner Glockenbachviertel auf allerlei Alltagshomophobie trifft; Michel selbst entdeckt Seiten an sich, deren Dunkelheit ihm die lebenskluge Ellie erst aufzeigen muss.
Dass Leihmutterschaft illegal ist etwa und immer zu Lasten der Frauen meist ärmerer Staaten geht. Oder sein Ego-Trip, die Fortpflanzungsverweigerin Ellie an seiner Seite als Gebärmaschine im modernen Konzept des Co-Parentings einzuspannen, was beinahe zum Bruch ihrer langjährigen Freundschaft führt. Solche Kollisionen divergierender Daseinsentwürfe bringt Pilsls pointiertes Drehbuch (Co-Autor Sven Hasselberg) nicht nur inhaltlich, sondern auch sprachlich auf den Punkt.
Nahezu brillant spitzen Ellies wütende Sottisen wie »Köpfe von Neugeborenen riechen für mich einfach nach Kopf« oder »Allein die Vorstellung, dass irgendjemand permanent aus meinem Körper trinkt – wer bin ich denn, die Wohlfahrt?« ihr Gefecht gegen das unverwüstliche Mutterschaftsdiktat zu. Und wenn Michel mit der achtjährigen Getsimani (Fee Schuster-Böckler) ein besonders renitentes Pflegekind zugeteilt wird, ist die Begegnung nicht übertrieben, sondern angemessen verkrampft und dennoch auf subtile Art komisch.
Das ist es auch, was »Ready.Daddy.Go!« vom ersten bis zum sechsten Teil mehr kennzeichnet als der Titel: Regelmäßig geht Pilsl zwar dem inneren Drang nach, sich über den krampfhaften Kinderwunsch unserer sinn- und fachkräftesuchenden Leistungsgesellschaft lustig zu machen. Meistens jedoch widersteht er der Versuchung, seine Protagonisten dabei bloßzustellen.
Dass viele Darsteller wie Benito Bause – seit der ARD-Serie »All You Need« ein Star queerer Fernsehformate – als seelsorgerisch tätiger Barkeeper schwul sind, fällt dabei nach einer Weile kaum noch auf. Vielleicht ja, weil Michel nicht nur besser als alle Heten wird, sondern bürgerlicher. Wenn auch erzwungen vom entwürdigenden Adoptionsprozess, der Regisseur Pilsl zufolge wie eine Schwangerschaft »ziemlich genau neun Monate« dauert.
Dass er »lustigerweise« hinzufügt, deutet eher auf ein Lachen hin, das Betroffenen im Halse stecken bleibt. Ob am Ende also tatsächlich ein Kind für Michel und sein genervtes Umfeld herausspringt, wird hier natürlich nicht verraten. Der Cliffhanger jedoch deutet an, dass dieser Spielfilm im Gewand einer Instantserie durchaus das Potenzial einer Fortsetzung hätte.
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