Petra Köpping: Das Richtige nicht immer richtig getan

Sachsens Sozialministerin Petra Köpping weist in Sondersitzung des Landtags Korruptionsvorwürfe zurück

  • Hendrik Lasch
  • Lesedauer: 4 Min.

Die Lage war turbulent und schwierig in den Jahren 2015 und 2016. Auch in Sachsen mussten binnen kurzer Zeit Zehntausende Flüchtlinge aufgenommen werden. Sie brauchten Unterkunft und Verpflegung, später auch Sprachkurse, Schul- und Kitaplätze. Viele Bürger, Kommunalpolitiker und Vereine kümmerten sich aufopferungsvoll. Gleichzeitig gab es gerade im Freistaat massive Proteste und, wie die Opferberatung RAA erinnert, 650 Opfer rechter Gewalt; die Stimmung war aufgeheizt. Der Freistaat musste handeln, nicht zuletzt indem er schnell das nötige Geld für die Integration der Schutzsuchenden bereitstellte. Land und Zivilgesellschaft seien damals ihrer Verantwortung nachgekommen, glaubt Petra Köpping, Sachsens Sozialministerin, im Rückblick. Man habe »in der Krise den sozialen Frieden und gesellschaftlichen Zusammenhalt gewahrt«, sagte die SPD-Politikerin. Sie fügte hinzu: »Das scheint nicht allen zu gefallen.«

Die Bemerkung richtete sich an die AfD, die an diesem Donnerstag eine Sondersitzung des sächsischen Landtags veranlasst hatte. Auslöser waren Medienberichte über einen bislang unveröffentlichten Prüfbericht des sächsischen Rechnungshofs. Dieser kontrolliert seit drei Jahren die Vergabe von Fördermitteln im Bereich Integration in den Jahren 2016 bis 2019. Noch bevor das zuständige Sozialministerium seine Stellungnahme an die Behörde abschicken konnte – und pikanterweise kurz bevor Ressortchefin Köpping von ihrer Partei zur Spitzenkandidatin für die Landtagswahl 2024 gekürt werden sollte –, sickerten Details aus dem Bericht an die Presse durch. Demnach werden die Förderrichtlinie und ihre Umsetzung hart kritisiert. Wegen einer vermeintlichen Nähe zwischen Verantwortlichen für die Vergabe und Empfängern von Fördergeld ist sogar von »korruptionsgefährdeten Strukturen« die Rede. Die AfD griff das begierig auf. Sie zog gegen angebliche »Clanstrukturen« im Ministerium vom Leder und diffamierte die in dem Bereich engagierten Initiativen und Vereine. Fraktionschef Jörg Urban sprach in der Landtagsdebatte von einer »SPD-nahen Integrationsindustrie«, der umgehend der Geldhahn abgedreht werden solle.

Ärgerlich für Köpping ist, dass sie die Vorwürfe nicht glatt vom Tisch wischen kann. Zwar dürfe sie wegen des laufenden Prüfverfahrens nicht ins Detail gehen, sagte sie. Allerdings räumte sie ein, es sei »nicht gelungen«, eine rechtmäßige Umsetzung des Förderverfahrens »zu jeder Zeit sicherzustellen«. Man habe »das Richtige getan, aber wir haben es nicht immer richtig getan«, sagte sie. Aus diesem Grunde hatte sich die Ministerin tags zuvor bereits von ihrem Staatssekretär Sebastian Vogel getrennt und Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) um dessen Versetzung in den einstweiligen Ruhestand gebeten. Vogel übernehme die »Verantwortung für verwaltungsrechtliche Fehler«, sagte sie. Der Entlassene selbst erklärte, er habe »unbürokratisch und unkonventionell« handeln wollen. Daraus lasse sich »der ›böse Schein‹ von willkürlichem Verwaltungshandeln konstruieren«. Köpping wies entschieden jeden Vorwurf zurück, persönliche oder parteipolitische Interessen hätten bei der Mittelvergabe eine Rolle gespielt: »Niemand wollte rechtswidrige Bescheide erlassen.« Sie verwies auf Presseberichte, wonach die vom Rechnungshof konsultierte Generalstaatsanwaltschaft keine Hinweise auf strafbares Handeln erkannt und von Ermittlungen abgesehen habe.

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Die Fehler, die unbestritten dennoch passierten, bedaure sie sehr, sagte Köpping – nicht zuletzt, weil sie »den Feinden der offenen Gesellschaft Wasser auf ihre Mühlen liefern«. Die Gefahr sehen auch andere Landespolitiker. Für die AfD sei die Affäre »eine gute Gelegenheit, gegen linke Vereine vorzugehen, also gegen alles, was ihnen verhasst ist«, sagte Rico Gebhardt, Fraktionschef der Linken im Landtag. Den Vereinen weht der Wind bereits scharf ins Gesicht. Im aktuellen Newsletter des Netzwerks Tolerantes Sachsen schreibt Robert Kusche, der Geschäftsführer der RAA, von einer »politischen Diffamierungskampagne gegen alle Beteiligten im Bereich der Integrationsmaßnahmen«; es gebe »massive Spekulationen und Anschuldigungen«. Dabei, betonte der Grünen-Abgeordnete Valentin Lippmann, hätte der Freistaat »ohne die starke Zivilgesellschaft bei der Integration ziemlich alt ausgesehen«. Welchen Schaden die anlaufende AfD-Kampagne in dem Bereich anrichtet, bleibt abzuwarten. Köpping betont, die Förderrichtlinie sei mehrfach angepasst und mittlerweile »gemeinsam mit dem Rechnungshof« auch grundlegend überarbeitet worden; die Novelle solle noch in diesem Jahr in Kraft treten.

Kritik wurde in der Landtagsdebatte auch am Rechnungshof laut. Zwar sei dessen Kritik an der Förderpraxis »ernst zu nehmen«, betonte Gebhardt. Er dürfe aber nicht den Verdacht erwecken, politische Interessen zu verfolgen. Lippmann nannte es »extrem problematisch«, dass der unfertige Bericht habe »an Dritte gelangen« können, bevor Köppings Haus überhaupt Stellung genommen habe: »Auch für das Sozialministerium gilt die Unschuldsvermutung.« Die SPD-Abgeordnete Sabine Friedel forderte die Behörde nachdrücklich auf, den Prüfbericht und die Stellungnahme des Ministeriums »unverzüglich zu veröffentlichen«.

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