Syriza sucht nach Auswegen aus der Krise

Bei den Wahlen zum Vorsitz der griechischen Linkspartei geht es auch um deren Selbstbild

  • John Malamatinas, Athen
  • Lesedauer: 3 Min.
Efi Achtsioglou (links) will Syriza-Vorsitzende werden.
Efi Achtsioglou (links) will Syriza-Vorsitzende werden.

»Erst die Gesellschaft, dann die Wahlen«, entschied das Politische Sekretariat der griechischen Linkspartei Syriza und verschob aufgrund der Sturmkatastrophe die Abstimmung über den neuen Vorsitzenden auf den 17. und 24. September. Mehrere Kandidaten hatten darum gebeten. Seitdem sind zunächst Efi Achtsioglou und dann Stefanos Kasselakis und Nikos Pappas nach Thessalien gereist, um sich ein Bild vom Ausmaß der Katastrophe und der Probleme der Bewohner zu machen.

Alexis Tsipras, erster linker Ministerpräsident in der Geschichte Griechenlands, hat nach der letzten Wahlniederlage mit 20 Prozent gegenüber den 40 Prozent der Regierungspartei Nea Dimokratia das Handtuch geworfen. Die Partei befindet sich in der schwersten Krise seit ihrer Gründung und sucht ein neues Gesicht.

Efi Achtsioglou, Ex-Arbeitsministerin unter Tsipras, scheint laut aktuellen Prognosen in Führung zu liegen. Sie gilt als unbelastetes Talent mit Regierungserfahrung. Syriza soll laut Achtsioglou »eine Partei der Strukturen werden und nicht eine Partei der Apparate«. Die Ex-Ministerin wirbt für ihre Strategie, wie sie die Partei umbauen will, um breitere soziale Schichten zu erreichen. Zudem würde eine Frau an der Spitze einer großen Partei der griechischen Politik guttun: Die Kandidatur Achtsioglous für den Vorsitz hat innerhalb und außerhalb der Parteigrenzen eine Welle von politischem Sexismus ausgelöst und zwang Journalisten, politische Analysten und Parteimitglieder dazu, das weibliche Geschlecht hinzuzufügen, wenn sie sich auf die entsprechenden Wahlen bezogen.

Ihr schärfster Konkurrent und Gegner in der Stichwahl könnte der Newcomer Stefanos Kasselakis sein. Um ihn ranken sich allerhand Gerüchte, etwa, dass er aus den USA geholt wurde, um Syriza mit Atlantizismus zu infizieren, während andere unterstellen, dass er von Goldman Sachs aufgebaut wurde, um die Linke von innen heraus zu untergraben. Tatsächlich hat Kasselakis für Goldman Sachs gearbeitet und war Wahlhelfer für Joe Biden. Er ist erst 35 Jahre alt und hatte bisher nichts mit griechischer Politik am Hut. In Anti-Syriza-Kreisen herrschen laut der Zeitung »Kathimerini« »Neugierde und ein gewisses Unbehagen« über den Quereinsteiger vor: »Er ist jung, attraktiv, wohlhabend, ein Aufsteigertyp, griechischer Abstammung, mehrsprachig, offen homosexuell, ein Verfechter der Tierrechte und baldiger Vater.« In einem seiner letzten Kampagnenvideos besucht er die Insel Makronisos, historischer Exilort der griechischen Kommunisten, um zu zeigen, dass er von der Geschichte der griechischen Linken Ahnung hat. Unterstützt wird er vom kretischen Syriza-Politiker und Tsipras-Kritiker Pavlos Polakis.

Auch ein alter Bekannter ist Teil des Rennens: Efklidis Tsakalotos, Nachfolger von Yannis Varoufakis als Finanzminister unter Tsipras. Er verteidigt die Wirtschaftspolitik der Syriza-Regierung und zeigt Bereitschaft, sich von Efi Achtsioglou abzugrenzen, indem er betont, dass »Syriza ein Teil der Linken bleiben muss«, um im selben Zug klarzustellen, dass »ich mir keine Linke vorstellen kann, die sich nicht öffnen will«. Ihm wird vorgeworfen, dass er in den letzten Jahren nicht an vorderster Front für Syriza eingetreten ist, wie er es hätte tun sollen.

Ein anderer Kandidat ist Nikos Pappas, einer der engsten Vertrauten von Alexis Tsipras. Der Ex-Minister für Digitalisierung war schon in den frühen 90ern in der Parteijugend der Vorgängerpartei Synaspismos engagiert. Sein Ziel lautet, »die Überzeugungsarbeit (zu leisten), die wir bisher nicht leisten konnten: dass die uns auferlegte sehr harte Memorandumspolitik nicht unser Programm war«. Anfang des Jahres wurde er zu einer zweijährigen Haftstrafe mit dreijähriger Bewährungsfrist verurteilt, weil er an der Abwicklung einer Ausschreibung für TV-Lizenzen im Jahr 2016 beteiligt war.

Einen weiten politischen Weg hinter sich hat Stefanos Tzoumakas. Er hat die gesamte Geschichte der sozialdemokratischen PASOK durchlaufen, war Minister sowohl unter Andreas Papandreou als auch unter Kostas Simitis. Viele mögen von seinem Auftreten befremdet sein oder ihn als »altmodisch« betrachten. Tzoumakas kandidierte für das Amt, um sich politisch zu äußern und sich Gehör zu verschaffen, was ihm sonst verwehrt bliebe. Wirklich aussichtsreich ist seine Kandidatur nicht.

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