BVG-Werkstätten: Wettlauf mit den neuen Zügen

BVG muss die Werkstätten für die U1 bis U9 in Berlin im Rekordtempo ausbauen

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 4 Min.
Arbeiten an einem U-Bahn-Waggon in der BVG-Werkstatt an der Seestraße in Wedding
Arbeiten an einem U-Bahn-Waggon in der BVG-Werkstatt an der Seestraße in Wedding

Über 300 Millionen Euro. So viel Geld benötigen die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) in den nächsten Jahren, um die drei Betriebswerkstätten ihres U-Bahnnetzes fit zu machen für die bald beginnende Lieferung neuer Fahrzeuge. In diesem Herbst sollen die ersten zwölf Wagen für das sogenannte Kleinprofil der Linien U1 bis U4 vom Hersteller Stadler aus Pankow kommen. Im nächsten Jahr soll die gleiche Zahl für das sogenannte Großprofil der restlichen Linien anrollen. Genauer wollen BVG und Stadler auf nd-Anfrage nicht werden.

Obwohl sich die Auslieferung der ersten Fahrzeuge laut Herstelleraussage wegen Lieferkettenproblemen inzwischen um fast ein Jahr verspätet hat, sollen die Wagen der ersten Tranche Ende 2025 komplett an die BVG übergeben sein: 140 Stück für das Kleinprofil und 236 für U5 bis U9. Höchste Zeit also, den nötigen Umbau und die Erweiterung der drei Betriebswerkstätten des Netzes in Angriff zu nehmen. Für die erforderlichen Arbeiten sucht die BVG per Ausschreibung derzeit einen Projektsteuerer.

Der Zeitplan ist ambitioniert. Bereits in vier Jahren sollen in der Werkstatt Friedrichsfelde an der U5 neue Gleise liegen, um dann dort mindestens 104 Wagen abstellen zu können – was einer Länge von über 1,7 Kilometern entspricht. Spätestens Mitte 2029 sollen auch die zwei neuen, je dreigleisigen Hallen betriebsbereit sein.

Eine Halle soll dem Tausch von Komponenten dienen, dem Kern des neuen Werkstättenkonzepts der BVG. Die Gleise der zweiten Halle dienen je einer spezifischen Aufgabe. Eine ist für die Reinigung der unteren Fahrzeughälften vorgesehen, um dort untergebrachte Komponenten und Drehgestelle von Staub und Anhaftungen zu befreien. Auf einem weiteren Gleis werden die Räder der U-Bahnen abgedreht, also wieder glatt und rund gemacht. Weil die entsprechende Maschine auf Gleisniveau montiert ist, müssen die Drehgestelle dafür nicht ausgebaut werden.

Das dritte Gleis dürfte den stärksten Einfluss auf die öffentliche Wahrnehmung des U-Bahn-Betriebs haben: Es ist für die Entfernung von Graffiti vorgesehen. Bisher hat die BVG eine solche Spezialhalle nur in der Werkstatt Grunewald am Bahnhof Olympia-Stadion der U2 – unerreichbar für die breiteren Fahrzeuge von U5 bis U9. Die aggressiven und gesundheitsschädlichen Reinigungsmittel zur Graffiti-Beseitigung erfordern besondere Vorkehrungen. Ein Grund, warum besprühte Züge oft tagelang im Einsatz bleiben oder gar nicht zur Verfügung stehen.

Ambitioniert ist der Zeitplan, weil offenbar das nötige Planfeststellungsverfahren noch nicht begonnen hat. Allein dafür werden laut Ausschreibungsunterlagen 24 Monate angesetzt. Eine weitere entscheidende Grundlage ist auch noch nicht in Sack und Tüten: »Die BVG verhandelt derzeit eine Finanzierungsvereinbarung mit dem Land Berlin zur anteiligen oder vollen Übernahme der Bau- und Planungskosten dieser Maßnahme«, heißt es in den Ausschreibungsunterlagen.

Nur etwas entspannter ist der Zeitplan für den praktisch identischen Ausbau der Betriebswerkstatt Britz an der U7. Neue Abstellgleise sollen dort spätestens Ende 2028 zur Verfügung stehen, die zwei zusätzlichen Hallen Ende 2030. Dort wird die Fläche erweitert, wofür 2024 der Mitmach-Zirkus Mondeo auf eine benachbarte kleinere Fläche umziehen muss.

Am beengtesten ist die Lage der Betriebswerkstatt Grunewald für die Linien U1 bis U4 am Machandelweg. Hier ist nur Platz für eine viergleisige neue Halle, für die eine bestehende abgerissen werden muss. Die seit 1913 bestehende Werkstatt soll ab 2028 für die neuen Aufgaben gerüstet sein.

Der schnelle Ausbau der Werkstätten ist nötig, weil nach langer Stagnation mit der Auslieferung der neuen Fahrzeuge innerhalb weniger Jahre der Bestand von derzeit unter 1300 auf in der Spitze fast 1800 im Jahr 2029 steigen soll. Gleichzeitig ist die an der U6 gelegene Hauptwerkstätte Seestraße nicht ausbaubar – sie ist komplett umbaut.

Derzeit werden spätestens nach acht Jahren oder 960 000 Kilometern Laufleistung die Fahrzeuge komplett auseinandergenommen und die Komponenten überholt. Anschließend wird alles wieder zusammengebaut. Zwei bis drei Monate dauert der Prozess. Wegen des steigenden Wagenbestands und der Lieferung innerhalb kurzer Zeit kommt das Konzept nun an seine Grenzen. 106 Fahrzeuge pro Jahr können in der Seestraße aufgearbeitet werden, doch vorgesehen ist eine jährliche Lieferung von 200 Stück. »Wir würden jedes Jahr mehr Fahrzeuge abstellen, bis ein Netzteil der U-Bahn komplett eingestellt werden muss«, sagte Stefan Kärgel, Abteilungsleiter U-Bahn-Fahrzeuge, voriges Jahr.

Bei den neuen Wagen werden die Arbeiten der sogenannten Hauptuntersuchung in Jahresschritte zerlegt. Außerdem werden die Komponenten in den Betriebswerkstätten getauscht und anschließend separat in der Hauptwerkstatt aufgearbeitet. Wie viele neue U-Bahn-Wagen in den nächsten Jahren tatsächlich kommen werden, ist noch offen. Der Rahmenvertrag mit Stadler sieht bis zu 1500 vor, fest bestellt sind bisher 606. Im bis 2035 laufenden Verkehrsvertrag zwischen BVG und Senat sind etwa 1018 neue Wagen vereinbart. Angesichts der Sparzwänge im Haushalt machte die damalige Verkehrssenatorin Bettina Jarasch (Grüne) im Mai 2022 wenig Hoffnung, dass es mehr werden würden. Damit ist auch zweifelhaft, ob die angekündigte Taktverdichtung auf einen Zug alle 3,3 Minuten in der Hauptverkehrszeit auf den meisten Linien wirklich so kommt.

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