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Einig in der Flüchtlingsabwehr

Deutschland stimmt in Brüssel weiteren Einschränkungen des EU-Asylrechts zu

Von einem »hervorragend ausgehandelten Kompromiss« schwärmte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) am Donnerstag beim Treffen mit ihren EU-Kollegen in Brüssel. Sie kündigte an, weitreichenden Änderungen des Gemeinsamen Asylsystems (GEAS) zuzustimmen. Bis zum Mittwoch hatten sich innerhalb der Bundesregierung insbesondere Vertreter der Grünen noch gegen die sogenannte Krisenverordnung gewehrt, die nun Teil der GEAS-Reform ist.

Der Streit über die Verordnung hatte eine Gesamteinigung zur GEAS-Reform verzögert. Mit dem »Krisenmechanismus« will sich die EU »gegen neue Flüchtlingskrisen wappnen«. Er räumt Mitgliedsstaaten, die sich durch »übermäßige« Migration zu sehr unter Druck sehen, das Recht ein, noch restriktiver als bisher mit Asylsuchenden umzugehen. Sie sieht unter anderem vor, dass mehr Menschen in Lagern an den Außengrenzen Verfahren durchlaufen und auch direkt dort abgewiesen werden können. Zudem soll der Zeitraum verlängert werden können, in dem Menschen dort unter haftähnlichen Bedingungen festgehalten werden können.

Mit der Zustimmung Deutschlands gebe es nun endlich »einen Willen zur Mehrheit« unter den Mitgliedsländern, sagte Spaniens Innenminister Fernando Grande-Marlaska, der die Brüsseler Verhandlungen leitete. Er übergab das Dossier den Ständigen Vertretern der EU-Staaten in Brüssel. Sie sollen das endgültige Mandat für die nun folgenden Verhandlungen mit dem Europaparlament ausarbeiten.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte am Mittwoch Medienberichten zufolge ein »Machtwort« gesprochen und die Zustimmung zur Krisenverordnung vorgegeben. Am Donnerstag sprach er in Berlin von einem »Durchbruch« und lobte das »große Verdienst« Faesers. Vor der Einigung hatte die Innenministerin es noch als wichtig für die Bundesregierung bezeichnet, dass ein Mitgliedsland einen Krisenfall »nicht leichtfertig in Anspruch« nehme und rechtsstaatliche Standards absenke. Diese müssten auch gelten, wenn Drittländer Flüchtlinge gezielt in die EU weiterleiteten, wie es zuletzt Belarus getan hatte, so Faeser.

Während die Grünen die Zustimmung zur Krisenverordnung bislang mit der Begründung abgelehnt hatten, dass dadurch eine Aushöhlung des Asylrechts drohe, brachte Außenamtschefin Annalena Baerbock zuletzt auch die deutschen Kommunen ins Spiel, die man wirksam vor Überlastung durch die Aufnahme zu vieler Geflüchteter schützen müsse. »Handlungsfähigkeit in Krisen ja, aber bitte gerecht europäisch und nicht zulasten deutscher Kommunen«, schrieb Baerbock im Onlinedienst X.

Faeser ließ in Brüssel derweil durchblicken, dass die Forderung der Grünen nach Ausnahmen von den Asylverfahren an den Außengrenzen für Familien mit Kindern wohl nicht durchsetzbar sei. Auf die Außengrenzenverfahren hatten sich die 27 Mitgliedsstaaten im Grundsatz bereits im Juni geeinigt. Auch Deutschland begründet das Tempo, das nun beim Festklopfen der GEAS-Reform vorgelegt wird, mit der Europawahl 2024. Man wolle so den erstarkenden Rechtsextremen und Populisten Einhalt gebieten.

Ungarn, Österreich und Polen finden den Krisenmechanismus indes bei weitem noch nicht restriktiv genug. Die Vertreter der drei Länder hatten zuletzt gegen die Verordnung gestimmt. Da nun Deutschland zustimmen wird, können sie eine Verabschiedung der GEAS-Reform aber nicht mehr verhindern. Unstrittig war unterdessen ein Beschluss der Innenminister, den besonderen Schutz für Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine bis März 2025 zu verlängern.

Menschenrechts- und Hilfsorganisationen kritisierten das Vorgehen der Bundesregierung scharf. Die vorliegenden Vorschläge zur GEAS-Reform seien »ein Verrat an den Rechten von Menschen auf der Flucht und bereiten einer faktischen Abschaffung des europäischen Asylrechts den Weg«, sagte Julia Duchrow, stellvertretende Generalsekretärin von Amnesty International in Deutschland. Sie würden »den rechtsstaatlichen Zerfall der Europäischen Union vorantreiben«. Die Bundesregierung dürfe »vor der menschenfeindlichen Rhetorik der letzten Wochen nicht einknicken«.

Der Geschäftsführer der Seenotrettungsorganisation SOS Humanity, Till Rummenhohl, betonte, auch die Ausweitung des Konzepts der »sicheren Drittstaaten« durch die GEAS-Reform verstoße gegen internationale Normen. Die Zustimmung zur Krisenverordnung bedeute, »den schon bestehenden Ausnahmezustand und Rechtsbrüche an den EU-Außengrenzen rechtlich zu zementieren«.

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