Rechtsruck in Grün

Jana Frielinghaus über die geforderte »realistische« Migrationspolitik

Robert Habeck hat seiner Partei mehr Pragmatismus im Umgang mit Abschiebungen verordnet. Anderenfalls sei die Situation den Kommunen nicht mehr zuzumuten, sagte er am Wochenende. Vor allem aber dürfe man nicht den Rechtspopulisten das Feld überlassen. Neuerdings, so scheint es, wollen auch die Grünen AfD und Co. das Thema entreißen, indem sie deren Forderungen erfüllen.

Habeck weiß genau, dass die Verlagerung von Asylverfahren an die EU-Außengrenzen das Grundrecht auf Asyl in vielen Fällen aushebelt. Dasselbe gilt für »schnellere« Rückführungen und die Deklarierung von immer mehr Ländern zu »sicheren Herkunftsstaaten«. Das widerspricht der Genfer Flüchtlingskonvention, nach der Asylrecht ein individuelles ist. Habeck weiß auch, dass konsequentes Abschieben in der Realität auch der von den Grünen mitregierten Bundesländer längst bedeutet, dass Grundrechte verletzt und Traumatisierte deportiert werden, dass inzwischen sogar versucht wird, Leute aus dem Kirchenasyl heraus abzuschieben. Und dass das Fachkraftpotenzial junger, hier aufgewachsener Menschen weggeworfen und ihre Leben zerstört werden, indem sie in ihnen fremde Länder abgeschoben werden.

Da die Grünen eine stabile Stammwählerschaft haben, dürfte es Habeck mit seinem Postulaten weniger um deren Gunst gehen. Die lassen sich vom »Pragmatismus« der Partei nicht abschrecken, im Gegenteil. Vielmehr sehen er und andere die formale Machtbeteiligung im Bund und – kurz vor den Landtagswahlen – in Hessen akut gefährdet. Für Ministersessel räumen die Grünen seit Jahrzehnten einen Grundsatz nach dem anderen ab: »Frieden schaffen ohne Waffen«, Kohleausstieg und nun essenzielle Grundsätze des Asylrechts.

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