- Politik
- Berg-Karabach
Iran schaut mit Sorge auf den Konflikt um Berg-Karabach
Die iranische Regierung fürchtet um seine Landgrenze zu Armenien
Der Iran hat sich bisher eher zurückgehalten im Konflikt um Berg-Karabach, obwohl das Gebiet vor seiner Haustür liegt, etwas nördlich der Grenze zu Aserbaidschan. Während des zweiten armenisch-aserbaidschanischen Krieges im Herbst 2020 war die Regierung in Teheran bestrebt, die Rückgabe der verlorenen Gebiete an Aserbaidschan zu unterstützen. In der Auslegung des Waffenstillstandsabkommens von 2020 forderte die Regierung in Baku jedoch das Recht auf einen Land- und exterritorialen Eisenbahnkorridor entlang der derzeitigen Grenze zwischen Armenien und dem Iran, den sogenannten Sangesur-Korridor. Im September 2022 warnte die Regierung in Teheran jedoch vor einer Änderung der Grenzen zwischen Aserbaidschan und Armenien.
Zuvor hatte der Iran wiederholt erklärt, dass Karabach zu Aserbaidschan gehöre. Laut der Teheraner Zeitung »Hamschahri« erklärte Irans Präsident Ebrahim Raisi erst kürzlich: »Karabach gehört zu Aserbaidschan, aber wir betonen, dass die Rechte der Armenier respektiert werden müssen und ihre Sicherheit und Rechte sowie der Zustand der Grenzen gewahrt werden müssen.«
Teheran ist traditionell gegen jeden Separatismus – wie auch im eigenen Land für die Kurden oder Belutschen – und akzeptiert keine selbsternannte lokale Regierung in Karabach. Daher befürwortet der Iran die Entwaffnung der armenischen Karabach-Armee, einen friedlichen Dialog und die territoriale Integrität der Republik Aserbaidschan sowie die Gewährleistung der Rechte und der Sicherheit der Armenier von Karabach innerhalb Aserbaidschans.
Der iranischen Nachrichtenagentur Tasnim zufolge zeigt sich der Iran zufrieden mit der Vereinbarung zwischen der aserbaidschanischen Regierung und den Vertretern der in Karabach lebenden Armenier zur Beendigung des Konflikts.
Dass damit alle Krisen an der Nordgrenze gelöst wären, glaubt man aber auch in Teheran nicht. Die Beziehungen zu Aserbaidschan bleiben angespannt. Die Regierung in Teheran ist besorgt über die aggressive Politik Aserbaidschans und der Türkei, die Stärkung des Pan-Turkismus und die Schwächung der geopolitischen und handelspolitischen Position Irans im Kaukasus. Im Iran selbst lebt eine große aserbaidschanische Minderheit, pan-aserbaidschanische Bewegungen in Baku werden in Teheran als Bedrohung der territorialen Integrität wahrgenommen.
Auf Kritik stößt vor allem die Vertiefung der militärischen Zusammenarbeit zwischen Aserbaidschan und israelischen Streitkräften auf aserbaidschanischem Territorium. Generell sieht der Iran ausländische Streitkräfte in der Nähe der iranischen Grenzen als Gefahr und die Instabilität des Kaukasus als Bedrohung für die nationale Sicherheit.
Obwohl der Iran die territoriale Integrität Aserbaidschans unterstützt, will er nicht zusehen, wie womöglich seine Grenze zu Armenien verloren geht. Die territoriale Integrität der Republik Armenien ist die rote Linie. Teheran sieht im möglichen Verlust der armenischen Kontrolle über die Region, die an den Iran grenzt, eine Verletzung seiner Interessen.
Schon in den vergangenen Monaten hatte die Führung in Teheran Militärmanöver nahe seiner Nordgrenzen durchgeführt und Truppen verstärkt – eine abschreckende Geste gegenüber Aserbaidschan und seinem Schutzpatron Türkei. Der Iran lässt seine Muskeln spielen und deutet an, dass er bereit wäre, militärisch einzugreifen, sollten aserbaidschanische Truppen Südarmenien einnehmen und die Grenzregion zum Iran besetzen.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.