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Was wusste Bayern über Pläne für antisemitischen Doppelmord?
Staatsanwaltschaft prüft neue Ermittlungen zum Mord an Shlomo Levin und Frida Poeschke
Vor 43 Jahren wurden der Rabbiner Shlomo Levin und dessen Lebensgefährtin Frida Poeschke in Erlangen ermordet. Als Täter wurde der damals 29-jährige Uwe Behrendt ermittelt, ein Anhänger der rechtsradikalen »Wehrsportgruppe Hoffmann«. Nun könnten die Ermittlungen neu aufgerollt werden. Laut dem Bayerischen Rundfunk (BR) hat die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth entsprechende Prüfungen eingeleitet. Hintergrund sind neu bekannt gewordene Akten des Verfassungsschutzes in Bayern. Demnach könnte ein Informant kurz vor dem Doppelmord wichtige Beobachtungen gemacht haben.
Den damaligen Ermittlungen zufolge hatte der Täter am 19. Dezember 1980 an der Wohnungstür des Paares geklingelt. Levin öffnete und wurde daraufhin aus einer Maschinenpistole mit selbstgebautem Schalldämpfer erschossen. Mit vier Schüssen tötete Behrendt anschließend Poeschke im Wohnzimmer und verließ den Tatort.
Neben der Leiche Levins fand die Polizei eine Sonnenbrille, deren Gravur auf einen Optiker nahe Erlangen hinwies. In dessen Nachbarhaus lebte jahrelang Karl-Heinz Hoffmann, der Anführer der gleichnamigen »Wehrsportgruppe«. In den 70er und 80er Jahren war diese mit bis zu 600 Mitgliedern eine der wichtigsten Strukturen des militanten Rechtsradikalismus in der Bundesrepublik. Neben sogenannten Wehrsportübungen, bei denen im Wald mit Waffen und Sprengstoff hantiert wurde, organisierte die »Wehrsportgruppe« auch einen Kongress von Holocaust-Leugnern.
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Behrendt war zeitweise Hoffmanns Mitbewohner und galt als dessen »rechte Hand«, wie der Journalist Ronen Steinke beschreibt. Er gehört wie der frühere BR-Journalist Ulrich Chaussy zu ausgewiesenen Kennern des Falles, der nun wieder die Ermittler beschäftigen könnte.
Der offenbar antisemitische Doppelmord erfolgte nur wenige Wochen nach dem Attentat auf dem Münchner Oktoberfest. Auch Gundolf Köhler, der die Bombe dort gelegt hatte, nahm an Übungen der »Wehrsportgruppe Hoffmann« teil. Trotzdem ermittelte die Sonderkommission »Erlangen« des bayerischen Landeskriminalamts monatelang nicht im Milieu der Rechtsradikalen. Sondern verfolgte Spuren, wonach Israels Auslandsgeheimdienst Mossad in den Mord involviert gewesen sein sollte. Eine Nachrichtenagentur insinuierte dazu, Levin könnte ein Mossad-Agent gewesen sein.
Nun steht der Verdacht im Raum, dass der deutsche Geheimdienst eine größere Rolle gespielt haben könnte. Die Linke-Bundestagsabgeordnete Martina Renner und Sebastian Wehrhahn, der Referent für Antifaschismus der Fraktion, berichteten im August in der »Zeit« über ein bislang unbekanntes und als »geheim« eingestuftes Dokument des Bayerischen Verfassungsschutzes. Dieses belege, dass der Dienst einen Informanten im Umfeld des Täters geführt habe. Renner und Wehrhahn folgern, dieser V-Mann sei »wohl über die Mordvorbereitungen unterrichtet« gewesen.
Dem Geheimpapier zufolge soll der Informant Mitglied der »Wehrsportgruppe« gewesen sein und sechs Tage vor dem Mord deren Anführer in seinem Schloß bei Erlangen besucht haben. Dabei habe er beobachtet, wie Hoffmann und Behrendt Schalldämpfer hergestellt hätten. Möglich ist also, dass der Verfassungsschutz über die Pläne für den Doppelmord Bescheid wusste, diesen aber nicht verhinderte.
V-Leute sind keine Mitarbeiter von Geheimdiensten, sondern liefern diesen Informationen. Dafür können sie eine Entlohnung erhalten oder sich gegenüber der Justiz Vorteile verschaffen, wenn gegen sie selbst wegen Straftaten ermittelt wird. Über 300 Meldungen von Informanten soll es mit Bezug zur »Wehrsportgruppe« gegeben haben, erinnert Renner in der »Zeit«. Das musste das Bundesamt für Verfassungsschutz nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes im Jahr 2017 einräumen. Darunter seien sowohl Meldungen eigener V-Leute als auch die anderer Landesämter gewesen.
Auf eine dieser geheimen Quellenmeldungen beziehen sich Renner und Wehrhahn in ihrem Artikel in der »Zeit«. Diese sei Teil eines Schreibens des Bayerischen Landesamtes für Verfassungsschutz an das Bundesamt anlässlich des Fundes einer Rohrbombe im Februar 1981 in Bonn. Darin bitten diese um Bilder der Bombe, um diese ihren Informanten zum Abgleich vorlegen zu können.
Für den Doppelmord an Levin und Poeschke wurde niemand verurteilt. Erst acht Monate nach der Tat erließ das Amtsgericht Erlangen einen Haftbefehl gegen Behrendt. Da war dieser längst auf Kosten der »Wehrsportgruppe« in ein palästinensisches Ausbildungslager im Libanon gebracht worden. Dort soll er Suizid begangen haben.
Ein 1984 gestarteter Prozess gegen Hoffmann als möglichen Auftraggeber der Morde verlief im Sande, da dieser Behrendt als »Einzeltäter« darstellen konnte. Mit den neuen Erkenntnissen aus den geheimen Akten erhält diese These jetzt neue Risse.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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